Richard David Precht: "Wer bin ich und wenn ja, wie viele?"
Eine philosophische Reise
Sind Sie schon Regisseur Ihrer Lebensimpulse?
Was sind Gefühle? Was ist Wahrheit? Kann ich wollen, was ich
will? Lohnt es sich, gut zu sein? Darf man Menschen kopieren? Hat die
Natur und letztendlich das Leben einen Sinn?
Das sind nur einige der Fragen, auf welche die Philosophie versucht
Antworten zu finden - Antworten letztendlich auf die Frage, was es
bedeutet, Mensch zu sein.
Den Philosophen Richard David Precht begleiteten sie bereits durch sein
ganzes Leben. Aber er musste feststellen, dass es nur sehr wenige
befriedigende Einführungen in die Philosophie gibt.
Was ist eigentlich Philosophie? Was lehren die berühmten
Philosophen?
Kann man in klaren Worten sagen, was manche von ihnen oft
so schwer verständlich formulieren? Das vorliegende
populäre Sachbuch, das monatelang auf den Verkaufsbestenlisten
zu finden war, lädt ein zu einer Reise quer durch die
abendländische Philosophie. In "Wer bin ich und wenn ja, wie
viele?" unternimmt Precht einen Versuch, den Laien kurz, klar und
verständlich in die philosophischen Fragen des Menschseins
einzuführen und gleichzeitig den Blick auf die Dinge, die im
Leben wirklich zählen, zu öffnen.
Bei der Gliederung seines Buches hält er sich an
Immanuel
Kant, der die großen Fragen der Menschheit
folgendermaßen unterteilte: "Was kann ich wissen? Was soll
ich tun? Was darf ich hoffen?" Sie bilden den sogenannten roten Faden
durch die knapp 400 Seiten.
Hat das Leben einen Sinn?
Precht stellt zunächst die klassische Frage der
Erkenntnistheorie: Was kann man über sich selbst wissen? Doch
diese ist heute nur noch sehr bedingt eine philosophische. "Weitreichend
ist sie vor allem ein Thema der
Hirnforschung,
die uns die Grundlagen
unseres Erkenntnisapparates und seiner Erkenntnismöglichkeiten
erklärt", stellt der Autor fest. Die Philosophie
erhält hier nur eine beratende Rolle, doch deren anregenden
Beitrag führt er in einer sehr persönlichen Auswahl
an der Erfahrung einer Generation vor, "die von einem
gewaltigen Umbruch geprägt war und die Moderne entscheidend
mit vorbereitet hat." Der Physiker Ernst Mach, der Philosoph
Friedrich Nietzsche, der Hirnforscher Santiago Cajal und der
Psychoanalytiker
Sigmund
Freud sind die Persönlichkeiten oder
Vorreiter des modernen Denkens, die sich den Kopf
über
unsere Gefühle, das Unterbewusstsein, die Sprache oder das
Gedächtnis zerbrachen.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit
Ethik
und Moral: Warum können Menschen überhaupt moralisch handeln? Sind wir
eher gut oder böse? Brauchen wir andere Menschen? Lohnt es
sich, gut zu sein? Abtreibung, Sterbehilfe, Gentechnik und
Reproduktionsmedizin kommen unter der großen Frage "Was soll
ich tun? " genauso zur Sprache wie Naturschutz, Umwelt-
und Tierethik.
"Denn die vielen praktischen Fragen, die unsere Gesellschaft heute
beschäftigen, warten tatsächlich auf eine
philosophische Antwort", weiß Precht.
Im dritten Teil "Was darf ich hoffen?" geht es um die zentralen Fragen,
welche die meisten Menschen in ihrem Leben beschäftigen.
Liebe, Glück,
Freiheit,
Gott
oder der Sinn des Lebens sind Themen, über die es sich immer lohnt konzentriert
nachzudenken. Auch hier lässt Precht, wie schon in den
vorangegangen Kapiteln, viele bekannte, aber auch weniger bekannte
Philosophen zu Wort kommen, wägt ihre Antworten ab,
analysiert, untersucht und manchmal auch kritisiert diese.
Lernen und Genießen
Auch wenn der Spagat zwischen Wissenschafts- und
Populärlektüre gut gelungen ist, so bleibt Richard
David Precht alles in allem doch ein wenig an der Oberfläche.
