Peter Kaeding: "Die Hand über der ganzen Welt"

Johann Friedrich Cotta - Der Verleger der deutschen Klassik


Verleger der deutschen Klassik, Diplomat, Politiker und Unternehmer

Der Autor Peter Kaeding, geboren 1942, war nach einem Musikstudium als Buchhändler und Sychronautor tätig und lebt seit 1977 freischaffend in Berlin. Er schrieb u. a. die Biografien "August von Kotzebue - Auch ein deutsches Dichter leben", "von Knigge - Begegnungen mit einem freien Herrn" sowie den Roman "Die Avantgarde ist immer vorn".

Im Hause Cotta gibt es 2009 etwas zu feiern, denn vor 350 Jahren, am 22. November 1659, übernahm Johann Georg I. Cotta durch Heirat eine bestehende Buchhandlung und führte sie unter seinem eigenen Namen weiter, die J. G. Cotta'sche Buchhandlung - wie in der Zeit üblich zugleich Buchhandlung und Verlag. 230 Jahre lang blieb der Verlag im Besitz der Familie Cotta, wurde aber 1889 an den Verleger Adolf von Kröner verkauft, wechselte 1956 noch einmal den Besitzer und wurde 1977 vom Ernst Klett Verlag erworben. Das daraus entstandene Unternehmen mit einem langen Namen nennt sich heute umgangssprachlich Klett-Cotta Verlag oder kurz Klett-Cotta.

Da Verlage und die damit verbundene Öffentlichkeit die europäische Aufklärung vorantrieben und die Bürgergesellschaft verbreiten halfen, trägt die Geschichte eines bedeutenden Verlages natürlich reichlich zum Verständnis dieser Prozesse bei. Denn die Buch- und Zeitschriftenverlage trugen maßgeblich den zum Ende des Absolutismus bei und sind somit auch ein Kern der politischen Geschichte.

Der 1764 in Stuttgart geborene Johann Friedrich Cotta war eine der ganz großen deutschen Verlegerpersönlichkeiten. 1787 übernahm der promovierte Jurist trotz erfolgsträchtiger anderer Perspektiven die schwächelnde Tübinger Buchhandlung, die er dem Vater mit geborgtem Geld abgekauft hatte. Strategisch planend und methodisch vorgehend konsolidierte er den Verlag recht schnell und verlegte am Ende einen Großteil der Protagonisten der publizierenden Zunft seiner Zeit.
In den politisch wilden Jahren zwischen Französischer Revolution, Wiener Kongress und Hambacher Fest brachte er die wesentlichen Zeitungen im Land heraus. Als Delegierter der württembergischen Landstände reiste Cotta mit einer diplomatischen Mission nach Paris.

Später hatte er ein Mandat im schwäbischen Landtag - fast überflüssig zu erwähnen, dass er sich für die Unternehmer stark machte und insbesondere natürlich für die Belange der Verleger, aber er setzte sich auch für ein liberales Bürgerrecht ein und versuchte die Gesellschaftsordnung des Königreichs Württemberg durch eine Verfassung zu fundamentieren. Daneben betrieb er unter Anderem noch Landwirtschaft und versuchte gegen große Widerstände Dampfschiffe auf Bodensee und Rhein zu betreiben. In Baden-Baden erwarb er ein bescheidenes Kapuzinerkloster und ließ es mit enormem Aufwand zum ersten europäischen Luxushotel "Badischer Hof" um- und ausbauen.

Seine Unternehmen waren auf einige Standorte verteilt, was es nach seinem Tod Ende 1832 auch recht aufwändig gestaltete, diese zu bilanzieren. Cotta: einst Verleger und Freund Schillers, später nur noch Manager, möchte man sagen.
Aber die Verlegeraktivitäten bilden den Kern des vorliegenden Buches, denn darauf dürfte auch der Fokus der meisten Interessenten liegen. Man erfährt eine Menge über eine Zeit und eine Branche, über Herder, Goethe, Schiller, Kleist, Fichte, Heine und viele Andere mehr.

Das fast 500 Seiten umfassende Buch kommt textlich anspruchsvoll daher und folgt hinsichtlich seiner Verarbeitung dem hohen Verlagsstandard im Hause Klett-Cotta. Aufgeteilt ist das Buch in ausschließlich nummerierte Kapitel, was logischerweise auch ein Inhaltsverzeichnis überflüssig werden lässt. Aber es verfügt über eine durchgängige Marginalienspalte; die Marginalien mögen beim späteren Auffinden von Textstellen hilfreich sein, ersetzen jedoch kein schmerzlich vermisstes Personenregister. Im Anhang finden sich Epilog, einige Bemerkungen zur Währung sowie ein Literaturvermerk, der einige der verwendeten Quellen referenziert.

