Rachel Shabi: "Wir sehen aus wie der Feind"
Arabische Juden in Israel
Mit
"Wir sehen aus wie der Feind", ihrem ersten Buch, hat die aus einer
Familie irakischer Juden stammende, in Israel geborene und in England
aufgewachsene Journalistin Rachel Shabi einen Konflikt beschrieben und
in seinen historischen Dimensionen gezeigt, der den Staat Israel und
seine Gesellschaft seit seiner Gründung prägt und
quält.
Die Rede ist vom Verhältnis zwischen den Juden, die aus Europa
stammen, den sogenannten Aschkenasim, und den orientalischen Juden, die
Misrachim genannt werden. Wurzeln die Ersten in der
europäischen Kultur und Tradition, haben die Zweiten ihre
kulturellen Wurzeln in den Gesellschaften der arabischen
Länder des Nahen Ostens.
Israel war bei seiner Gründung im Jahr 1948 eine Gesellschaft,
die sich unbedingt mit Europa identifizieren wollte, obwohl die Juden
gerade dort so viel Verfolgung erlitten hatten. Deshalb galten
Einwanderer, die
Arabisch sprachen und nahöstliche
Bräuche pflegten, als Menschen und Bürger zweiter
Klasse.
Rachel Shabi zeigt in ihrem gut recherchierten und hervorragend
aufgebauten Buch, wie sich diese ethnischen Spannungen von der
Gründung des Staates bis zur Gegenwart entwickelt haben.
Sechzig Jahre nach der Gründung des Staates machen die
Misrachim mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus,
und sie sind gegenüber den Aschkenasim sozial ebenso wie
wirtschaftlich benachteiligt.
Schon andere Autoren aus Israel haben in den vergangenen Jahren darauf
hingewiesen, dass es auch dieser Konflikt und diese Spaltung, die
mitten durch die israelische Gesellschaft geht, seien, die die Zukunft
des Landes erheblich gefährden.
Nach der Lektüre von Rachel Shabis Buch hat man nicht nur
einen Eindruck von der Zerrissenheit der Identitäten dieser
arabischen Juden, die aussehen "wie
der Feind",
bekommen, sondern man versteht, warum dieser innere Zustand der
israelischen Gesellschaft diese mehr gefährdet als alle
"Kassam"-Raketen der Hamas, die antiisraelischen Deklarationen der UN,
oder der Hass der Islamisten auf die Juden.
Das Buch macht nachdenklich, und man sieht den arabischen Teil der
israelischen Gesellschaft mit anderen Augen. Auch diese Menschen sind
Juden, doch wenn es nicht gelingt, sie in den nächsten
Jahrzehnten zu integrieren und ein neues Selbstverständnis
jenseits der aschkenasisch-kulturellen Hegemonie zu entwickeln, dann
ist die ursprüngliche Idee von Israel als dem Zufluchtsort
aller Juden der Welt gestorben, auch ohne islamistische Bedrohung.
(Winfried Stanzick; 12/2009)
Rachel
Shabi: "Wir sehen aus wie der Feind. Arabische Juden in Israel"
Übersetzt von Barbara Schaden.
Berlin Verlag, 2009. 280 Seiten.
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