Jorge Luis Borges und Adolfo Bioy Casares: "Gemeinsame Werke, Erster Band"
Der
gemeinsamen Werke erster Teil
Sechs Aufgaben für Don Isidro Parodi / Zwei
denkwürdige Phantasien / Mord nach
Modell
Herausgegeben von Gisbert Haefs, Fritz Arnold
Schwierige
aber unbedingt lohnenswerte Lesekost
"Man muss alle Schriftsteller zweimal lesen, die guten und die
schlechten. Die einen wird man erkennen, die anderen entlarven."
Diese Empfehlung gab der unvergleichliche
Karl
Kraus seinen Lesern mit auf den Weg, und man kann ihm da
voll beipflichten. Nun gehören sowohl Jorge Luis Borges als
auch sein Freund und Kollege Adolfo Bioy Casares zweifellos zu den
guten, und ein zweimaliges Lesen scheint mir bei ihren jetzt vom Hanser
Verlag edierten gemeinsamen Werke geradezu zwingend notwendig. Aber
genügt das überhaupt, diese Texte "nur" zweimal zu
lesen? Zum Erkennen ihrer Qualitäten vielleicht, aber
genügt es auch, um sie zu verstehen? Borges selber
äußerte sich 1964 in einem Gespräch mit
Napoleon Murat zur Entstehung der hier vorliegenden Texte wie folgt: "Wir
haben ein wenig für uns selbst geschrieben, und weil das in
einer von Witzen bestimmten Atmosphäre geschah, wurden die
Geschichten so verwickelt und so barock, dass sie nur noch sehr
schwierig zu verstehen waren." Und Borges' Freund und Kollege
Adolfo Bioy Casares hielt die Texte sogar für
unübersetzbar. Deshalb möchte ich an dieser Stelle
auch den Übersetzern Liselott Reger und Gisbert Haefs ein
großes Lob zollen, sie haben ihre Aufgabe - soweit ich das
überhaupt zu beurteilen vermag - mit Bravour gemeistert. In
der Editorischen Notiz am Schluss des Bandes wird des Öfteren
zum Problem des Übersetzens Stellung genommen, beispielsweise
so: "eine Vielzahl von Anspielungen und Verdrehungen musste
an der Sprachgrenze zurückbleiben", (da sie sich
jeder möglichen Übersetzung schlichtweg entziehen.)
An anderer Stelle heißt es: " ... macht jedoch die
Übersetzung nahezu unmöglich; so sind die deutschen
Versionen eher Paraphrasen auf niedrigerer Ebene."
Bei dieser Sachlage nimmt es natürlich kein Wunder, wenn auch
der Leser seine Schwierigkeiten mit den Texten hat. Sie liegen voll auf
der Linie von Borges an
Schopenhauer
ausgerichtetem Skeptizismus. Die Welt wird als undurchschaubares
Labyrinth angesehen, es ist in der Tat auch ein anstrengendes Lesen,
und es ist wohl ratsam, das Buch nicht in einem Stück
durchzulesen. Sind schon die "Sechs Aufgaben für Don Isidro
Parodi" schwer zu begreifen, und das sowohl in ihrer Fragestellung als
auch in ihrer Lösung, so gilt das erst recht für die
anderen Texte des Bandes, für die "Zwei denkwürdigen
Phantasien" und für den "Mord nach Modell". Doch trotz aller
Schwierigkeiten, die sich dem Leser da auftun, nimmt einen das Buch von
Anfang an gefangen. Das liegt nicht zuletzt an der Fabulierlust der
Autoren, an ihrem virtuosen Jonglieren mit Worten und den ihnen
zugrunde liegenden Gedanken. Das Vokabular des Autorengespanns scheint
außerordentlich umfangreich und zudem von einer ungeheuren
Variabilität zu sein. Auch wenn man manchmal nicht allzu viel
begreift, man liest immer weiter, fasziniert vom funkelnden Sprachwitz
der beiden Autoren.
Was aber ist nun zum Inhalt der Geschichten zu sagen? Auch hier
möchte ich auf ein Zitat aus der Editorischen Notiz verweisen:"
... dubiose Charaktere, verwickelte Handlungsfäden,
Soziolekte, Labyrinthe aus Witzen, Anspielungen und
Verhöhnungen ... Bei alledem scheint es nahezu irrelevant, von
den Inhalten zu sprechen."
