Alberto Angela: "Ein Tag im Alten Rom"
Alltägliche, geheimnisvolle und verblüffende Tatsachen
Ein
Reporter auf Zeitreise
Alberto Angela ist eigentlich Naturwissenschaftler - in Italien hat er
Paläontologie studiert, und als Fernsehmoderator
präsentiert er populärwissenschaftliche Sendungen auf
"Rai Tre". Auch dieses Buch, das 2008 den italienischen Essay-Preis
"Premio Cimitile" erhielt, zeigt deutlich sein Feingefühl
für Regie und Präsentation: Es folgt dem Tagesverlauf
im antiken Rom zur Zeit der größten Ausdehnung des
Imperium Romanum um 115 n.Chr., unter der Herrschaft
Kaiser
Trajans.
Beginnend mit den Geschehnissen vor Sonnenaufgang beschreibt der Autor
den Alltag in seiner Heimatstadt vor fast 1900 Jahren, erwähnt
bellende Hunde, beobachtet arbeitende Sklaven und hört mit
seinen Lesern dem Blubbern der Wasserleitung zu.
Mit einer Einstimmung auf die Sinneseindrücke der
Millionenstadt beginnt jedes Kapitel, das jeweils einer bestimmten
Uhrzeit im Tagesverlauf zugeordnet ist: Körperpflege und Mode
behandelt der Autor eher am Morgen, dem folgt die berufliche
Betriebsamkeit, und schließlich endet der Tag mit einem
Thermenbesuch, einem Bankett, dem Rückzug auf die Schlafstatt
beziehungsweise mit nächtlichen Vergnügungen.
Diese durch den Tagesverlauf vorgegebene Struktur bestimmt das gesamte
Buch, zerlegt es in angenehm zu lesende Häppchen, offeriert
für jede Stunde ein Kapitel. Nachdem der Autor zuerst
unsichtbarer Beobachter und als Stimme aus dem Hintergrund den
römischen Alltag in der Fantasie der Leser erstehen hat
lassen, folgen die sachkundigen Erklärungen. Dabei steht immer
das Leben der breiten Masse der römischen Bevölkerung
im Mittelpunkt, also auch das der Sklaven und der ärmeren
Bevölkerung; Vergleiche mit der Gegenwart (auch mit
außereuropäischen Gesellschaften) erleichtern das
Verständnis für Fremdartiges. Die große
Geschichte der römischen Kaiserzeit erzählt Alberto
Angela anhand vieler kleiner und lebhafter Details.
Vornehmlich ist das Buch für (moderne) Römer
geschrieben, immer wieder sind Hinweise auf heutige Bauwerke oder
Stadtteile zu finden, die man als Nichtrömer und
Nichtitaliener nur schwer visualisieren kann. Umso mehr lädt
das Buch ein, dem Autor nicht nur in seine Heimatstadt zu folgen,
sondern mit ihm vor allem gedankliche Forschungsreisen ins Altertum zu
unternehmen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die
spärliche Bebilderung: Fotos von archäologischen
Funden hätten den Blick der Leser wohl wieder in die Gegenwart
zurückgeführt; so beschränkt sich das Buch
auf Schwarzweißzeichnungen von Orten und Handlungen, die
einfacher zu zeichnen als zu erklären sind, z.B. das Anlegen
einer Toga oder die Verwendung der antiken Vorläufer des
heutigen Toilettenpapiers.
Mit Themen wie Umweltverschmutzung und Müllentsorgung aber
auch Informationen und sachlichen Erklärungen über
das
Sexualverhalten korrigiert Alberto Angela viele von Hollywood
geprägte Klischees, spricht auch Dinge an, die man in vielen
Fachbüchern kaum zu lesen bekommt, z.B.
Naseschnäuzen, Toilettengang und ähnliche
Alltäglichkeiten.
Dieses überaus gelungene Buch macht Lust auf mehr Wissen
über die Antike, auf eigene Fantasiereisen und auf lange
Spaziergänge durch das heutige Rom - in der
Hoffnung, durch ein Fenster noch heute Blicke auf die Zeit vor 1900
Jahren werfen zu können.
(Wolfgang Moser; 07/2009)
Alberto
Angela: "Ein Tag im Alten Rom.
Alltägliche, geheimnisvolle und verblüffende
Tatsachen"
(Originaltitel "Una giornata nell'antica Roma")
Aus dem Italienischen von Julia Eisele.
Riemann, 2009. 413 Seiten.
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Weitere
Buchtipps:
Jörg Fündling: "Kaiser von morgens bis abends.
Ein Tag an der Spitze des Römischen Reiches"
Über den Alltag der alten Römer ist schon viel
geschrieben worden. Aber hatte
Roms erster Mann überhaupt so etwas wie einen Alltag?
Jörg Fündling begleitet
einen Tag im Leben eines römischen Kaisers (zwischen 27 vor
und 235 n. Chr.),
angefüllt mit alltäglichen und
außergewöhnlichen Terminen und Ereignissen.
Der Tag beginnt mit dem Morgenritual. Fündling beschreibt das
Opfer an die
Hausgötter und die Frühstücksgewohnheiten,
wirft einen Blick auf die wartende
kaiserliche Familie und bietet eine allgemeine Skizze des "Biotops"
Kaiserpalast. Es folgen die zahlreichen Termine, die ein Kaiser
wahrzunehmen
hatte. Erst die Mittagsruhe bietet Gelegenheit für eine kurze
Auszeit. Die
Hauptmahlzeit des Tages gibt es am Abend, praktisch nie im kleinsten
Kreis, häufig
als "Staatsbankett" im Palast. Schläft der Kaiser jemals
allein? Das
kaiserliche Eheleben wird ebenso beleuchtet wie späte
Unterhaltungen
bei Wein
und Würfeln. (Primus Verlag)
Buch
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John
R.
Clarke: "Roma Antiqua. Von Händlern, Hebammen und anderen
Helden"
Dieses Buch lässt Alltag und Erlebnisse von Bewohnern des
Römischen Reiches
lebendig werden - nicht nur die der "oberen Zehntausend" wie Kaiser
und Senatoren, sondern auch die der einfachen Bürger, der
Freigelassenen, Händler
und Sklaven. Clarke nimmt den Leser mit auf einen Gang durch den
römischen
Alltag. Er begleitet Menschen, die vor etwa 2000 Jahren in Rom,
Pompeji
und Ostia lebten und arbeiteten. Clarke folgt ihren Spuren,
während sie den Göttern
opfern, zur Arbeit gehen, sich im Theater ein Stück ansehen,
auf einen Becher
in einer Eckkneipe vorbeischauen, die Bäder in ihrem Stadtteil
besuchen, ein
Abendessen mit Gästen planen oder auch ihren besten Freund
beisetzen.
Im Blickpunkt stehen Religion, Arbeitswelt, öffentliche
Unterhaltung, Thermen
und Baden, Leben im Militär, Festmähler und
Begräbnisse, aber ebenso
Anordnung, Nutzung und Aussage jener Gebäude, Bilder,
Plastiken und Mosaike,
die die Römer so schätzten.
Eine Fülle von Farbillustrationen, in der Mehrzahl eigens
für diesen Band
aufgenommen, laden ein, die Facetten des Lebens quasi mit
römischen Augen zu
sehen und zu erkunden. (Primus Verlag)
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