Zu viel wird in zu rasanter, zu kompakter Form vermittelt. Ob es beim
Leser die Lust am Denken weckt und trainiert bzw. jenem durch
fortschreitende Selbsterkenntnis gelingt, ein bewussteres Leben zu
führen, "mithin also Regisseur seiner Lebensimpulse
zu werden oder, wie
Friedrich
Nietzsche (für sich selbst vergeblich)
hoffte, 'Dichter' des eigenen Lebens zu sein" wie es sich der
Autor wünscht, bleibt fraglich. Denn für den
philosophisch Vorgeprägten plätschert "das
Bächlein" zu seicht dahin, den absolut Unbedarften hingegen
könnte das Buch vielleicht überfordern, auch wenn
pointierte Vergleiche und anschauliche Beispiele immer wieder
für eine kurzweilige und niemals langatmige, sondern
erfrischende Reise durch die
Geschichte
der Philosophie sorgen.
Letztendlich jedoch kann das amüsante und joviale, dabei
trotzdem gründliche und auf der Höhe des
Fachdiskurses geschriebene "Wer bin ich und wenn ja, wie viele?"
anregen, Fragen zu stellen. Und diese Fähigkeit sollte man
sich stets bewahren. "Denn
Lernen
und Genießen sind
das Geheimnis eines
erfüllten
Lebens. Lernen ohne Genießen verhärmt, Genießen ohne Lernen
verblödet", meint Richard David Precht.
(Heike Geilen; 07/2009)
Richard
David Precht: "Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise"
Gebundene Ausgabe:
Goldmann Verlag, 2007. 398 Seiten.
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Hörbuch (gekürzte Lesung):
Inszenierung mit Musik. Gesprochen von Caroline Mart, Bodo Primus.
Random House Audio, 2008. 4 Audio-CDs, Laufzeit ca. 280 Minuten.
Hörbuch-CDs
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Richard
David Precht, Philosoph, Publizist und Autor, wurde 1964 in Solingen
geboren. Er promovierte 1994 an der Universität Köln
und arbeitet seitdem für nahezu alle großen
deutschen Zeitungen und Sendeanstalten. Precht war Fellow
bei der "Chicago Tribune". Im Jahr 2000 wurde er mit dem
Publizistikpreis für Biomedizin ausgezeichnet.
Ein weiteres Buch des Autors:
"Die Kunst, kein Egoist zu sein. Warum wir gerne gut
sein wollen und was uns davon abhält"
Ist der Mensch gut oder schlecht? Ist er in der Tiefe seines Herzens ein
Egoist oder hilfsbereit? Und wie kommt es eigentlich, dass sich fast alle
Menschen mehr oder weniger für die "Guten" halten und es trotzdem so
viel Unheil in der Welt gibt? Das Buch stellt keine Forderung auf, wie der
Mensch zu sein hat. Es untersucht - quer zu unseren etablierten Weltbildern -
die Frage, wie wir uns in unserem täglichen Leben tatsächlich verhalten und
warum wir so sind, wie wir sind: Egoisten und Altruisten, selbstsüchtig und
selbstlos, rivalisierend und kooperativ, nachtragend und verzeihend, kurzsichtig
und verantwortungsbewusst. Je besser und unbestechlicher wir unsere wahre Natur
erkennen, desto gezielter können wir unsere Gesellschaft verändern und
verbessern. Ein Buch, das uns dazu bringt, uns selbst mit neuen Augen zu sehen!
(Goldmann)
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Noch ein Buchtipp:
Christian Felber: "Die
Gemeinwohl-Ökonomie. Das Wirtschaftsmodell der Zukunft"
Nie wieder soll jemand sagen können, dass es in Wirtschaft und Politik keine
Alternative zum Kapitalismus und zu den realsozialistischen Irrwegen gebe. Die
"Gemeinwohl-Ökonomie" ist eine profunde Antwort auf die
vielgesichtige Krise der Gegenwart: Finanzblasen, Arbeitslosigkeit, Armut,
Klimawandel, Migration, Globalisierung, Demokratieabbau, Werte- und Sinnverlust.
Felbers "Gemeinwohl-Ökonomie" beruht - wie eine Marktwirtschaft - auf
privaten Unternehmen und individueller Initiative, jedoch streben die Betriebe
nicht in Konkurrenz zueinander nach Finanzgewinn, sondern sie kooperieren mit
dem Ziel des größtmöglichen Gemeinwohls - ein fundamentaler Neuansatz.
(Deuticke)
Buch
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