Ein starkes Buch mit vermeidbaren Schwächen.
Derweil hofft der Rezensent, dass der Autor die Griffel spitzt und seine Kotzebue-Biografie aus dem Jahre 1988 kritisch durchsieht, damit diese im Herbst 2010 in neuem Glanz das Kotzebue-Jahr 2011 einläuten kann. Aber bitte mit Personenregister.

(Klaus Prinz; 03/2009)


Peter Kaeding: "Die Hand über der ganzen Welt. Johann Friedrich Cotta - Der Verleger der deutschen Klassik"
Klett-Cotta, 2009. 496 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

Leseprobe:

Kapitel 5

Um über die Grenzen Württembergs hinaus bekannt zu werden, fehlt dem Verlag jedoch noch immer der berühmte Autor, der große Name, der ihn unter den anderen heraushebt und ihm einen unverwechselbaren Glanz verleiht. Des Öfteren hatte Cotta an seinen Landsmann Friedrich Schiller gedacht, aber als unbekannter Verlagsbuchhändler nach Jena zu schreiben und um ein Werk zu bitten, schien ihm zu gewagt, ja er hielt es für ausgeschlossen, dass der berühmte Mann auf sein Ansinnen eingehen könnte. Vielmehr fürchtete er, ihm als aufdringlicher Buchhändler in Erinnerung zu bleiben und damit jede spätere Verbindung von vornherein auszuschließen. Doch nun ist Schiller ins Vaterland zurückgekehrt. Von allen Seiten wird ihm Verehrung entgegengebracht, und Cotta ist sich sicher, dass er nicht nur den Wein vom Neckar genießt, sondern auch das gute Gefühl, ein Schwabe zu sein.

Welcher Zeitpunkt wäre geeigneter, ihn zu bitten, eines seiner Werke im Vaterland zu verlegen? Direkt bei ihm anfragen möchte Cotta auch jetzt nicht. Taktvolle Zurückhaltung scheint ihm der verlässlichere Weg zum Erfolg zu sein. Er bittet den Lyriker und Epigrammatiker Johann Friedrich Haug zu vermitteln. Auf der Militärakademie gehörte er zum Kreis Schillers und darf sich rühmen, zu dessen Anthologie auf das Jahr 1782 Gedichte beigesteuert zu haben. Haug ist gern bereit, seinem Freund den Wunsch zu erfüllen. Er schreibt dem einstigen Gefährten und legt dem Brief neben eigenen Schriften von Cotta erhaltene Schriftproben bei, damit der Adressat sieht, dass der empfohlene Verleger allen ästhetischen Ansprüchen gewachsen ist.

Bald darauf erhält Haug die mit Spannung erwartete Antwort. Schiller dankt seinem lieben Freund für die Schriften und die Mühe, die er auf sich genommen hat. Allein seinetwegen würde er gern Herrn Cottas Wunsch erfüllen, nur gibt es zurzeit nichts, was er ihm anbieten könnte. Die Philosophie des schönen Umgangs hat er zum Jahresende seinem Freund Göschen in Aussicht gestellt. Zwar hat der Leipziger Verleger sich dazu noch nicht geäußert, doch da die Schrift als Pendant zu Ueber Anmuth und Würde konzipiert ist, wäre es ihm am liebsten, wenn Göschen auch sie übernehmen würde. Sollte er allerdings sein Vorhaben wahrmachen und die Tragödie Die Johanniter schreiben, könnte er sich frei für einen Verlag entscheiden. Letztlich wäre Cotta mit einem dramatischen Werk ohnehin mehr gedient. "Doch müssen Sie ihm prevenieren, daß ich mit einer Tragödie, die mir 3 und 4 mal so viel Arbeit kostet, als die beste Schrift von historischem oder philosophischem Inhalt, etwas theurer bin. Unter 30 Karolin kann ich sie He[rr]n Cotta nicht lassen, und da muß er sehen, wie er mit dem Nachdruck zu recht kommt." Einige Schriftproben haben Schiller gut gefallen, doch erwartet er von einem Verleger mehr, als dass er für schönen Druck und gutes Papier sorgt. "Beides kann gut gewählt seyn, aber wenn es an einer geschmackvollen Anordnung fehlt, ist alles vergebens." Cotta ist mit der Antwort zufrieden. Er hat nicht erwartet, dass ihm Schiller sofort eines seiner Werke überlässt. Der Hinweis auf das neue Stück stimmt ihn zuversichtlich, in absehbarer Zeit zu einer konkreten Vereinbarung zu kommen. Gleich, wie viel Honorar er auch fordert, dem berühmten Landsmann ist es schon jetzt zugestanden.

