Bettina Sengling, Adrian Geiges, Marc Goergen: "China"
Die
Geschichte der neuen Weltmacht
Vom ersten Kaiser bis zur Gegenwart
2500
Jahre lächeln, 2500
Jahre Zähne zeigen
... ist nicht nur ein Bonmot im Werbetext für das Buch,
sondern auch eine
treffende Kürzestzusammenfassung. In der Art
populärer Nachrichtenmagazine
geht das Autorentrio auf das unter europäischen Lesern meist
eher geringe
Vorwissen über China ein: Komplexe Zusammenhänge und
kulturelle Fakten aus der
chinesischen Geschichte bis heute werden in Bild und Text leicht
fasslich
aufbereitet.
Die Autoren, der Sinologe Adrian Geige sowie die Historiker Marc
Goergen und
Bettina Sengling, sind Redakteure und Korrespondenten des deutschen
Magazins
"Stern". "China - Die Geschichte der neuen Weltmacht" beruht
auf einer erfolgreichen "Stern"-Serie und führt in acht
Epochenschritten von der Frühgeschichte und den ersten Kaisern
bis in die
Gegenwart.
Dabei werden alle Kniffe des gekonnten Magazinjournalismus genutzt.
Jedes
Kapitel stellt eine Schlüsselepisode einer einzigen
historischen Person in den
Mittelpunkt. Im Fall von Mao Zedong sind es Briefe seiner zweiten,
verlassenen
Frau Kai-hui, die ihre nahende Hinrichtung ahnt; der
Revolutionär aber, der sie
1930, am Beginn seiner Karriere, leicht hätte warnen, retten
und befreien können,
unternahm nichts. Um emotional packende Ereignisse wie diese wird das
Bild der
Epoche aufgebaut. Zahlreiche gut gewählte, oft ganze Seiten
umfassende Fotos,
dazu Zeitleisten, die das Geschehen in China der Geschichte in der
westlichen
Welt gegenüberstellen, und hervorragende Grafiken - zum
Beispiel von der großartigen
Totenstadt des Kaisers Qin Shi Huangdi und seiner
vieltausendköpfigen
Terrakottaarmee - machen die Geschichte eines im Westen nur wenig
bekannten
Kulturkreises anschaulich.
Dieser Stil benötigt Anknüpfungspunkte, man muss die
Leser dort abholen, wo
sie mit ihren Chinakenntnissen stehen. Über
Marco
Polo, die
Lotusfüße
vornehmer Damen, die Herstellung von Porzellan, die
traditionelle
chinesische
Medizin, Hongkong und Tibet und vor allem über den
in fast
allen westlichen Städten
sichtbaren chinesischen Exportschlager Nummer eins, das chinesische
Essen,
werden prägnante Hintergrundartikel in die historische Abfolge
eingestreut.
Freilich hat dieser Stil manchmal den Anschein, die Vergangenheit und
Gegenwart
eines Kulturkreises und einer Wirtschaftsmacht werde auf
Frühstückstischniveau
verabreicht. Die Konzentration auf das Leicht(est)fassliche
lässt andere
wichtige Fakten und Zusammenhänge außer Acht. Es
wird auch nicht versucht, die
dargestellten Fakten zu belegen oder den Leser mittels Bibliografie zu
tiefer
gehender Beschäftigung mit China einzuladen. Und: der
Zusammenhalt zwischen den
Kapiteln ist äußerst lose, nicht anders als die
Artikel einer Serie in einem
Nachrichtenmagazin wie "Stern".
Dennoch und trotzdem braucht Europa
Einführungen
auf diesem
Niveau,
journalistisch exzellent, aber inhaltlich stark vereinfachend, um jenes
rekordverdächtige Land der Extreme kennenzulernen, wo es mehr
Millionenstädte
und Mobiltelefone gibt als irgendwo anders, wo das Wirtschaftswachstum
höher
ist als in jeder anderen Weltregion. Und wo gleichzeitig so viele
Menschen
hingerichtet werden wie in keinem anderen Land.
(Wolfgang Moser; 09/2009)
Bettina
Sengling, Adrian Geiges, Marc Goergen: "China.
Die Geschichte der neuen Weltmacht.
Vom ersten Kaiser bis zur Gegenwart"
dtv premium, 2009. 208 Seiten, mit zahlreichen Fotos, Grafiken und
Illustrationen.
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