Andreas Eschbach: "Ein König für Deutschland"


Es ist das Jahr 2000, und nach Verbüßung einer kurzen aber beeindruckenden Haftstrafe wegen Beteiligung an einem Kreditkartennummerndiebstahl hat sich Vincent Wayne Merrit in einen anderen US-Bundesstaat begeben, um dort mit seinen Fähigkeiten als Programmierer eine Anstellung zu bekommen - und zwar im Unternehmen einer Exil-Kubanerin, die sich gerne Ex-Sträflinge ins Haus holt, da sie diese aufgrund von Informationen über ihre Vergangenheit leichter kontrollieren kann.
Diese Frau bringt eines Tages einen Kongressabgeordneten mit in die Firma, der jemanden sucht, der ein Programm schreiben soll, das man in einen Wahlcomputer einschleusen kann, um dessen Ergebnisse zu fälschen - und so die Unsicherheit dieser Maschinen nachzuweisen. Ein wenig verunsichert bezüglich der Motivation seiner Chefin und dieses Kunden macht sich Vincent, der keiner programmiertechnischen Herausforderung widerstehen kann, ans Werk und muss wenig später entsetzt mitverfolgen, wie in Florida G.W. Bush entgegen aller Wahrscheinlichkeiten zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Doch da er sich nicht sicher sein kann, dass sein Programm wirklich dafür verantwortlich ist, und weil eine neuerliche Verurteilung wegen eines Computerverbrechens ihn auf Jahrzehnte hinter Gitter bringen würde, schweigt Vincent, obwohl er den Umständen beständig nachrecherchiert.

Einige Zeit später bringt seine Chefin einen neuen Liebhaber an, der sich als ein ziemlich undurchsichtiger Charakter erweist und Vincent dazu bringen möchte, bei der nächsten Wahl aus dem genannten Programm einen geldwerten Vorteil zu schlagen; das heißt, die Präsidentschaft meistbietend zu versteigern. Nur mit Mühe kann sich Vincent diese Person vom Hals schaffen, aber sie kommt zurück. Diesmal hat sie einen Angriff auf das bundesdeutsche Wahlsystem geplant und ist sehr erfolgreich darin, Vincent dazu zu zwingen, das gewünschte Programm zu schreiben. Doch kurz vor dessen Einsatz gelingt Vincent die Flucht, und er schickt eine Kopie des Programms an seinen unehelichen Vater, den Geschichts- und Politiklehrer Simon König. Bevor der allerdings überhaupt weiß, worum es geht, wird er überfallen, die CD mit dem Programm verschwindet, und die Bundestagswahl 2009 scheint zur Disposition zu stehen. Zusammen mit einigen Anderen sieht Simon nur eine Möglichkeit, dagegen anzugehen: Sie gründen eine Volksbewegung zur Wiedereinführung der Monarchie, und Simon König wird zu ihrer Galionsfigur.

Auch wenn der Verdacht nahe liegen könnte, so ist Simon König ganz eindeutig nicht Horst Schlämmer (von Hape Kerkeling dargestellte Hauptfigur der Filmkomödie "Isch kandidiere!", Deutschland 2009; Anm. d. Red.). Obwohl dem Rezensenten beim Lesen der Refrain von "Das ganze Leben ist ein Quiz" immer wieder durch den Kopf gegangen ist. Innerhalb der vorliegenden Erzählung breitet sich Andreas Eschbach sehr kenntnisreich - und mit vielen Fußnoten belegt - über die Gefahren des Wählens mit einem Wahlcomputer, über die us-amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2000 und 2004 und deren seltsame Verläufe, Rollenspiele und Wahlsysteme wie auch ein paar andere interessante Themen aus. Auch die Art, wie Wahlkampf geführt wird, wird sehr deutlich dargestellt, und die verschiedenen Interessengruppen sind anschaulich abgebildet. Wenngleich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland zurzeit verboten hat, ist dieses Buch trotzdem eine wichtige Aufklärung darüber, welchen Stellenwert Computer überhaupt heutzutage für viele Leute und die gesamte Gesellschaft haben und was ihr Einsatz in anderen Ländern der Welt bedeutet.

Gegen Ende von "Ein König für Deutschland" treten die fortlaufenden Charakterisierungen der Protagonisten hinter den beschriebenen Ereignissen ein wenig zurück, was schade ist, aber nichtsdestotrotz fesselt die Geschichte bis zum Schluss und lässt zusammen mit einem kurzen Nachwort des Autors den Leser ziemlich nachdenklich zurück.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 09/2009)


Andreas Eschbach: "Ein König für Deutschland"
Gustav Lübbe, 2009. 491 Seiten.
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Hörbuch:
Sprecher: Ulrich Noethen.
Lübbe Audio, 2009.
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