Sven Hillenkamp: "Das Ende der Liebe"

Gefühle im Zeitalter unendlicher Freiheit


Die Unfähigkeit zu lieben aufgrund der unendlichen Auswahl

Vernunftehen gibt es im westlichen Kulturkreis dank der freiheitlichen Gesellschaftsordnung praktisch nicht mehr. Ehen und eheähnliche Beziehungen gründen heute auf Liebe.

So weit, so gut - oder eben gar nicht, wie der Autor Sven Hillenkamp darlegt. Seinen Beobachtungen zufolge befindet sich der freie Mensch ständig auf der Suche, auch wenn er in einer "festen" Beziehung lebt, er vergleicht seinen Partner mit der Unzahl an anderen Menschen von dessen Geschlecht, die ihm mehr oder minder flüchtig begegnen, Tag für Tag, und er untersucht ihn mit unbarmherzigem Röntgenblick.
Wenn der Eindruck entsteht, der Partner genüge nicht den Anforderungen - er enge ein, er entwickle sich nicht, er sei nicht zärtlich genug und so weiter -, wird er abgelegt und ausgetauscht. Und so geht das Spiel von vorne los.

Hillenkamp beschreibt, wie die Menschen auf der vermeintlichen Suche nach Liebe in eine konfuse Sexsucht geraten, wie Sex als Eintrittskarte zur Liebe verstanden wird. Der Autor befasst sich auch mit den Aspekten der Partnerwahl: Das Pendant soll schön sein, intelligent, den gewünschten Kreisen entstammen und natürlich in erotischer Hinsicht absolute Erfüllung versprechen. Es soll so sein, wie man selbst gern wäre, also einem Ideal gehorchen, und dem hohen Anspruch kann natürlich niemand auf Dauer genügen. Nicht ohne Ironie plädiert Sven Hillenkamp deshalb am Ende des Buchs für die Rückkehr der Vernunftehe.

Sicherlich sehr bewusst stellt der Autor die aktuelle Situation der Gesellschaft stark übertrieben und überspitzt dar. Es ist wohl kaum so, dass wir, wenn wir uns durch eine Stadt bewegen, unablässig die Passanten betrachten in der Hoffnung, es könne sich unter ihnen der einzig wahre Partner befinden, dass wir ständig, auch unbewusst, auf besseren Sex und mehr Zärtlichkeit mit einem anderen Menschen als dem aktuellen Lebensabschnittsbegleiter hoffen und andauernd bemüht sind, mit Hilfe des Partners unserem eigenen scheinbaren Ungenügen zu entfliehen.

Im Buch agieren ständig "die Menschen", "die freien Menschen". Der frei denkende Leser wird sich an den meisten Stellen gegen diese Pauschalisierung auflehnen, mag sich aber im einen oder anderen aufgeführten Fallbeispiel wiedererkennen. Zumindest zeugen die vielen Scheidungen und sonstigen Trennungen, Stieffamilien und florierenden Online-Partnervermittlungen davon, dass Hillenkamp tendenziell recht hat.

Das Buch liest sich, als wäre es unter einem Zwang, gewissermaßen in einem Rutsch geschrieben, und dieser Stil sowie die vielen inhaltlichen Überschneidungen sollen vermutlich auf die moderne Lebensweise, das stete "Getriebensein" anspielen und vermitteln, dass sich der freie Mensch eben doch zwanghaft in einer Art Hamsterrad im Kreis bewegt.

Als Ratgeber kann das Buch nicht dienen, es bietet weder eine präzise Analyse des Ist-Zustandes noch Lösungen und Wege. Ein psychologisches oder soziologisches Sachbuch ist es auch nicht. Die Intention und die Zielgruppe bleiben eher unklar. Dennoch vermag es "den Menschen" einen Spiegel vorzuhalten, einen Zerrspiegel zwar, der aber doch sehr deutlich einige enorme Schwierigkeiten widerspiegelt, mit denen sich unsere Gesellschaft auseinandersetzen muss.

(Regina Károlyi; 09/2009)


Sven Hillenkamp: "Das Ende der Liebe. Gefühle im Zeitalter unendlicher Freiheit"
Klett-Cotta, 2009. 311 Seiten.
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Sven Hillenkamp, geboren 1971, Kindheit in Bonn, Paris und Genf, Studium der Politik, Soziologie und Geschichte, der Philosophie und Islamwissenschaft in Bonn und Berlin.

