George Johnson: "Die zehn schönsten Experimente der Welt"
Von Galilei bis Pawlow
"Da
musste etwas
hinter den Dingen sein, das tief verborgen war."
(Albert
Einstein)
Als zwischen 1304 und 1310 Dietrich von Freiberg eine
kugelförmige Glasflasche
mit Wasser füllte und sie gegen die Sonne hielt, leitete er
sozusagen das
experimentelle Zeitalter der westlichen Welt ein. Denn der
Dominikanermönch
wollte das Geheimnis des Regenbogens ergründen.
Ganz andere Dimensionen, ja industrielle Maßstäbe,
nimmt die
naturwissenschaftliche Forschung im 21. Jahrhundert an. Der
mittlerweile
reparierte Teilchenbeschleuniger am
CERN
in Genf (Reparaturkosten rund 26,7
Millionen Euro) soll Mitte November 2009 wieder hochgefahren werden, um
das
"größte Experiment der Wissenschaftsgeschichte" -
den nachgestellten
Urknall
en
miniature - durchzuführen.
All die "modernen" Experimente, sei es nun die Entschlüsselung
des
Genoms,
der Nachweis für die Existenz des Top-Quarks, die
Entdeckung eins neuen
Planenten durch Analyse des Flackerns eines weit entfernten Sterns,
kosten
Millionen von Euro. "Sie generieren Terabytes von Daten, die
von
Superrechnern analysiert werden müssen", schreibt
George Johnson in
seinem Buch. Und weiter: "Diese Rechenfabriken werfen so viel
Hitze ab,
dass sie mit Kühlvorrichtungen vom Energieaufkommen einer
Kleinstadt
ausgestattet sind. Die Versuche werden von Forscherteams
durchgeführt, die so
groß sind wie ganze Firmenbelegschaften."
Wie einfach und trotzdem spektakulär, meist mit einem einzigen
Paar Hände und
von einem einzelnen Verstand, gingen hingegen noch bis vor Kurzem die
bahnbrechendsten Forschungsergebnisse aus. "Die
großen Versuche, die an
die Grenzen unseres Verständnisses gehen, wurden in der Regel
von einem oder
zwei Forschern durchgeführt, und zwar meistens auf einem
Tisch. Wenn
Berechnungen überhaupt notwendig waren, wurden sie auf einem
Blatt Papier oder
später mit einem Rechenschieber durchgeführt",
weiß der 1957
geborene us-amerikanische
Wissenschaftsjournalist, der bereits zahlreiche Preise für
seine Artikel und Bücher
erhalten hat, zu berichten. Die geradlinige Eleganz, die all diese
Versuche
auszeichnete und denen Johnson die Bezeichnung schön verleiht,
sowie ihre
Bodenständigkeit haben ihn zu seinem Buch inspiriert.
"Was ich (...) suchte, waren diese
seltenen
Momente, in denen
ein
gewitzter Geist mit dem Material, das er zur Hand hat, sich eine
bestimmte Frage
an die Welt ausdenkt und nicht lockerlässt, bis sie ihm die
Antwort liefert."
Der Autor hat daher seine zehn Experimente nach der Schönheit
des
Versuchsaufbaus und der Durchführung und der Klarheit der
Gedankenführung
ausgewählt. So trifft der Leser auf Galilei, der die
Beschleunigung eines Körpers
im freien Fall (oder auf der schiefen Ebene) misst, auf William Harvey
bei der
"Entschlüsselung" der Funktionsweise des Herzens oder aber
Isaak
Newton, der die Farbkomponenten im Licht ermitteln will. Man ist bei
Antoine-Laurent Lavoisier zu Gast, der als Erster erkennt, woraus Luft
besteht,
trifft auf die präparierten Frösche, mit denen
Galvani die Kräfte der
Elektrizität bei der Muskelbewegung studierte, ebenso wie auf
die berühmten
Hunde Pawlows.
Johnson geht dabei chronologisch vor. Die Lebensläufe der
vorgestellten
Forscher werden nur angerissen, "in einer Art kolorierter
Kohlezeichnung" skizziert. In seinem Buch steht der Versuch
im
Mittelpunkt und nicht der Forscher. 65 zum Teil historische Abbildungen
sowie
ein äußerst opulentes Glossar und eine Bibliografie
ergänzen das geschriebene
Wort anschaulich und lassen ein interessantes, lehrreiches, manchmal
zum
Schmunzeln anregendes kleines Buch entstehen, das durchaus den Gewinn
tieferer
Einsicht in die Geheimnisse der Natur zur Folge hat.
(Heike Geilen; 09/2009)
George
Johnson: "Die zehn schönsten Experimente der Welt. Von Galilei
bis Pawlow"
(Originaltitel "The Ten Most Beautiful Experiments")
Übersetzt von Elsbeth Ranke.
C.H. Beck, 2009. 208 Seiten mit etwa 65 Abbildungen.
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