In den nächsten Wochen nimmt eine noch wichtigere Angelegenheit Cottas Aufmerksamkeit in Anspruch. Das Beispiel seines Associés, der durch die reiche Heirat nicht nur frei von materiellen Sorgen ist, sondern auch noch über Mittel verfügt, um gestaltend zu wirken, hat auch bei Cotta den Wunsch geweckt, sich auf diese Weise seiner Kapitalarmut zu entledigen. Einige Male hat er sich bemüht, eine entsprechende Heirat anzubahnen, aber letztlich schlug jeder Versuch fehl. So wenig er bereit ist, den Verlag in Hinblick auf die Autoren als Lotteriespiel zu betreiben, so wenig ist er nun gewillt, auf die reiche Erbin zu warten und damit sein Privatleben dem Zufall auszuliefern. Er ist Schwabe genug, um überzeugt zu sein, sich den erwünschten Wohlstand auch durch unternehmerischen Fleiß schaffen zu können.

Am 11. Januar 1794 heiratet er die Pfarrerstochter Wilhelmine Haas aus Kilchberg. Auch sie ist gebildet, und da ihr Selbstbewusstsein dem Elisabeth Zahns in nichts nachsteht, entwickeln sich zwischen den Frauen schnell Animositäten. Elisabeth Zahn macht keinen Hehl daraus, dass sie Cottas Wahl für einen Missgriff hält. Das bisher gute Einvernehmen ist gestört. Noch Jahre später schreibt sie in ihren Erinnerungen über Wilhelmine: "... sie war weder reich noch schön und hatte ein bösartiges Herz. Verstand konnte man ihr nicht absprechen." Cotta jedenfalls lässt auch nach dreißigjähriger Ehe keinen Zweifel daran aufkommen, dass er mit dieser Heirat sein "häusliches Glück begründete". Vordergründig haben die Differenzen der Frauen keinen Einfluss auf das Verhältnis der beiden Geschäftspartner. Zahn hat bereits im Mai 1793 die bescheidene Wohnung verlassen und bewohnt seither mit seiner Frau ein für 4500 fl. von Professor Gmelin gekauftes Haus in der Langengasse.

Professor Abel, der an der Militärakademie Philosophie lehrte und den seither eine herzliche Freundschaft mit Schiller verbindet, lässt Cotta wissen, dass der berühmte Landsmann vom 11. bis 13. März Tübingen besucht. Im Hause Abels lernt Cotta den verehrten Dichter persönlich kennen. Die Stimmung ist gelöst, die Übereinstimmung ästhetischer und philosophischer Ansichten rasch festgestellt und die Sympathie zwischen Autor und Verleger offensichtlich. Die Erkenntnis, dass jeder auf seine Weise daran arbeitet, in den Menschen den Sinn für das Schöne zu wecken und sie aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit herauszuführen, macht Schiller zunehmend zu einer Zusammenarbeit geneigt. Ohne jedoch konkret zu werden, verspricht er Cotta, ein Werk bei ihm zu verlegen.

Einige Tage nach Schillers Abreise trifft ein Brief ein, in dem der umworbene Mann kurzfristig um 200 Thlr. sächsisch bittet, die sein Verleger Göschen erstatten soll. Die jährlichen 1000 Thlr., die der Herzog von Mecklenburg-Holstein-Augustenburg und der dänische Finanzminister von Schimmelmann auf Anregung des Schriftstellers Jens Baggesen Schiller für drei Jahre ausgesetzt haben, damit er sich, zu keiner Arbeit gezwungen, sorgenfrei von der schweren Krankheit erholen kann, sind nicht zum erhofften Termin eingetroffen. Nun fehlt es an allen Enden. Cotta sagt die Summe umgehend zu. Allerdings möchte er hoffen, dass Schiller ihn nicht kränken will und die angebotene Verzinsung sich auf einen möglichen dritten Geldgeber bezieht. Wichtig wäre ihm nur, dass die Rückzahlung ebenfalls in Reichstaler sächsisch erfolgt. Rechnet Göschen nach dem unter Buchhändlern üblichen Zahlungsmodus ab, könnte er dabei leicht anderthalb Karolin verlieren. Umgehend sendet Cotta 160 fl. nach Stuttgart. Die restlichen 200 möchte er gern selbst überbringen, sofern es noch bis zum 3. Mai Zeit hat. Aber es hat keine Zeit. Schiller deutet an, dass er vielleicht schon früher abreist und das Geld bis zum 22. April benötigt. Zugleich bittet er Göschen, die 200 Thlr. von dem vermutlich Mitte Juni aus Kopenhagen eintreffenden Geld abzuziehen und an Cotta auszuzahlen. Entschuldigend fügt er hinzu: "Ich brauchte das Geld, und wußte es nicht anders anzugreifen, wenn ich nicht meinen Callias an Herrn Cotta überlassen wollte."