Weitere Buchtipps:

Sabine A. Döring (Hrsg.): "Philosophie der Gefühle"

Wenn es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so etwas wie die "arme Verwandtschaft" unter den philosophischen Themen gab, so waren das die Gefühle. Zwar hatten sich Klassiker wie Platon, Aristoteles, Spinoza, Descartes und Hume eingehend mit ihnen befasst, aber seit Kant, der sie als "Gegner der Vernunft" abtat, wurde den Gefühlen in der Philosophie nur noch wenig Beachtung geschenkt. Erst seit den 1960er-Jahren rückten sie wieder in den Fokus des Interesses, und zwar aufgrund der Einsicht, dass Gefühle kognitive mentale Zustände sind, die dazu dienen können, andere Zustände und Handlungen rational zu machen. Strittig ist indes, von welcher Art emotionale Kognitionen sind. Der Band versammelt in historisch-systematischen Einzelstudien die wichtigsten Positionen in der Philosophie der Gefühle und eignet sich gleichermaßen als umfassende Einführung in die Thematik wie auch als Seminarvorlage. (Suhrkamp)
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Arnold Retzer: "Lob der Vernunftehe. Eine Streitschrift für mehr Realismus in der Liebe"
Heiraten ist wieder en vogue, immer mehr Paare schließen den Bund fürs Leben. Doch die Hälfte dieser Ehen wird wieder geschieden. Wie nur kann eine Ehe dauerhaft gelingen? Der renommierte Arzt, Psychologe und langjährige Paartherapeut Arnold Retzer ist überzeugt, dass wir die Ehe überfordern und gefährden, wenn wir sie mit falschen Erwartungen befrachten.
In seinem Buch "Lob der Vernunftehe" räumt Arnold Retzer in provokanten Thesen mit liebgewordenen Vorstellungen auf, unterbreitet ironisch sieben Vorschläge, wie wir erfolgreich unsere Ehe zum Scheitern bringen und liefert viele Fallbeispiele aus der Praxis. Nur wenn wir die Ehe von zu großen Erwartungen und Forderungen entlasten, hat sie nicht nur als gesellschaftliches Modell Zukunft, sondern auch im Einzelfall Bestand. (S. Fischer)
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Dalai Lama, Paul Ekman: "Gefühl und Mitgefühl. Emotionale Achtsamkeit und der Weg zum seelischen Gleichgewicht"
Mit einem Vorwort von Daniel Goleman.
Als sich seine Heiligkeit der Dalai Lama, das am innigsten verehrte spirituelle Oberhaupt der Welt, und der renommierte us-amerikanische Psychologe und Emotionsforscher Paul Ekman zum ersten Mal trafen, entwickelte sich zwischen ihnen eine bemerkenswerte Beziehung. Beide versuchen von unterschiedlicher Warte aus, das Wesen und die Eigenheiten unseres Gefühlslebens zu ergründen, und auf diesem Weg sind sie in einen intensiven Dialog über Wissenschaft und Spiritualität, östliche und westliche Denkansätze eingetreten.
In ihren tiefgründigen Zwiegesprächen ringen der Dalai Lama und Paul Ekman um Antworten auf bedeutende Fragen des emotionalen Erlebens. Wo in der Kultur und in der Evolution sind die Ursprünge für Hass und für Mitgefühl zu suchen? Sollte man sogar einem Folterer mit Mitgefühl begegnen - und ist das biologisch überhaupt möglich? Kann uns die Wissenschaft etwas über den Nutzen der buddhistischen Meditation verraten? Was ist das Geheimnis emotionaler Achtsamkeit? Lässt sich das buddhistische Gedankengebäude in Übungen übersetzen, die jedem einzelnen Menschen helfen, ein besseres Leben zu führen? Die Unterredung der beiden großen Persönlichkeiten ist in diesem Buch angereichert mit kurzen erläuternden Texten von Wissenschaftlern und buddhistischen Gelehrten, die den Leser an den Befunden der Emotionsforschung und an den Praktiken teilhaben lassen, wie sie in buddhistischen Texten beschrieben werden.
Wenn der Dalai Lama und Paul Ekman sich mit dem Wesen der Emotion auseinandersetzen, laden sie den Leser zugleich ein, jene Hilfsmittel und Traditionen zu erkunden, die ihm beim Streben nach Erfüllung und seelischem Gleichgewicht zur Verfügung stehen. Ihr Dialog - oftmals amüsant, fesselnd, augenöffnend und bewegend - führt den Leser auf eine Reise zum Kern seiner Emotionen, aus der er verändert wieder hervorgehen kann. (Spektrum Akademischer Verlag)
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Werner Bartens: "Körperglück. Wie gute Gefühle gesund machen"
