Pia Frankenberg: "Der letzte Dreh"
Pia
Frankenberg, 1957 in Köln
geborene und mittlerweile
in New York lebende Regisseurin, Produzentin
und
Autorin mehrerer Romane, führt den Leser in "Der letzte Dreh"
mitten
hinein in die Welt der Filmemacher, Drehbuchautoren und Produzenten,
die sie aus
eigener Anschauung so gut kennt.
Inwieweit in die Handlung des Romans auch ganz eigene,
persönliche Erfahrungen
eingeflossen sind, entzieht sich meiner Kenntnis, doch in vielen
Einzelheiten,
insbesondere aber in ihrer beißenden Kritik am herrschenden
Zeit(un)geist der
Kino- und vor allem der Fernsehproduktionen der jüngsten
Vergangenheit, die sie
ihren Protagonisten in den Mund legt, äußert sich
die erfahrene Autorin
selbst.
Für den Rezensenten, der recht selten Kinos besucht, dem aber
jede Woche bei
der Durchsicht der neuen Fernsehzeitung auffällt, dass schon
wieder die immer
gleichen Geschichten mit den immer gleichen auf Durchschnitt getrimmten
Schauspielern angeboten werden und dann jeden Abend erneut lieber zum
Buch
greift und damit viel zufriedener ist, war die Lektüre des
vorliegenden Romans
eine gute und willkommene Führung in die Welt der
Filmemacher,
ihrer Intrigen,
ihrer Träume vom guten Film, ihrer Sehnsucht danach, den
Publikumsgeschmack
wirklich nachhaltig beeinflussen und vielleicht sogar
verändern zu können, und
vor allem ihrer großen wirtschaftlichen Probleme sowie ihrer
Kämpfe um die öffentlichen
Fördermittel und die privaten Geldgeber.
Das Buch und die Geschichte von Johan und Maria ist aber auch ein
Spiegelbild
der Hybris in der Szene, ein Wechsel zwischen Genialität und
Ausgebranntsein,
zwischen Kreativität und maßloser
Selbstüberschätzung.
Die Geschichte beginnt im Süden Argentiniens, wohin Johan und
Maria mit ihrem
achtzehnjährigen Sohn Philip gereist sind, um dort einen
Dokumentarfilm über
eine Pinguinaufzuchtstation einer bekannten Umweltaktivistin zu drehen.
Diese Reise und der Film stellen den vorläufigen Endpunkt
nicht nur der
Beziehung von Maria und Johan, den es vor langer Zeit aus Belgien nach
Deutschland verschlagen hat, sondern auch ihres
größtenteils gemeinsamen
Schaffens in der Filmbranche dar.
Man fragt sich gerade noch, was die beiden da unten wollen, als Pia
Frankenberg
eine lange Rückblende beginnt, die bis kurz vor Ende des
Buches dauert und
nicht nur die Liebesgeschichte von Johan und Maria erzählt,
sondern, wie
gesagt, auch ihre Höhen und Tiefen im gemeinsamen
Filmgeschäft.
Maria kommt dazu wie die Jungfrau zum Kind. Ihre Eltern sind,
steinreich, tödlich
verunglückt und hinterlassen der jungen Maria ein
Riesenvermögen, mit dem sie
überfordert ist und das ihr, jedenfalls solange noch etwas
davon vorhanden ist,
ein schlechtes Gewissen verursacht. Durch ihr Engagement in der
Filmbranche, in
die sie zufällig hineingerät, versucht sie sich davon
freizumachen, und als
sie den etwas älteren Johan kennenlernt, der in Branche schon
einen großen
Namen hat, scheint die gemeinsame Zukunft klar. Lange Zeit geht es auch
ganz
gut, ein Sohn wird geboren, Leute werden für eine eigene Firma
eingestellt,
doch viele Krisen begleiten ihr gemeinsames Leben, das Pia Frankenberg
über
etwa zwei Jahrzehnte schildert.
"Der letzte Dreh" ist ein Roman über Menschen, die gern Teil
einer
Familie wären, gern gute Filme machen möchten und die
der dauernde Kampf um
das Geld mürbe macht.
Als alles Vermögen aufgebraucht ist und beide an das Ende der
Welt gereist
sind, scheint ein neuer Anfang möglich ...
Pia Frankenberg nimmt ihre Leser mit auf eine spannende Reise durch die
1980er-
und 1990er-Jahre und erzählt von einer Beziehung zwischen
einem Mann und einer
Frau, die ebenso symbiotisch wie selbstzerstörerisch ist. Sie
tut es voller
Situationskomik und feiner Ironie und verschafft dem Leser neben dem
schon erwähnten
Einblick in die glamouröse Welt des Films einen Abend mit
hohem Lesegenuss.
(Winfried Stanzick; 01/2009)
Pia
Frankenberg: "Der letzte Dreh"
Rowohlt Berlin, 2009. 251 Seiten.
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