Die Texte, zum größten Teil skurrile, irrwitzige
Kriminalgeschichten, zum ersten Mal erschienen zwischen 1942 und 1945,
zeigen einen durchweg satirischen, parodistischen Charakter, und sie
stellen einen respektlosen Angriff auf die Fundamente der
argentinischen Gesellschaft dar. Es sind Texte, in denen sich Poesie
und Schärfe des Verstandes in bewundernswerter Weise
ergänzen. Von Spannung, wie man sie in einem Krimi erwartet,
kann hingegen kaum die Rede sein, auch wenn das im Klappentext so
angedeutet wird. Alle Protagonisten erweisen sich als mehr oder weniger
versierte Schaumschläger des Wortes, und über allem
liegt eine bis an die Grenze der Polemik herangewürzte Ironie,
die auch für den europäischen Leser als schmackhaft
empfunden werden kann, auch wenn er vieles nicht versteht. Dazu ein
weiterer Kommentar aus der Editorischen Notiz:
"Vor allem im Kriminalroman 'Mord nach Modell' sind die
vielfältigen satirischen und parodistischen Verfahren so
verfeinert, dass - wie Emil Rodriguez Monegal in seiner
Borges-Biografie feststellt - selbst Leser
in Buenos Aires kaum noch bis zur eigentlichen Handlung des Romans vorzudringen vermochten."
Dennoch empfiehlt sich die Anschaffung dieses Bandes. Es kann durchaus
eine Weile dauern, bis man sich in diese Geschichten eingelesen hat,
aber hat man den Zugang erst einmal geschafft, dann kann man sich auch
regelrecht darin festlesen. Ich jedenfalls freue mich schon auf den
zweiten Band der gemeinsamen Werke Borges/Bioy Casares, dessen
Erscheinen als Band 12 der im Hanser Verlag erscheinenden Gesammelten
Werke Jorge Luis Borges' geplant ist.
(Werner Fletcher; 03/2009)
Jorge
Luis Borges und Adolfo Bioy Casares:
"Gemeinsame Werke, Erster Band"
Herausgegeben von Gisbert Haefs, Fritz Arnold.
Übersetzt aus dem Spanischen von Liselott Reger und
Gisbert Haefs.
Carl Hanser Verlag, 2009. 288 Seiten.
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Jorge
Luis Borges, geboren am 24.
August 1899 Buenos Aires, gestorben am 18. Juni 1986 in Genf, war ist
einer der
wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts; ohne sein wegweisendes und
bahnbrechendes Werk wäre die moderne hispanische Literatur
undenkbar. Die
Vielfalt seiner Themen und die Perfektion seiner Formen in
Erzählung, Essay und
Lyrik machten ihn schon zu Lebzeiten zum Klassiker der Weltliteratur
auch außerhalb
der spanischsprachigen Welt.
Weitere Sammelbände:
"Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Band 1: Der Essays
erster Teil"
Evaristo Carriego / Diskussionen.
"Diese Essays sind größtenteils Zeugnisse
der Borgesschen Vorliebe,
auf hinterlistige Art ein von der eigenen traditionellen Würde
bereits angekränkeltes
philosophisches Rätsel um eine dubiose Ansicht zu bereichern.
Sie weisen Borges
als einen Meister paradoxer Denkfähigkeit und ironischer
Anspielungen
aus." Iso Camartín (Hanser)
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"Gesammelte
Werke in zwölf
Bänden. Band 2: Der Essays zweiter Teil"
Geschichte der Ewigkeit / Von Büchern und Autoren.
Band 2 der Werkausgabe vereint die berühmten
Essaybände Borges'. Versammelt
sind hier die bedeutenden poetologischen Texte über "Die
Metapher"
oder "Die Übersetzer von
Tausendundeiner
Nacht" und sein
umfangreicher Katalog der größten Werke der
Weltliteratur. (Hanser)
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"Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Band 3:
Der Essays dritter Teil"
Inquisitionen / Vorworte.
Jorge Luis
Borges folgen, auf seinem Weg durch die Weltliteratur - die
Essaybände
"Vorworte" und "Inquisitionen" machen es möglich: von
Cervantes zu Franz
Kafka, von
Oscar Wilde zu Paul Valéry, von
Herman
Melville
zu Emanuel Swedenborg. Um Traum, Zeit und Sprache kreisen
seine Gedanken, und
jedem Autor vermag er noch eine unerwartete Perspektive abzugewinnen.
(Hanser)
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"Gesammelte Werke in 9 Bänden. Band 4:
Erzählungen 1975-1977"
"Das Sandbuch", "Rose und blau". (Hanser)
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"Gesammelte Werke in 9 Bänden. Band 5/I: Essays
1932-1936"
Inhalt: Diskussionen; Anmerkungen; Geschichte der Ewigkeit; Zwei
Anmerkungen.
