Kjell Ola Dahl: "Blutfeinde"
Fesselnder
Krimi mit vielen überraschenden Wendungen
Als der Polizist Ivar Killi offensichtlich im Rahmen einer
Kneipenschlägerei erschossen wird, gerät Kommissar
Gunnarstranda, der die Aufklärung des Falles leiten soll, in
Schwierigkeiten. Denn Gunnarstranda hat wenige Wochen zuvor
dafür gesorgt, dass Killi aufgrund massiven Fehlverhaltens im
Dienst suspendiert wurde. Nun wenden sich die Kollegen gegen den
Kommissar: Beweismaterial verschwindet vom Tatort und sogar aus
Gunnarstrandas Schreibtischschublade.
Sein Vorgesetzter ist nur allzu willig, den Vorwürfen der
Anderen gegenüber dem unbequemen Gunnarstranda zu glauben, und
zieht ihn von dem Fall ab. Gunnarstranda wird seinem früheren
Mitarbeiter Frølich unterstellt, der überhaupt
nicht davon begeistert ist, hat er sich doch nur durch einen
Abteilungswechsel von seinem eigenwilligen früheren Chef
distanzieren können.
Frølich ermittelt im Fall eines Anwalts, der spurlos
verschwunden ist, und versucht, sich nicht von Gunnarstranda ausbooten
zu lassen. Dieser aber kann die Finger nicht von dem Mordfall lassen,
obwohl er für den Vermisstenfall ein persönliches
Interesse entwickelt hat, war doch der Anwalt offensichtlich ein
früherer Schulkamerad.
Gunnarstranda, den Kollegen in beiden Fällen dank seiner
Intuition und seines Vermögens zu logischem Denken meistens
einen Schritt voraus, entdeckt, dass es eine Verbindung zwischen dem
Polizistenmord und dem Verschwinden des Anwalts gibt.
Einen weiteren
Mord im Zusammenhang mit dem ersten kann er nicht verhindern,
aber allmählich gelingt es ihm, die vielen losen
Fäden in diesem Fall zu verknüpfen, auch wenn eine
rätselhafte schöne Frau, bei der all diese
Fäden zusammenzulaufen scheinen, immer wieder neue
Überraschungen bereithält.
Kjell Ola Dahl ist mit "Blutfeinde" ein meisterlicher Kriminalroman
gelungen. Nicht nur die spannende, vielschichtige Handlung fesselt den
Leser von der ersten bis zur letzten Seite, sondern auch die komplexen
sozialen Interaktionen innerhalb der ermittelnden Polizeiabteilungen
sowie zwischen Polizisten und einigen Zeugen; der Autor versteht es,
ein schwieriges Beziehungsgeflecht authentisch und nachvollziehbar
darzustellen.
Dieser Krimi bezieht einen erheblichen Teil seines Reizes aus den
Spannungen zwischen Gunnarstranda, dem kauzigen, aber genialen
Kommissar, der seine Ideale auch dann nicht verrät, wenn er
die übliche Loyalität innerhalb der Abteilung aufs
Spiel setzen muss, wie im Falle des Disziplinarverfahrens gegen Killi
geschehen. Die subtilen und offenen
Mobbingaktivitäten
werden glaubwürdig geschildert, und plötzlich zeigt
sich, dass mancher Kollege nicht nur mitgemobbt hat,
um Killis Suspendierung zu rächen, sondern, um seine eigene
Haut zu retten.
Zudem weiß der Autor Stimmungen und Atmosphärisches
gekonnt einzusetzen, um Spannung zu erzeugen; auch ein Schuss Erotik
würzt den Roman. Während sich Puzzleteilchen zu
Puzzleteilchen fügt, kann der Leser immer wieder seine eigenen
Schlüsse ziehen. Der Autor arbeitet allerdings weniger mit
"roten Heringen", also Sackgassen, als mit immer neuen Indizien und
raffinierten Verknüpfungen. Gelegentlich fällt es ein
wenig schwer, angesichts dieser Fülle an gelegentlich sehr
massiv über die Ermittler hereinbrechenden Details der
Handlung vollständig zu folgen. Erstaunlicherweise kommt es
trotzdem nicht zu Widersprüchen - der Roman endet stimmig.
Es erweist sich als schwierig, diesen in Oslo angesiedelten Krimi vor
der Lektüre der letzten Seite aus der Hand zu legen, denn das
spannende Konzept, fesselnde Szenen und psychologische
Tiefgründigkeit lassen den Leser der Aufklärung der
beiden Fälle regelrecht entgegenfiebern.
(Regina Károlyi; 02/2009)
Kjell
Ola Dahl: "Blutfeinde"
(Originaltitel "Svart Engel")
Übersetzt von Kerstin Hartmann.
Ehrenwirth, 2009. 399 Seiten.
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Kjell Ola Dahl wurde am 4. Februar 1958 in Norwegen geboren. Er hat den Lehrerberuf an den Nagel gehängt und schreibt seit einigen Jahren hauptberuflich. Für "Sommernachtstod" erhielt er den "Riverton-Preis", Skandinaviens beste Krimiauszeichnung. Seine Kriminalromane werden in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt und erscheinen in zahlreichen Ländern.