Angesichts des Vorschusses fühlt Schiller sich verpflichtet, sein Versprechen zu konkretisieren. Er bietet an, die "vorzüglichsten Tragödien der Griechen in einer modernen und angenehmen Übersetzung unter dem Titel Griechisches Theater herauszugeben". Jedes Jahr sollen zwei Bände erscheinen. In sechs bis sieben Bänden wäre das Werk abgeschlossen. Zu jedem Band würde er eine Beurteilung der enthaltenen Stücke schreiben und darin die "hauptsächlichen Schönheiten des griechischen Trauerspiels als überhaupt die ganze Idee der tragischen Dichtung" entwickeln. Der Literaturkenner Cotta hält die Idee grundsätzlich für richtig und nützlich, der Kaufmann jedoch zweifelt, dass das Werk genügend Käufer finden wird. Lieber möchte er nur die Abhandlungen verlegen, doch darauf will Schiller sich nicht einlassen. Für ihn gehören Übersetzung und Abhandlung zusammen, auch wenn sich ein modischer Artikel besser verkaufen würde, wie er gern zugibt. Der Kreis, der sich für die Griechen interessiert, ist klein, aber beständig. Mit einem Karolin pro Bogen für die Übersetzung und zwei pro Bogen für die Abhandlung wäre er zufrieden. Legt Cotta für die Übersetzung 21 Bogen, für die Abhandlung jeweils drei oder vier Bogen zu Grunde, so wären das pro Band 28 oder 29 Karolin. Setzt er dazu Unkosten für Druck und Papier mit 22 Karolin an, wären bei 500 verkauften Exemplaren die Unkosten gedeckt. Was er darüber hinaus verkauft, ist Profit. Unter dieser Voraussetzung dürfte eine persönliche Begegnung schnell zu einem guten Ergebnis führen.

Am 4. Mai 1794, zwei Tage bevor Schiller aus Schwaben abreist, besucht Cotta ihn in Stuttgart und lädt ihn zu einem Ausflug nach Untertürkheim ein. Auf dem Rückweg machen sie einen Umweg zum Kahlenstein, genießen die schöne Aussicht auf das Neckartal, das Remstal, die Raue Alb und deren Vorläufer zwischen Rems und Fils. Cotta nutzt die vom Wein gelockerte Stimmung und entwickelt seinen Plan, eine politische Zeitung erscheinen zu lassen. Während des Aufenthalts in Paris hatte er mit Graf Schlabrendorf, Georg Forster, Karl Friedrich Reinhard, Konrad Engelbert Oelsner und Georg Kerner darüber gesprochen, und alle fanden die Idee hervorragend. An eine Nachahmung des Journal des Débats oder der Times ist nicht gedacht. Seine Zeitung soll mit der gewöhnlichen Presse nicht gleichzusetzen, sondern etwas Neues, nie Dagewesenes sein; ein Blatt, dass sich neben den großen französischen und englischen Blättern eigenständig behauptet.

Noch herrscht bei den deutschen Landesherren und ihrer gehobenen Beamtenschaft die Auffassung vor, dass politische Angelegenheiten des Landes die Untertanen nichts angehen. Die Redakteure erfahren nichts darüber, und wenn, dürfen sie es nicht berichten. Wollte auf einer fernen Südseeinsel sich jemand aus dieser Presse ein Bild über Deutschland machen, so müsste er zu dem Schluss kommen, dass die meisten Leute Kaiser, König, Herzog oder Reichsgraf heißen. Zwar beschäftigt man sich in gebildeten Kreisen auch zunehmend mit politischen Themen, doch interessieren die deutschen Angelegenheiten nur am Rande. Ihr Augenmerk richtet sich auf "Welt" und "Menschheit", auf Ereignisse in Frankreich, England, Amerika und der Schweiz.

