Damon Galgut: "Der Betrüger"
Damon
Galguts Roman "Der
Betrüger" war beim "Booker Prize" 2009 der durch Abwesenheit
(er
wurde von einer schwachen Jury nicht einmal für die Langliste
nominiert - die
jedoch u.a. "Kind 44" von Tom Rob Smith und
Amitav
Ghoshs Historienepos "Das mohnrote Meer" enthielt; ein
Schicksal,
das er u.a. mit Helen Garners großartig dunkel leuchtendem
Roman "Das
Zimmer", Ross Raisins originellem Debüt "God's Own
Country"
und Andrew Crumeys furios innovativem "Sputnik Caledonia"
teilt) glänzende inoffizielle geheime Gewinner.
Obwohl Aravind
Adigas
"Der weiße Tiger" kein unwürdiger Sieger
ist, sondern ein
erfrischend klischeeloses und dunkles Bild Indiens und der
Kastengesellschaft
zeichnet, ist "Der weiße Tiger" (Aravind Adigas
Debütroman) doch
weit von der literarischen Reife von "Der Betrüger" entfernt.
So
waren sich auch die britischen Literaturkritiker ausnahmsweise
mehrheitlich
einig, dass "Der Betrüger" des in Kapstadt lebenden Damon
Galgut auch
ohne "Booker Prize" (der ja für den "besten Roman des Jahres"
vergeben wird) der beste Roman aus dem "Commonwealth-Gebiet" des
Jahres 2008 ist.
Adam Napier, der Protagonist dieses Romans, verliert im neuen
Südafrika der
Postapartheid-Zeit seinen Arbeitsplatz an einen jüngeren und
von ihm
eingeschulten schwarzen Mitarbeiter. Sein Haus hat er, trotz Warnungen
und
Besorgnis seiner Freunde und Bekannten, viel zu spät zum
Verkauf angeboten. So
spät, dass dieses Haus mittlerweile so viel an Wert verloren
hat, dass er es
nicht einmal mehr herschenken kann. Zur Überbrückung
übersiedelt er zu seinem
erfolgreichen Bruder Gavin nach Kapstadt. Gavins Versuche, ihn mit
Stellenangeboten
in sein erfolgreiches Boot zu holen, scheitern am Drang Adams, sich
eine
Existenz abseits der Statussymbole zu suchen und nach vielen Jahren
Abstinenz
wieder Lyrik zu schreiben.
Gavins nicht wirklich ernst gemeintes Angebot, Adam könne in
sein entlegenes
Haus in der Karoo ziehen, dort mietfrei wohnen und dort von der Natur
inspirierte Gedichte schreiben, nimmt Adam jedoch sofort an.
Seine Suche nach einem neuen "Ich" wird jedoch schnell durch die
Einsamkeit, durch den verwahrlosten Zustand des Hauses, durch die
unerträgliche
Öde des Kaffs und durch die Begegnung mit einem skurrilen
Nachbarn getrübt.
Der anfängliche Elan wird wie durch ein riesiges Ritenuto
konsequent zum
Stillstand gebracht. Apathie und Alkohol sind sehr bald die beiden
Fixpunkte in
Adams Leben.
Bis er eines Tages im Baumarkt (auf der Suche nach Werkzeug, um seinen
Garten
vom Jahrzehnte alten Unkraut zu befreien) vom ehemaligen Schulkollegen
Kenneth
Cannings angesprochen wird, dessen Vorbild er anscheinend war, an den
er sich
aber partout nicht erinnern kann. Aus für ihn
unerklärlichen Gründen klärt
er Canning über seine Unfähigkeit, sich an ihn zu
erinnern, nicht auf.
Ungewollt entwickelt sich auf Cannings Farm "Gondwana" eine rege und
heftige Freundschaft zwischen dem neureichen Canning, seiner schwarzen
Frau Baby
und Adam.
Spätestens hier wird klar, welche Themen Damon Galgut in
seinem großartigen
Roman wichtig sind. Die Farm "Gondwana" als leuchtendes Symbol
für
Luxus und Gier, ein oberflächlicher Garten Eden in
Südafrika, der
Ausgangspunkt für eine Geschichte der Verführung,
Macht, Korruption, Schuld
und Sühne, Freundschaft und Loyalität, sowie der
Macht der Erinnerung ist.
Adam wird sofort von der ambivalenten Baby, ihrer schillernden und
verführerischen
Kombination aus vulgärem und mysteriösem
Flair, angezogen und schlittert
so fast unvermeidbar in eine Affäre mit der Frau seines
Freundes. Damon Galgut
lässt Adam immer tiefer in die dubiosen Geschäfte
Cannings hineingeraten und
treibt das Spiel konsequent bis zum unvermeidbaren Ausbruch weiter.
