Åke Edwardson: "Toter Mann"
Auch
Krimihelden werden nicht vom Zahn der Zeit
verschont
In einer der besten Krimireihen der vergangenen beiden Jahrzehnte, den
"Erik Winter"-Büchern von Åke Edwardson aus
Schweden, ist eine flächendeckende
Lebenskrise bei allen der aus den letzten acht Bänden
bekannten Hauptpersonen eingetreten. Sicher, die Probleme nicht nur von
Erik Winter mit seiner Ehe und seinem Beruf, sondern auch die
schwierige Lebenssituation und fragile seelische Verfassung der anderen
Protagonisten der Reihe hat sich in den beiden vorherigen
Büchern schon angedeutet.
Doch nun, im neunten Band der Reihe mit dem Titel "Toter Mann", kommt
sie mit einer Wucht daher, dass man nach den ersten hundert Seiten
versucht ist das Buch frustriert aus der Hand zu legen, angesteckt von
der niederdrückenden
Depression, dem schleichenden
Alkoholismus und der zunehmenden Unfähigkeit zu wirklichen
Beziehungen, unter der nicht nur Winter, sondern auch die Anderen
leiden.
Wäre da nicht ein spannender Fall, der Winter auf der Suche
nach dem ungelösten Fall eines verschwundenen
Mädchens vor den Schären im Jahr 1975 mit seinem
eigenen Leben konfrontiert. Und die sich im Verlauf der weiteren
Lektüre eines mit viel psychologischem Feingefühl
geschriebenen Buches einstellende Einsicht, dass das von Edwardson
Beschriebene ein Zustand von Beziehungen und ein Mangel an
Lebensperspektiven ist, unter dem auch Polizisten in der
Realität leiden und zugrunde gehen.
Wieder einmal geht es bei Edwardson um die lange nachhaltige Wirkung
von Schuld. Darum, wie etwas, das in der Vergangenheit geschehen ist
und nur mühsam an die Oberfläche der Erinnerung und
Erkenntnis gelangt, das Leben von Menschen in der Gegenwart, eben auch
das der Polizisten, berührt, beeinflusst und
beeinträchtigt, das sie an den Rand ihrer
körperlichen und seelischen Kraft bringt. Und in
Einzelfällen auch um ihr Leben ...
Åke Edwardson hat in meisterhaft geschriebenen, manchmal
quälend zu lesenden Dialogen die Unfähigkeit
beschrieben, wirklich miteinander zu kommunizieren. Und weil diese
Kommunikation nicht mehr gelingt, bleibt der Fall beinahe
ungelöst und gehen die Beziehungen und Familien von Winter,
Halders und Bergenhem fast in die Brüche. Das Leben der
Protagonisten verliert zunehmend an Sinn, Tiefe und Qualität.
Ausdruck eines pessimistischen Autors oder Beschreibung erlebter
Realität?
Wenn auch Edwardson so wie etwa
Arne
Dahl den beiden großen schwedischen Krimivorbildern
nacheifert, wird der zehnte Band der letzte sein. Der Rezensent wird
ihn lesen, doch nach der letzten Endes spannenden und lohnenden
Lektüre des neunten hat man in Bezug auf das Leben der
Serienhelden wenig Hoffnung.
(Winfried Stanzick; 12/2009)
Åke
Edwardson: "Toter Mann"
(Originaltitel "Nästan död man")
Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch.
Ullstein, 2009. 540 Seiten.
Buch
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