Forschungsergebnisse belegen: Unser Körper ist ein Spiegel unserer Gefühle. Die Anfälligkeit für Rückenschmerzen etwa lässt sich zuverlässig anhand eines Persönlichkeitsprofils voraussagen. Und wer seine Angst vor dem Zahnarzt bekämpft, tut zugleich etwas gegen die Schmerzen. Der Arzt und Erfolgsautor Werner Bartens nimmt uns mit auf eine Reise zu den Gefühlen und verrät, wie sie unsere Gesundheit stärken können. (Droemer)
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Gudrun Kugler: "Niemand ist eine Insel. Wie man den Partner fürs Leben findet"
Wie finde ich den Partner fürs Leben? Wo kann ich ihn kennenlernen? Liegt es an mir, dass ich noch alleinstehend bin?
Das sind die entscheidenden Fragen von Menschen, die ungewollt alleine sind. Wer den "Partner mit Niveau und Persönlichkeit" bislang vergeblich gesucht hat, für den weiß Gudrun Kugler Rat. Die Juristin und Theologin leitet seit einigen Jahren mit großem Erfolg eine christliche Partnerschaftsagentur. Sie macht Menschen fit für die Zweisamkeit und weiß mitfühlend von Liebesleid und Liebesglück zu erzählen.
Gudrun Kugler, geboren 1976, ist Magister des Rechts und des Frauenrechts, Doktor des Internationalen Rechts und Master der Theologie mit Studien zu Ehe und Familie. Gudrun Kugler ist verheiratet und hat drei Kinder. Von 2001 bis 2004 war sie als Vorsitzende der Weltjugendallianz-Europa in Brüssel und New York City tätig. Seit Januar 2005 ist sie Gründungspartnerin der Kairos-Consulting für Non-Profit-Initiativen in Wien. Seit 2008 unterrichtet sie als Adjunct Professor am Internationalen Theologischen Institut. Kugler bei der OSZE engagiert und Mitglied des FRP Advisory Panels der EU-Grundrechteagentur. Bei den Wiener Wahlen 2005 kandidierte sie für die ÖVP und erzielte nach dem Listenführer und Parteichef das beste Ergebnis der ÖVP. Gudrun Kugler wurde für ihre Dissertation mit dem "Leopold-Kunschak-Preis", ihre Arbeit in Brüssel mit dem Preis der Stiftung "Ja zum Leben" ausgezeichnet.
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Goffredo Parise: "Alphabet der Gefühle"
Mit zwei Vorworten von Natalia Ginzburg.
Das Buch brachte seinem Autor Weltruhm; es erhielt den "Premio Strega" und wurde in alle Weltsprachen übersetzt.
Es ist, so Parise, "wie ein Lesebuch über die Gefühle der Menschen".
Dieses Alphabet - anfangend mit Amore und Affetto (Liebe und Zuneigung) - erzählt von Ereignissen, die Menschen verändert zurücklassen und ihnen bewusst machen, wie übermächtig ihre Gefühle sind, ihre Leidenschaften, Sorgen und Sehnsüchte. (Verlag Klaus Wagenbach)
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Marco Iacoboni: "Woher wir wissen, was andere denken und fühlen. Die neue Wissenschaft der Spiegelneuronen"
Menschen besitzen die erstaunliche Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, mitzufühlen, Absichten und Handlungen intuitiv zu verstehen. Ermöglicht wird das, wie wir erst seit kurzem wissen, durch die sogenannten Spiegelneuronen - Wunderwerke der Natur, die uns in vielfältiger Weise durch den Tag bringen und für die emotionale und soziale Bindung zwischen den Menschen sorgen.
Wie kommt es, dass uns Kinofilme zu Tränen rühren oder wir förmlich mitzittern, wenn ein Elfmeterschütze Anlauf nimmt? Dass wir intuitiv wissen, was jemand anderes vorhat? Und dass wir die Beine übereinanderschlagen, wenn unser Gesprächspartner dies eben getan hat? Die längste Zeit glaubte man, solche Phänomene nicht erklären zu können, weil naturwissenschaftliche Untersuchungen von mentalen Prozessen wie z.B. Absichten als unmöglich galten. Mit der Entdeckung der Spiegelneuronen, einer Gruppe von spezialisierten Gehirnzellen, scheint es nun möglich, solche und andere ganz selbstverständliche menschliche Fähigkeiten biologisch zu erklären. Neurowissenschaftler wie Marco Iacoboni eröffnen uns damit einen faszinierenden neuen Blick auf die menschliche Kommunikation, auf intuitives Verstehen, das Mitgefühl und selbst das Erlernen der Sprache durch Kinder. Und möglicherweise sind Spiegelneuronen auch die biologische Grundlage des Moralempfindens. (DVA)
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