Ulrike Gropp: "Deutsche Erfinder"
Eine
akustische Entdeckungsreise in die
Erfindernation Deutschland
(Hörbuchrezension)
Das
Pferd frisst keinen
Gurkensalat
Goethe,
Schiller,
Kant,
Schopenhauer,
Beethoven
oder Wagner
-
Namen, die den Deutschen nicht zu Unrecht den Titel der Denker, Dichter
und der
Musik einbrachten. Aber nicht nur in Kunst und Philosophie zeichnete
sich das
Volk aus, sondern gleichwohl in seinem Erfindergeist. Deutschland ist
seit
mindestens 200 Jahren ebenfalls eine Nation der Tüftler und
Bastler. Und immer
noch tut sich etwas zwischen Forschungslabor und Hobbykeller. Die Zahl
der
Patente steigt gerade wieder an, auch wenn von A wie Airbag
bis Z wie
Zahnpasta so ziemlich das ganze Alfabet an deutschen Erfindungen
bereits belegt
ist.
Anrufbeantworter, Aspirin und Auto, Blue Jeans, Computer,
Dieselmotor, Dübel und Glühbirne, Kaffeefilter, MP3-Player
und
Mundharmonika, Teebeutel, Telefon oder Werkzeugmaschinen ...
unglaublich vielfältig
ist die Palette an Erfindungen, denen der Stempel "In Deutschland
hergestellt" aufgedrückt werden kann. "Allein die
Geschichte
dieser 'Marke' ist einen Roman wert", weiß
Hannelore Holger alias Pia
Blumenbach (angelehnt an den Zoologen und Anthropologen Johann
Friedrich
Blumenbach) im Hörbuch aus dem Silberfuchsverlag zu berichten.
Und weiter: "Wie
die Engländer 1887 versuchten, mit dem Aufdruck 'Made in
Germany' vor
minderwertigen Billigprodukten aus Deutschland, dem Aufsteiger unter
den
Exportnationen, zu warnen. Wie deutsche Unternehmen es dann schafften,
den Spieß
umzudrehen. Die Kennzeichnung 'Made in Germany' galt fortan als
Qualitätslabel:
eine Mischung aus alter handwerklicher Wertarbeit und moderner
Industrieproduktion für den Weltmarkt. Zuverlässig,
dauerhaft, leistungsstark
war nun das 'typisch Deutsche'. Ein großer Coup der
Markenstrategen! Die Engländer
verfluchten bald die allgegenwärtige Marke, die sie selbst
erfanden."
In einem fiktiven Gespräch eben erwähnter Pia
Blumenbach, einer
Wissenschaftsjournalistin, mit ihrem Kollegen Max Forster (dessen Name
in
Anlehnung an den großen Naturforscher
Georg
Forster entstand und von Dietmar Mues intoniert wird),
hangelt sich das Hörbuch
an deutschem Erfindungsreichtum entlang. "Made in Germany"
soll
das Buch des Autors heißen, das er gedenkt zu schreiben. Und
bei der Entstehung
und Ideenfindung zu diesem spannenden Werk nehmen die beiden
Journalisten sowie
ein neutraler Sprecher - intoniert von Holger Löwenberg - den
Hörer mit.
Entstanden ist ein etwas anderes Hörbuch, als man es bis dato
aus dem Hause
"Silberfuchs" und seiner musikalischen
Länderreihe
kannte. Die melodische Unterrahmung des gesprochenen Wortes ist
allerdings
vertraut. Gerade mit dem Beginn gelingt ein würdiger Auftakt:
Auszüge aus
Beethovens kraftvollem "Geschöpfe des Prometheus" op. 43.
bilden eine
assoziative Dublette. Denn in dieser Ballettmusik
verschlüsselte der große
Komponist allegorisch Schillers Gedankengang zur "Ästhetischen
Erziehung
des Menschen" (1795), in dem eine Schulbildung in Wissenschaft und
Künsten
für die gesamte Bevölkerung die Voraussetzung
für die Schaffung einer
besseren Gesellschaft zur Folge hat.
