Wolfram Fleischhauer: "Schule der Lügen "


Ein großer Familienroman aus den politisch und philosophisch bewegten Tagen der Weimarer Republik

Es ist das Jahr 1926, und der ziellos herumstreifende Edgar von Rabov findet sich eines Abends wieder einmal in einer Transvestitenbar, als ihm eine junge dunkelhäutige Frau auffällt, die ihm, als sie in Begleitung das Lokal verlässt, einen Zettel mit einem Verabredungstermin am selben Ort zusteckt.
Erwartungsvoll begibt er sich zu diesem Termin, trifft dort aber zunächst auf den Begleiter der jungen Dame, der Edgar erzählt, er sei ein Mitarbeiter der britischen Botschaft, der die indische Dame vor ihrer Rückkehr in die Heimat in Berlin betreut, wo sie irgendjemanden oder irgendetwas suchen würde. Für diese Suche beabsichtigt sie Lokalitäten aufzusuchen, die der Herr Botschaftsangehörige als überaus unpassend ansieht, und er bittet Edgar nun, sie an seiner Stelle zu begleiten und auf sie aufzupassen. Ein wenig erstaunt nimmt der müßige Chemiestudent diesen Auftrag an und erlebt im Weimarer Berlin allerlei Absurdes.

Just in derselben Woche meldet sich aber auch Edgars Familie über den Umweg seines Onkels und seines sehr aggressiven Cousins bei ihm, weil Edgars Säumigkeit im Studium einige Nachfragen erzeugt. Edgar ist genervt von diesen Einmischungen - besonders von denen seines sehr nationalistisch eingestellten Cousins Robert - und versucht sich diesen Gesprächen zu entziehen. Doch kurz nachdem Robert bemerkt hat, dass sein Cousin neuerdings Kontakt mit "Engländern" pflegt, taucht auch Edgars todkranker Vater Herold zusammen mit Großmutter Edith in Berlin auf, und beide nehmen ihn hart ins Gebet. Dabei erfährt er dann einige überraschende Neuigkeiten über seine eigene Familie.

Nach einem Angriff auf den Botschaftsangehörigen und die indische Dame, der wohl Robert zuzuschreiben ist, bekommt Edgar weitere verwirrende Informationen, die ihn in die Bereiche der neu aufkommenden mystisch-esoterischen Bewegungen der damaligen Zeit führen, und bei einem Familienessen im Großraum Hamburg erfährt er Dinge über seine Familie, die ihn veranlassen, fluchtartig zunächst nach London und dann nach Indien zu reisen.

In einer mitreißenden Sprache beschreibt Wolfram Fleischhauer in "Schule der Lügen" die Begegnung zwischen westlicher und östlicher Kultur zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa und zu welchen Irrungen und Wirrungen diese Begegnung im Zusammenhang mit dem Erstarken des wissenschaftlichen, psychologischen und nationalistischen Denkens führte. Und er zeigt auch die Anfänge des Glaubenstourismus nach Indien, was ebenfalls sehr interessant ist. Die Geschichte um Edgar sowie dessen Familiengeschichte sind sehr komplex, verwinkelt und immer wieder überraschend, so dass man am Ende das Gefühl hat, das Buch hätte durchaus etwas seitenreicher ausfallen dürfen - auch wenn eigentlich alles Wesentliche geklärt wird.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2009)


Wolfram Fleischhauer: "Schule der Lügen "
Piper, 2008. 521 Seiten.
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Wolfram Fleischhauer, geboren 1961 in Karlsruhe, studierte Literatur in Deutschland, Frankreich, Spanien und an der University of California Irvine. Für seine Tätigkeit als Konferenzdolmetscher pendelt er zwischen Brüssel und Berlin.
Lien zur Netzpräsenz des Autors: https://www.wolfram-fleischhauer.de.

Zwei weitere Bücher des Autors:

"Der gestohlene Abend"

Es ist eine Liebe gegen jede Vernunft - und Matthias muss sich entscheiden zwischen der undurchschaubaren Janine und dem übermächtigen Wunsch, hinter das Geheimnis von Professor de Vander zu kommen: "Der gestohlene Abend" - Wolfram Fleischhauers mitreißender Roman erzählt von Liebe und Verantwortung, Rivalität und Wahrheit.
Das Schwimmbecken des Colleges lag im hellen Licht des frühen Morgens. Noch waren sie die Einzigen. Matthias stand bis zur Brust im Wasser und umfasste Janines Taille. Ihr Badeanzug streifte seinen Oberschenkel, als er ihr erklärte, wie man eine Rollwende macht. Natürlich durfte er sich keinen Illusionen hingeben, Janine war mit David zusammen. Eigentlich hatte Matthias sich an der renommierten Hillcrest-Universität eingeschrieben, um etwas über Literatur zu erfahren, um die neuen spektakulären Thesen Professor de Vanders kennenzulernen. Während Matthias noch mit seiner Situation hadert, ist es ausgerechnet David, sein großer Rivale, der ihm die Augen öffnet über die erschütternde Wahrheit hinter de Vanders Thesen. (Piper) 
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"Das Buch, in dem die Welt verschwand" zur Rezension ...