Schon früh hat Borges den Grenzbereich zwischen Essay und
Erzählung planmäßig
ausgekundschaftet. So sind seine Texte mit dem Begriff "Essay", wie er
im Deutschen gebraucht wird, nur schwer zu vereinbaren. Es handelt sich
nicht um
Aufsätze, sondern um Anmerkungen, um Glossen, die nicht
weniger literarisch
sind als seine Erzählungen. (Hanser)
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"Gesammelte Werke in 9 Bänden. Band 6: Borges und ich"
"David Brodies Bericht" / "Das Sandbuch" / "Shakespeares
Gedächtnis".
Die stilistische Vielfalt von Borges' letzten Erzählungen ist
ungeheuer:
lakonische, realistische Geschichten über Messerstecher in
Buenos Aires stehen
psychologischen Studien und fantastischen Erfindungen
gegenüber. Mit diesem
Band liegen Borges' Erzählungen in der neuen Gesamtausgabe
geschlossen vor. (Hanser)
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"Gesammelte
Werke in zwölf
Bänden. Band 6: Der Erzählungen zweiter Teil"
Gedichte und Prosa.
Inhalt: "Borges und ich", "Museum". Dieses aus Versen und
Prosagedichten komponierte Buch nannte Borges selbst seine
persönlichste und
beste Arbeit, es ist eines der faszinierendsten Produkte seiner
Imaginationskraft und ein Spiegelbild seiner Person. (Hanser)
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"Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Band 7:
Der Gedichte erster Teil"
"Buenos Aires mit Inbrunst" / "Mond gegenüber" / "Notizheft
San Martin" / "Borges und ich".
Jorge Luis Borges, der große Erzähler, Essayist und
Zauberkünstler der
Literatur, der schon in frühesten Jahren in argentinischen
Zeitungen
publizierte, hat seine Laufbahn als Dichter begonnen. Der Poesie ist er
sein
Leben lang treu geblieben. Der siebte Band der Werkausgabe bringt in
zweisprachiger Fassung das frühe Gedichtwerk Borges' heraus,
das in der alten
Ausgabe nur in einer Auswahl enthalten war. (Hanser)
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"Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Band 8:
Der Gedichte zweiter Teil"
"Der Andere, der Selbe" / "Für die sechs Saiten" / "Lob
des Schattens" / "Das Gold der Tiger".
Die Neuausgabe der Gedichte des Argentiniers Jorge Luis Borges wird mit
diesem
Band fortgesetzt. Er versammelt die Werke der 1960er-Jahre, also jener
Zeit, die
Borges auf dem Weg vom Avantgardisten zum modernen Klassiker der
lateinamerikanischen Literatur sah. Der Zyklus "Der Andere, der
Selbe", der den Band eröffnet, könnte auch das Motto
für Borges' Lyrik
im Ganzen geben: ein Spiel mit
Masken
und Formen, mit Rätseln und Täuschungen,
mit seinem Leser und sich selbst, mit Zeit und Ewigkeit. Zu entdecken
ist immer
wieder einer der größten Dichter des 20.
Jahrhunderts. (Hanser)
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"Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Band 9:
Der Gedichte dritter Teil"
"Die tiefe Rose" / "Die eiserne Münze" / "Geschichte
der Nacht" / "Die Ziffer" / "Die Verschworenen".
Mit diesem Band ist die Edition der Gedichte von Jorge Luis Borges
abgeschlossen.
Die Bedeutung des aus Argentinien stammenden Lyrikers Borges ist
langsam, aber
dann umso deutlicher erkannt worden. Diese Ausgabe wird nun fortgesetzt
mit dem
Band, der die Werke der 1970er- und 1980er-Jahre versammelt, also die
späten
Gedichte, in denen Borges eine vollkommene Beherrschung aller Formen
und Themen
erreicht hatte. (Hanser)
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"Gesammelte Werke in zwölf Bänden. Band 10:
Die Anthologien"
"Handbuch der phantastischen Zoologie" / "Das Buch von Himmel und
Hölle" / "Buch der Träume".
In diesen Anthologien fesselt der Autor den Leser mit einer fremden
Welt
jenseits der Alltagserfahrungen. Nicht weniger als 120 Fantasiewesen
hat der aus
Argentinien stammende Autor in den jahrtausendealten Vorstellungen der
Menschen
entdeckt oder selbst erfunden: vom Behemoth der Bibel, den
Chimären der
Griechen und den Dämonen der Juden bis zu den
Drachen des Fernen Ostens und dem
Einhorn
des Mittelalters. Ein einzigartiges Museum des Fantastischen,
Beklemmenden und Absonderlichen. (Hanser)
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