Miro Gavran: "Johannes der Täufer"
Der
1961 geborene, in Zagreb lebende Dramatiker und Romancier Miro Gavran
gilt heute als einer der bekanntesten kroatischen Schriftsteller seiner
Generation, dessen Werke bislang in rund 30 Sprachen übersetzt
worden sind.
Die Lektüre des vorliegenden historischen Romans "Johannes der
Täufer" war die erste Begegnung des Rezensenten mit diesem
Autor. Sowohl das Thema des Buches und seine theologischen Aussagen als
auch seine geniale sprachliche Ausdruckskraft haben mich restlos
überzeugt.
Drei vollkommen unterschiedliche Menschen, die so aber durchaus gelebt
haben könnten, lässt Miro Gavran in seinem Buch mit
dem Propheten Johannes zusammentreffen, den man den Täufer
nannte und der gemäß den Schriften Jesus Christus
nicht nur ankündigte, sondern ihm auch begegnete und ihn
taufte.
Da ist der Priestersohn Elisäus. Er versucht ein Leben nach
Gottes Willen zu führen und spürt doch, dass mit
seinem Land, seinem Volk und dem Klerus, für dessen Dienst er
sich vorbereitet, etwas grundsätzlich nicht in Ordnung ist.
Da ist Bileam, Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmannes
und Händlers. Als sein Bruder einen arbeitssuchenden Mann
aufnimmt und ihm Arbeit gibt, stellt sich kurze Zeit später
heraus, dass der Mann ein entflohener römischer Soldat war.
Bileams Bruder kostet diese barmherzige Tat sein Leben. Er wird von den
römischen Besatzern standrechtlich hingerichtet. Für
Bileam ist dieser Vorfall ein Schock, der ihn in das Lager derjenigen
treibt, die glauben, sich bewaffnen und auf einen Befreiungskampf gegen
die Römer vorbereiten zu müssen.
Und da ist
Salome,
die Tochter der Herodias, die später für das
Lebensende Johannes des Täufers verantwortlicht zeichnet. Sie
führt das Leben einer Edelprostituierten, wird früh
missbraucht und lebt danach ein erbärmliches Leben mitten im
Luxus, ausgenutzt und missbraucht von Männern.
Es ist eine Zeit in Israel, in der alles, was vorher war, nicht mehr
gilt. Große politischen Verwerfungen kündigen sich
an, eine Zeit der Krise bringt nicht nur prophetische Personen wie
Johannes den Täufer hervor, es ist messianische Zeit
(Giorgio Agamben). Viele Menschen spüren den Umbruch und leben
ihr Leben sozusagen als Paradigma dafür. Alle drei
Protagonisten des Buches erleben das, und für jeden der Drei
wird die unterschiedliche Begegnung mit Johannes dem Täufer zu
einem Wendepunkt im Leben.
Elisäus und Bileam schließlich werden zu
Jüngern des Johannes, wobei der
aufständische Bileam nicht nur von Johannes, sondern auch von Jesus,
dem sie ab jenem denkwürdigen Tag begegnen, als Jesus zu
Johannes an den Jordan kommt, um sich taufen zu lassen,
enttäuscht ist. Er hat sich mehr erwartet, wie wohl viele
Andere damals.
Miro Gavran hat seine Protagonisten, so weit ich das sehen kann,
historisch glaubwürdig gezeichnet. Was allerdings das
für mich Besondere an diesem historischen Roman darstellt, ist
deren eher zeitlose Charakterisierung. Man kann sich als Leser in die
Lebens- und Gedankenwelt von Elisäus, Salome und Bileam,
stellenweise jedenfalls, hineinversetzen, und so wird die
Lektüre nicht nur zu einem spannenden und lehrreichen
Vergnügen, sondern auch zu einer existenziellen
Infragestellung der eigenen Lebensgrundlagen und -ziele.
Ein Roman, der sich in einer ganz besonderen poetischen Weise der
jüdischen und frühchristlichen Gedanken- und
Glaubenswelt des ersten Jahrhunderts nach Christus annähert
und dem gerade wegen seiner Differenziertheit so etwas wie eine
überzeugende Verkündigung der "frohen Botschaft"
gelingt.
(Winfried Stanzick; 03/2009)
Miro
Gavran: "Johannes der Täufer"
Aus dem Kroatischen von Klaus Detlef Olof.
Seifert Verlag, 2008. 346 Seiten.
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Weitere
Bücher des Autors:
"Der Engel von Omorina"
Mislav, ein junger Mann von zwanzig, dessen Denken und Fühlen
dem eines Zehnjährigen
gleicht, wird nach Jahren, die er in Heimen zugebracht hat, von seinen
Eltern in
ihr kleines kroatisches Dorf geholt.
Seine Ankunft ist für alle ein Schock: für die
jüngeren Geschwister, die
nichts von seiner Existenz geahnt haben, für die
Nachbarschaft, die kühl und
abweisend auf den fremden Eindringling reagiert.
Für Mislav beginnt eine schwierige Zeit der Anpassung und des
Lernens, in der
er seine Gedanken und Empfindungen nur dem Tagebuch anvertrauen kann,
das ihm
unter den Habseligkeiten aus seinem früheren Leben am
kostbarsten ist. Aber
bald erobert er durch seine unschuldige Güte und Arglosigkeit,
durch seine
Fantasie und liebenswürdige Offenheit die Umgebung und vor
allem das Herz des
Nachbarmädchens Jasenka. Zwischen beiden jungen Menschen keimt
eine erste zärtliche
Liebe, bis sie der Vater des Mädchens entdeckt. (Seifert
Verlag)
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"Judith"
Klug, schön und von hoher Geburt, wird Judith dem reichen, um
vieles älteren
Manasses zur Frau gegeben. Sie liebt ihn nicht und schenkt ihm auch
keine
Kinder. Daraufhin verstößt er sie. Als er stirbt,
sühnt sie nichtsdestotrotz
seinen Tod in zweijähriger, selbst gewählter Askese.
Da fallen die Syrer in
Israel ein.
Der Hohepriester erlegt Judith die Pflicht auf, ihre Schönheit
in den Dienst
des Vaterlands zu stellen: Er befiehlt ihr, den feindlichen Feldherrn
Holofernes
mit ihren weiblichen Reizen zu
verführen, ihn zu
töten und als Zeichen der
vollbrachten Tat seinen Kopf nach Jerusalem zu bringen.
Gehorsam begibt sich Judith mit ihrer Dienerin in das Heerlager des
Feindes.
Dort jedoch tritt ihr Holofernes vollkommen unerwartet nicht als
wüster Barbar
gegenüber, sondern als umsichtige, feinsinnige und
charismatische Führerpersönlichkeit.
Judith muss erkennen, dass sie in ihrem größten
Feind jenen Mann vor sich hat,
der ihr als Einziger ebenbürtig ist. Zugleich weiß
sie: Der Auftrag des
Hohepriesters muss zu Ende gebracht werden. (
Seifert Verlag)
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