Neu hingegen ist die nicht chronologische Aufarbeitung des Themas.
Ulrike Gropp,
die Autorin des Hörbuchs, lässt die beiden
Wissenschaftsjournalisten
Blumenbach und Forster in eher spielerischer Art und Weise an ihren
Gedanken
entlang hangeln. Sie offerieren menschliche Neugier in Gestalt
kindlicher
Entdeckerlust, vielleicht die wichtigste Quelle des Erfindergeistes.
Denn "in
jedem Erfinder - auch wenn er längst erwachsen ist - wirkt die
Erfahrung der
Kindheit weiter", sinniert Pia Blumenbach in einem
Selbstgespräch. Max
Forster wiederum wird in seinem Buch vermerken: "Erfindergeist
ist
Kindlichkeit im Verbund mit naturwissenschaftlicher Aufmerksamkeit."
Gutenberg, Kepler, Humboldt,
die ersten deutschen Werkzeugmanufakturen in Chemnitz - dem
"sächsischen
Manchester" -, Heinrich Goebel und seine Glühbirne, Diesel,
Benz und
Daimler, Wilhelm Röntgen oder Robert Koch sind nur einige der
erwähnten
Wissenschaftler und Erfinder. Und nicht zuletzt der Lehrer für
Mathematik und
Physik, Philipp Reis, der im Jahr 1861 den Satz aus der
Rezensionsüberschrift -
"Das Pferd frisst keinen Gurkensalat" - durch den
ersten
Fernsprecher schickte. "Er wurde in 100 Metern Entfernung
problemlos
verstanden. An einen Satz wie 'Können Sie mich
hören?' würde sich heute
niemand mehr erinnern."
Letztendlich kommen die beiden Hörbuch-Protagonisten dann doch
in der Gegenwart
an bzw. erlauben sich gar einen Blick auf zukunftsträchtige
Innovationen: "Was
würde uns noch erwarten?", fragen sie sich. "Irgendwann
in gar
nicht allzu ferner Zukunft könnten unsere Kleider ganz anders
aussehen:
Anzug-Revers aus elastisch-glänzendem Textilgewebe, elegante
breitrandige
Damenhüte aus photovoltaischem Material würden aus
ihren Trägerinnen kleine
wandelnde Sonnenkraftwerke machen. Steckdosen, Akkus und Batterien
existierten
nur noch in der Erinnerung."
Nach so vielen Höhenflügen endet das wunderbar
frische, hochwertige Hörbuch,
das sich neben ausgezeichneten Sprechern auch mit einem
äußerst opulenten Begleitheft
(geschichtlicher Abriss der deutschen Erfindungen sowie Abbildungen und
Zitate
ausgewählter "Erfinder") auszeichnet, noch einmal unterlegt
mit
Beethovens Tönen aus seinem "Prometheus". Zitiert werden
abschließend
die eher bescheidenen und zum Schmunzeln anregenden Worte
Erich
Kästners aus seinem Gedicht "Die Entwicklung der
Menschheit"
(Auszug):
Einst haben die Kerls auf den
Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem
Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.
(...)
Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.
(...)
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.
Fazit:
Den Worten des deutschen Biophysikers Prof. Wolfgang M. Heckl
(Generaldirektor
des Deutschen Museums München), dessen Vorwort im Begleitheft
abgedruckt ist, möchte
ich mich uneingeschränkt anschließen: "Möge
das neue Hörbuch viel
Gehör, vor allem bei unseren jungen Leuten, finden, und sie
auch dazu
animieren, das Gehörte bei dem einen oder andere Besuch im
Deutschen Museum am
Original der
Erfindung
zu vertiefen."
(Heike Geilen; 10/2009)
Ulrike
Gropp: "Deutsche Erfinder. Eine
akustische Entdeckungsreise in die Erfindernation Deutschland"
Sprecher: Hannelore Holger, Dietmar Mues, Holger Löwenberg.
Silberfuchs-Verlag, 2009. 1 CD; Spieldauer ca. 75 Minuten.
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