Großartig, wie sensibel Damon Galgut mit der Problematik des
neuen Südafrikas
umgeht, Korruption, Mafiawesen und Anarchie, Gier und Macht, alles zur
Bereicherung einer kleinen Schicht, natürlich auf Kosten der
Ärmsten.
Damon Galguts Prosa ist messerscharf und
unprätentiös, im "Betrüger"
findet sich kein überflüssiges Wort. Hervorragend
zieht der noch junge Autor,
dessen "The Beautiful Screaming of Pigs" und "A
Sinless
Season" leider nicht ins Deutsche übersetzt wurden
und der mit "Der
gute Doktor" und "Das Sündenopfer" leider nur eine eher
lauwarme
Rezeption im deutschsprachigen Raum erfahren hat, die Fäden in
diesem
literarischen Spiel der Versuchungen und Suche. Der Autor zeichnet
starke
assoziationsreiche Bilder (z.B. die unendliche Weite der Karoo,
Abendstimmung -
man kann hier wirklich die Farben dieser eigenartig schönen
Landschaft
schmecken), zum Teil mit ganz stark reduzierter, fast im
Tiefstapelbereich
pendelnder Prosa.
Großartige, subtile Figurenzeichnung, gepaart mit
raffinierter psychologischer
Tiefendeutung lassen diesen spannenden Roman zu einem erstklassigen
Leseerlebnis
werden. Damon Galgut benutzt seine Kunst nie zum Selbstzweck, sondern
nur als
Mittel zum Zweck, und der ist bei ihm immer die Erzählung
selbst. Prosa, deren
wahre Schönheit man nur dann sieht, wenn man bereit ist, sich
auf die
substanziellste und ehrlichste literarische Erfahrung einzulassen; das
Lesen mit
offenen Ohren.
"Der Betrüger" ist definitiv eine literarische Sensation, ein
kleines
Meisterwerk eines noch jungen, aber sehr selbstbewussten Autors, der
die
wichtigste Regel der literarischen Kunst längst verstanden hat
und beherrscht.
Er weiß, dass es nicht die Anzahl der im Roman enthaltenen
Wörter ist, sondern
deren Qualität. Gerade in diesem Punkt ist er ein
würdiger Nachfolger J.
M. Coetzees und einer der wichtigsten Autoren Afrikas, denn
eine
unverkennbar eigenständige Sprache, die hat Damon Galgut
längst gefunden.
(Roland Freisitzer; 02/2009)
Damon
Galgut: "Der Betrüger"
(Originaltitel "The Impostor")
Übersetzt von Thomas Mohr.
Manhattan, 2009. 301 Seiten.
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Damon
Galgut wurde 1963 in Pretoria geboren. Bereits mit siebzehn Jahren
verfasste er seinen ersten Roman, "A Sinless Season".
Mittlerweile zählt er zu den renommiertesten Autoren
Südafrikas. Für seinen Roman "Der gute Doktor" wurde
er für den "Man Booker Prize" und den "Dublin/IMPAC
Award" nominiert. Der Roman wurde außerdem in der
Kategorie "bestes Buch" mit dem "Commonwealth Writers Prize"
ausgezeichnet. Damon Galgut lebt in Kapstadt.
Weitere Bücher des Autors:
"Das
Sündenopfer"
Irgendwo in Südafrika ist ein Geistlicher auf dem Weg zu
seiner neuen Gemeinde. Als er auf einer einsamen staubigen
Landstraße einem vermeintlichen Anhalter begegnet, nimmt er
den Mann mit. Doch der namenlose Fremde ist auf der Flucht. Er
tötet den Pfarrer, stiehlt dessen Identität und
übernimmt sogar die Stelle des Toten in einer nahen
Missionarskirche. Doch von Anfang an erregt er das Misstrauen des
Ortspolizisten, der den Fremden wie ein Tier in der Falle umkreist
...
Ein Roman um Schuld und Sühne - von geradezu archaischer Kraft
und Intensität. (Goldmann)
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"Der
gute Doktor"
In einem halb verlassenen
Krankenhaus tief in den ehemaligen Homelands
von Südafrika fristet Frank Eloff ein ereignisloses Dasein.
Als der junge Arzt Laurence Waters auftaucht, um hier sein freiwilliges
Jahr zu absolvieren, begegnet ihm Frank sofort mit Misstrauen. Laurence
ist das komplette Gegenteil von Frank: jung, optimistisch und beseelt
von einem naiven Idealismus, der nie an der Realität getestet
wurde. Er erkennt nicht, dass an diesem gottverlassenen Ort unter der
friedlichen Oberfläche tödliche Spannungen brodeln -
und beschwört eine Katastrophe herauf ... (Goldmann)
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