Cotta will mit der Zeitung die gesellschaftlichen Veränderungen begleiten und der entstehenden öffentlichen Meinung eine Richtung geben, die sich in die Worte aufgeklärt, fortschrittlich und liberal fassen lässt. Die Allgemeine Europäische Staatenzeitung , wie er sie nennen möchte, soll ein unparteiischer Beobachter der Ereignisse sein und als "unbeteiligte und vorgreifende Geschichtsschreiberin" wirken. Als Herausgeber und Redakteur kann er sich keinen besseren als seinen Landsmann Friedrich Schiller vorstellen, der es wie kein anderer versteht, komplexe politische Vorgänge interessant und allgemeinverständlich den Lesern nahezubringen. Zwar müsste er von Jena nach Tübingen übersiedeln, aber Cotta würde ihm alle finanziellen Belastungen abnehmen. Über das Honorar möchte er jetzt nur so viel sagen: Es wird den Wünschen des Herrn Hofrats entsprechen.

Schiller reagiert zurückhaltend. Er verspürt keine rechte Neigung zur politischen Schriftstellerei und müsste sich dazu zwingen. Andererseits lockt bei seiner schlechten finanziellen Lage das Geld. Auch der Hinweis, dass nur unter seiner Redaktion eine deutsche Zeitung entstehen kann, die ihren Platz an der Seite der großen in Europa behauptet, ist durchaus schmeichelhaft. Er sagt nicht nein, macht aber letztlich ein Ja von seinem Gesundheitszustand abhängig. Überbetonen möchte er diesen Punkt allerdings nicht. Wie soll er dem Verleger erklären, dass die Redaktion der politischen Zeitung seine Kräfte übersteigt, wenn er im nächsten Augenblick vorschlägt, unter seiner Leitung ein großes literarisches Journal erscheinen zu lassen, mit dem er dem zunehmend einseitig auf das Politische gerichteten Interesse entgegenwirken, den rohen Geschmack des deutschen Publikums heben und "die politische geteilte Welt unter der Fahne der Wahrheit und Schönheit vereinigen" will; eine Idee, die er bereits vor zwei Jahren Göschen vergeblich vorgetragen hat. Wilhelm von Humboldt, Christian Körner, Fichte, Woltmann sind bereit, daran mitzuarbeiten, und Schiller verspricht, die besten Autoren Deutschlands dafür zu gewinnen.

Unter Schillers Redaktion nicht nur eine politische Zeitung, sondern auch noch ein literarisches Journal zu bekommen, übersteigt Cottas kühnste Wünsche. Als liberaler Geist ist ihm ohnehin jede Einseitigkeit zuwider. Die Begeisterung, mit der Schiller den Plan vorträgt, lässt Großes erhoffen.

Trotz des Gefühls, endlich die provinziellen Grenzen zu überschreiten, hat Cotta gewisse Zweifel, ob Schiller den Anstrengungen gesundheitlich gewachsen ist, die eine zweifache Herausgeberschaft mit sich bringt. Das literarische Journal ist Schillers Idee. Da möchte er sich nicht einmischen. Das Zeitungsprojekt jedoch, an dem Schiller sich nur mäßig interessiert zeigt, will Cotta absichern. Jetzt heißt es, einen geeigneten Mann zu finden, den Schiller als engen Mitarbeiter akzeptiert und der vor allem bereit ist, ihm den größten Teil der Arbeit abzunehmen. Selbst wenn der berühmte Landsmann nur selten einen Beitrag liefert, wäre es allein ein großer Gewinn, ihn als Herausgeber nennen zu können. Unverbindlich fragt Cotta bei dem Professor für Geschichte und Eloquenz Ernst Ludwig Posselt an, der sich auch als politischer Schriftsteller betätigt und aus seiner Begeisterung für die französische Revolution keinen Hehl macht. Posselt verbringt zurzeit seine Tage als Amtmann in Gernsbach und sagt sofort zu. Er wüsste keinen günstigeren Zeitpunkt für die Herausgabe einer neuen politischen Zeitung, "da nie eine Zeit reicher an und begieriger nach Neuigkeiten war, als die unsrige - da wir an räsonierten Zeitungen einen gänzlichen Mangel haben, indem solche fast insgesamt äußerst fade, unzusammenhängende, an Inhalt und Sprache gleich elende Rhapsodien sind". Allein aus diesen Gründen hält er eine gehörig abgefasste Zeitung für "eine ausnehmend interessante und ergiebige Enterprise", mit der er am liebsten sofort beginnen würde. (...)

zurück nach oben