Alberto Angela: "Ein Tag im Alten Rom"

Alltägliche, geheimnisvolle und verblüffende Tatsachen


Die antike Metropole geradezu hautnah erleben

Die römische Geschichte ist auch jenen Menschen aus dem Schulunterricht noch halbwegs vertraut, die sich nicht aus beruflichen Gründen mit der Antike beschäftigen. Dass nicht nur die Folgen römischer Expansionspolitik, sondern auch das römische Recht und viele Aspekte der römischen Kultur bis heute Spuren in der Gesellschaft hinterlassen haben, weiß im Grunde jeder. Doch vom Ablauf eines ganz gewöhnlichen Tages in der Metropole Rom vor rund 1900 Jahren, zur Zeit Kaiser Trajans, hat kaum jemand eine Vorstellung.

Einen solchen Tag lang begleitet der Leser den Paläontologen und Journalisten Alberto Angela durch den römischen Alltag. Das Buch beginnt mit einer kurzen Einführung, dann beginnt noch vor der Morgendämmerung ein ereignisreicher Tag.

Der Leser lernt eines der Häuser der reichsten Bewohner Roms kennen, ein beziehungsweise eine domus, und wird mit den Räumen und den morgendlichen Verrichtungen aller Haushaltsmitglieder dort vertraut; ebenso besucht er jedoch auch eine insula, ein mehrstöckiges Mietshaus, und erfährt, wie man, von Etage zu Etage nach oben steigend, beobachten kann, wie der Sozialstatus der Bewohner immer mehr abnimmt. Selbstverständlich gestattet der Autor stets einen Blick in typische Wohnungen und auf ihre Einrichtung.

Autor und Leser besuchen die Märkte einschließlich des Sklavenmarktes, die Foren und das Kolosseum, öffentliche Bedürfnisanstalten und die Thermen, eine popina, das heißt, ein Gasthaus, und ein Bankett bei einem reichen Römer.
An diesen Orten erfährt der Leser viel über Sitten und Gebräuche, Politik und Soziales, Tabus und manches, was damals zum guten Ton gehörte und uns heute befremdlich vorkommt - wie zum Beispiel das Rülpsen bei einem guten Mahl.
Ein Glossar der verwendeten lateinischen Begriffe schließt das Buch ab.

Dieses außergewöhnliche Buch erlaubt es dem Leser, Rom tatsächlich zu sehen, und zwar nicht ein idealisiertes Rom der Reichen wie in den meisten "Sandalen"-Filmen, sondern Rom, wie es sich - bewiesen durch archäologische Funde - wirklich präsentierte.

Familiäre Strukturen, Sklavenwirtschaft, Mode, Kulinarisches, Hygiene, das Bauwesen und die Infrastruktur, die grausamen Kämpfe und anderen Veranstaltungen im Kolosseum, Spiele, Schule, Berufsausübung, das Netz sozialer Beziehungen, Sexualität und Sexualmoral und viele weitere Themen werden aufs Anschaulichste geschildert. Lebendig und farbenfroh präsentiert Angela sein antikes Rom, das zugleich jenes der Wissenschaftler ist: jedoch zu quirligem Leben erweckt.

Geschickt und ohne zu werten zieht der Autor Vergleiche zwischen Trajans Rom, unserer Zeit und anderen Epochen. Er zeigt auf, wie umfangreich das Erbe ist, das wir von den Römern übernommen haben, und wie verblüffend aktuell manche Probleme Roms anmuten, etwa die Landflucht und die somit aus allen Nähten platzenden und mit überteuerten Mieten aufwartenden Metropolen, die Kriminalität und das ausgeprägte multikulturelle Element.

Etliche Skizzen ergänzen die Texte, sodass sich der Leser zum Beispiel die Abläufe beim Anlegen einer Toga oder den Anblick einer Straßenflucht gut vorstellen kann. Am Ende vieler Kapitel findet man Infokästen mit "Verblüffenden Tatsachen", die in der Tat Erstaunliches bereithalten, etwa Details zu Ernährung und Demografie, die sich aus gefundenen Skeletten ableiten lassen, oder Einzelheiten zur Inszenierung jener Zirkusspektakel, in deren Rahmen zum Tode Verurteilte vorgeführt wurden.

Die Inhalte werden so anschaulich und spannend dargestellt, dass man wesentlich mehr Einzelheiten im Gedächtnis behält als bei der Lektüre eines trocken gehaltenen Sachbuchs klassischer Art. Deshalb bietet es auch die Möglichkeit, Jugendlichen auf unterhaltsame Weise einen authentischen Eindruck vom alten Rom zu vermitteln.
Ein sehr gelungenes Buch, das man kaum aus der Hand legen möchte!

(Regina Károlyi; 03/2009)


Alberto Angela: "Ein Tag im Alten Rom. Alltägliche, geheimnisvolle und verblüffende Tatsachen"
(Originaltitel "Una giornata nell'antica Roma")
Aus dem Italienischen von Julia Eisele.
Riemann, 2009. 413 Seiten.
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Alberto Angela wurde 1962 in Paris geboren. In Rom studierte er Naturwissenschaften. Als Paläontologe nahm er an zahlreichen Ausgrabungsprojekten in Afrika und Asien teil. Als populärer Fernsehmoderator für naturwissenschaftliche Sendungen ist er in Italien bekannt. Er ist Mitglied des "Istituto Italiano di Paleontologia" in Rom sowie am "Centro Studi e Ricerche Ligabue" in Venedig. Gemeinsam mit seinem Vater Piero, einem bekannten Archäologen, Journalisten und Autor, hat er bereits drei Bücher veröffentlicht.

Noch ein Buchtipp:

Titus Livius: "Römische Geschichte. Von der Gründung der Stadt an"

Wir leben in einer Zeit, "in der wir weder unsere Fehler, noch die Heilmittel dagegen ertragen können", schreibt T. Livius Patavinus (um 59 v. Chr. bis um 17 n. Chr.) im Proömium seines monumentalen Werkes über römische Geschichte /ab urbe condita/ (von der Gründung der Stadt an). In 142 Büchern antiker Zählung stellte er chronologisch in bemerkenswerter Anschaulichkeit und nicht ohne Anekdoten von hohem Unterhaltungswert, aber auch mit klaren und versteckten Stellungnahmen dar, was sich nach der Sage oder tatsächlich in Rom seit 753 v. Chr. bis zu seiner eigenen Lebenszeit unter Kaiser Augustus ereignete. Erhalten sind aus dem Gesamtwerk die Bücher 1-10 (753 bis 293 v. Chr.) und 21-45 (218 bis 167 v. Chr.), alles Übrige nur in Inhaltsangaben, Fragmenten und Zusammenfassungen. (marixverlag)
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