Hartmut Zinser: "Esoterik"
Eine Einführung
In
der 36-seitigen Einleitung nimmt der Autor sich viel Zeit und Raum, um
den Rahmen für das Thema überhaupt erst einmal
festzulegen. Er geht auf die Geschichte von Esoterik und Okkultismus
ein und legt im Rahmen von Definitionsvorschlägen für
das vorliegende Buch fest, Esoterik und Okkultismus als Einheit zu
behandeln, da sie in Kernpunkten übereinstimmen, so
beispielsweise dadurch, dass sie durch einen losen Verbund von
Individuen mit entsprechend jeweils ganz eigenen Vorstellungen und
Interpretationen geprägt sind, und dass bei beiden zwischen
Wahrnehmung und Deutung nicht hinreichend oder gar nicht unterschieden
wird.
Nach dieser umfassenden Festlegung von Grundlagen geht Zinser auf
einzelne Vorstellungen und Praktiken ein, die bei Kartenlegen, Pendeln
und Gläserrücken beginnen und über
zahlreiche weitere Aspekte bis hin zu Geistheilern,
Reiki,
Familienaufstellungen
und Edelsteintherapien
reichen.
Im dritten Kapitel werden okkulte Theorien und Lehren vorgestellt, etwa
Spiritismus, Animismus und physikalische Anomalien, jedoch auch
unbewusste Psychologie und überpersönliches
Weltbewusstsein.
Weitere Kapitel sind der Verbreitung von Esoterik und Okkultismus,
einem Magie-Exkurs
und der möglichen, wünschenswerten, abzulehnenden
oder anderen Klassifizierung der Esoterik als
Religion,
Denkform oder Aberglaube gewidmet.
Bei der Lektüre des Buches ist man hin und her gerissen.
Einerseits hat der Autor sich viel Mühe gegeben, objektiv und
auch (religions-)wissenschaftlich an das Thema heranzugehen. So lesen
sich diese zunächst überwiegenden Passagen zwar recht
leicht, sind aber dennoch voller Information und durchaus lehrreich.
Im weiteren Verlauf werden die Darstellungen jedoch immer wieder durch
Subjektivität unterbrochen. Das ist grundsätzlich in
Ordnung, allerdings weiß nicht jeder Leser, dass Zinsers
persönliche Meinung zum Thema grundsätzlich eine
negative ist und er unter Anderem auch Co-Autor des von der
Landesjugendbehörde Hamburg herausgegebenen
Aufklärungsblättchens "Brennpunkt Esoterik:
Okkultismus -
Satanismus
- Rechtsradikalismus" ist, zum Nächsten werden die subjektiv
gefärbten Informationen nicht klar von den objektiven
abgegrenzt, und zu guter Letzt entsteht dadurch manches Mal auch ein
falscher Eindruck.
So werden manche Aspekte der Esoterik nicht korrekt beschrieben, und
wissenschaftliche Überprüfungen positiver Art werden
gar nicht erst erwähnt; etwa fallen Zukunftsdeutungen durch
das Kartenlegen, spiritistische Sitzungen und Aromatherapie bei Zinser
in denselben Topf.
Zu "Esoterik - Eine Einführung" kann man
abschließend nur
sagen, dass es sich um ein Buch handelt, das beinahe schon
außergewöhnlich stark anfängt, im Verlauf
aber auch
deutlich nachlässt. Der anfangs so wissenschaftlich korrekt
beginnende Stil verläuft nahtlos hin zu subjektiven
Behauptungen,
ohne den Leser auf entsprechende Wissens- oder Recherchelücken
hinzuweisen.
Dadurch entsteht ein ungenaues und verfälschtes Bild so
manches
Aspekts - genau das also, was der Autor der Esoterik
grundsätzlich
vorwirft.
(Tanja Thome; 12/2009)
Hartmut
Zinser: "Esoterik. Eine Einführung"
Wilhelm Fink Verlag, 2009. 140 Seiten.
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Prof.
Dr. Hartmut Zinser ist seit
2002 Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie
und
Urgeschichte.
Zwei weitere Buchtipps:
Helmut Zander:
"Rudolf Steiner. Die
Biografie"
Zum
150. Geburtstag Rudolf Steiners: die lang erwartete Biografie!
Ob "Weleda"-Kosmetik, Mistelpräparate oder Eurythmie: Das
Denken und
die Ideen Rudolf Steiners sind heute so aktuell wie zu dessen
Lebzeiten. Helmut
Zander schreibt die große Biografie des Vaters der
Anthroposophie.
Man kann Schüler auf der Waldorfschule sein, ohne an
Reinkarnation zu glauben.
Man kann Demeter-Erdbeeren aus biodynamischer Landwirtschaft
schmackhaft finden,
ohne auf der Zunge kosmische Kräfte zu spüren. Man
kann die vielen
Praxisfelder der Anthroposophie nutzen, aber man wird ihren Herzschlag
nicht
verstehen, wenn man nicht ihren Vater und Ideengeber kennt: Rudolf
Steiner
(1861-1925), das Kind aus einem Krähwinkel des
Habsburgerreiches,
der einer der großen Esoteriker
des 20. Jahrhunderts wurde.
Helmut Zander schreibt die kritische Biografie des kantigen
Querdenkers, der
seiner unangepassten Grundsätze wegen bis heute
Gläubige fasziniert und Gegner
provoziert.
Helmut Zander, geboren 1957 in Oberaußem im Rheinland, ist
Privatdozent für
Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und
Fellow am Käte
Hamburger Kolleg "Dynamiken der Religionsgeschichte" an der
Ruhr-Universität Bochum. Er gilt seit seiner
zweibändigen Studie über die
"Anthroposophie in Deutschland" als der Experte zum Thema.
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James Webb: "Die Flucht vor der Vernunft. Politik, Kultur und
Okkultismus
im 19. Jahrhundert"
Mit der "Flucht vor der Vernunft" komplettiert der marixverlag die
vielbeachtete Studie zum Phänomen des Okkultismus im
aufgeklärten Europa des
genialen schottischen Historikers und Kulturwissenschaftlers James
Charles
Napier Webb in einer deutschen Erstübersetzung. In seinem Band
"Das
Zeitalter des Irrationalen" hatte sich Webb den irrationalistischen
Strömungen
des 20. Jahrhunderts zugewandt, und sie in einem weitausholenden Wurf
ideen- und
kulturgeschichtlich analysiert. Hier nun steht
das
19. Jahrhundert unter
gleichen Fragestellungen im Mittelpunkt. Schier unglaublich ist es bei
alledem,
dass das vorliegende Buch von einem jungen Gelehrten geschrieben wurde,
bevor er
25 Jahre alt war. Die Stärke Webbs sind gerade die Breite und
Weite seines
Blicks, seines Fragehorizonts, also Aspekte, die man bei ausgereiften
Arbeiten
erwartet. Zahlreiche kulturelle und soziale Zusammenhänge
zur
Geschichte des
Okkulten sind vor Webb noch niemals so klar
ausgedrückt worden. Webbs frühe
Meisterschaft wird u.a. in seinen kurzen
Persönlichkeitsskizzen deutlich:
Treffsicher fängt er Stärken und Schwächen,
Allzumenschliches und vor allem
die sozialen Netzwerke ein, in denen die Personen seiner Darstellung
existiert
haben, von Andrew Jackson Davis bis zu Adam Mickiewicz. Die
Bücher von James
Webb hatten - was sich gerade heute im Rückblick sagen
lässt - eine
wegweisende Funktion für die Integration der Erforschung des
Okkulten und
Esoterischen in den Raum der Kulturwissenschaften. (marixverlag)
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