Andreas Eschbach: "Ein König für Deutschland"
"Je
intelligenter die
Leute sind, desto leichter sind sie zu täuschen. Je
gebildeter, je mehr Titel,
je angesehener, desto eher fallen sie auf Illusionen herein. Und wissen
Sie,
warum? Weil sie nicht erwarten, getäuscht zu werden. Weil sie
von sich glauben,
sie seien zu
klug, um auf Täuschungen hereinzufallen."
(Magier
Benito Zantini in "Ein König für Deutschland")
Vorbemerkung: Wie sicher sind Wahlcomputer?
Wahlcomputer sind rechnergesteuerte Systeme, die für die
Zählung und
Auswertung von Wählerstimmen genutzt werden. Der Einsatz
dieser Geräte
bewirkt, dass wesentliche Schritte des Wahlablaufs in das Innere eines
Rechners
verlegt werden und damit der öffentlichen Kontrolle entzogen
sind. In
Deutschland wurden in den letzten zehn Jahren in zahlreichen
Wahllokalen
Wahlcomputer verwendet. Verstößt der Gebrauch von
Wahlcomputern gegen das
Demokratieprinzip (Art. 20 GG)? Können Wahlergebnisse
manipuliert werden?
Der "Chaos Computer Club" hat in Zusammenarbeit mit der
niederländischen
Stiftung "Wij vertrouwen stemcomputers niet" in einem Bericht vom
30.05.2007 Manipulationsmöglichkeiten von Wahlcomputern
dokumentiert und warnt
vor deren Betrieb. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom
03.05.2009
die Verwendung der momentan verfügbaren Geräte
verboten, aber die Tür für
"bessere" Geräte sperrangelweit offen gelassen.
Wahlcomputer werden im heutigen Zeitalter des digitalen Wahns nahezu
ausschließlich
von IT-Experten kritisiert. Autor Andreas Eschbach ist, wie viele
IT-Fachleute,
der Meinung, dass der Einsatz von Wahlcomputern grundsätzlich
verboten und
weiterhin mit Stimmzetteln gearbeitet werden sollte. Der Roman "Ein
König
für Deutschland" erklärt warum.
Zum Inhalt des Romans
Der US-Amerikaner Vincent Wayne Merrit, geboren 1977, hat zwar nicht
Informatik
studiert, ist aber ein genialer Programmierer. Nach einer
einwöchigen
Haftstrafe wegen Computerkriminalität findet er nach
längerer Suche einen
neuen Arbeitsplatz. Im Jahr 2000 beauftragt ihn ein hochrangiger
Politiker, ein
Programm zu schreiben, mit dem die Auswertungen von Wahlcomputern
manipuliert
werden können. Es handle sich nur um einen Prototyp
für Studienzwecke, heißt
es. Ende 2000 stehen die Präsidentenwahlen in den USA an.
Wurden die Wahlen mit
Merrits Programm manipuliert, um
George
W. Bush an die Macht zu bringen?
Acht Jahre später wird Merrit von dem Magier Benito Zantini
erpresst, noch
einmal ein solches Programm zu schreiben. Das Programm soll in
Deutschland, zunächst
bei der Landtagswahl in Hessen, getestet werden, bevor es bei der
Bundestagswahl
zum Einsatz kommen soll. Merrit belauscht zufällig ein
Gespräch seiner
Bewacher und bekommt es mit der Angst zu tun. Er schickt das Programm
einschließlich
Beschreibung nach Deutschland zu seinem Vater Simon König.
Simon König versteht erst, als er mit ein paar jungen
Computernarren und
Wahlcomputergegnern zusammenkommt, was das Programm bewirken kann.
Gemeinsam
entwickeln sie den Plan, eine Partei zu gründen, damit die
Wahlen zu gewinnen
und auf diese Weise die Gefährlichkeit von Wahlautomaten zu
entlarven. Sie gründen
eine Partei zur Wiedereinführung der Monarchie. Es kommt, wie
es kommen muss:
Simon König gewinnt die Wahl. Wird Deutschland daraufhin ein
Königreich?
Bewertung des Romans
Bei diesem Roman handelt es sich um einen spannenden Politthriller.
Andreas Eschbach ist es nach "Der
Nobelpreis" und "Ausgebrannt"
wieder einmal gelungen, ein brisantes Thema ideenreich aufzuarbeiten.
Wer anfängt,
den Roman zu lesen, legt das Buch erst wieder weg, wenn die letzte
Seite
erreicht ist. Dies gilt, obwohl Eschbach im Klappentext sehr viel vom
Inhalt
verrät. Warum er das tut, ist mir ein Rätsel.
Allerdings werden die Leser
durch das "Wie" der Beschreibungen entlohnt.
Eschbachs informationstechnische Erklärungen sind
präzise und überzeugen. Man
merkt, dass er Erfahrungen als Programmierer hat. Der Roman ist gut
recherchiert, was durch zahlreiche Fußnoten belegt wird. Auf
Basis des
aktuellen technischen Wissensstandes und begründeter Zweifel
an den
Wahlergebnissen der US-Präsidentenwahlen 2000 konstruiert er
eine mögliche
Wirklichkeit.
Besonders hat mich beeindruckt, wie der biedere Gymnasiallehrer Simon
König in
die neue Rolle hinein gewachsen ist. Seine Fähigkeit, sich
spontan auf neue
Situationen einzustellen und aus dem Stehgreif provokative aber wohl
begründete
Reden zu halten, macht ihn zu einem bemerkenswerten Menschen. Selbst
seine Frau
Helene, von der er seit 20 Jahren getrennt lebt, kann sich seinem
Charme nicht
entziehen. Autor Eschbach beschreibt überzeugend, wie extreme
Situationen
bewirken können, dass Menschen sich selbst befreien.
Auch die anderen Protagonisten sind schillernde Figuren. Sie fallen
sowohl
charakterlich als auch äußerlich aus dem Rahmen.
Dies gilt für Benito Zantini,
den exzellenten Magier,
und auch für seine Mitarbeiter Furry
und Pictures, die
einem Zirkus entsprungen sein könnten. Alex und seine
Computerfreunde sind
echte Freaks. Die Teilnehmer seiner Computerspiele
bewegen sich auf einer
Gratwanderung zwischen virtueller und realer Welt mit
fließenden Übergängen.
So wundert es nicht, dass sie gar nicht bemerken, zwischenzeitlich
echte
Bundestagsabgeordnete geworden zu sein. Sie spielen auf einer neuen
Ebene
einfach weiter.
Während Eschbach ausführlich beschreibt, wie Simon
Königs Umfeld auf seinen
seltsamen Wandel reagiert, werden entsprechende Reaktionen aus Helenes
Umgebung
zu ihrer neuen Rolle weitgehend ausgeblendet. Eigentlich schade. Hier
hätten
weitere Pointen gesetzt werden können. Verständnis
habe ich dafür, dass nicht
alle Folgen der Bundestagswahl in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher,
nationaler und internationaler Hinsicht beleuchtet werden konnten. Dies
könnte
Thema eines eigenständigen Romans sein. Das Groteske der
Situation wurde auch
so mehr als deutlich.
Andreas Eschbach ist ein begnadeter Schreiber, der aus den Zutaten
Politik,
moderne Technik und Krimi einen facettenreichen Thriller
mit aktuellem
Bezug kreiert hat. Er besticht durch Ideenreichtum und Konsequenz im
Denken. Zum
Schluss stellt sich daher nur noch eine Frage: Wann wird "Ein
König für
Deutschland" verfilmt?
(Klemens Taplan; 09/2009)
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Eschbach: "Ein König für
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