Zoran Živković: "Versteckte Kamera"
Skurrile
Reise zu den Ursprüngen des Lebens
Als der Ich-Erzähler, ein alleinstehender und auch ansonsten
nicht gerade geselliger Bestatter, eines Abends nach Hause kommt,
findet er an der Wohnungstür einen anonymen Brief mit einer
Kinokarte. Was er für eine originelle Werbe-Idee
hält, entpuppt sich als Auftakt zu einer höchst
skurrilen "Schnitzeljagd".
Denn im Kino ist er außer einer rätselhaften Dame
der einzige Besucher, und der Film zeigt ihn selbst neben ebendieser
Dame lesend auf einer Parkbank. Die Umstände, unter denen er
ins Kino gelockt und dort festgehalten wurde, erinnern ihn stark an die
"Versteckte Kamera"; er fühlt sich herausgefordert und
beschließt, das Spiel der Fernsehleute mitzuspielen und sie
womöglich auszutricksen.
Beim Verlassen des Kinos wird ihm ein weiterer Brief zugespielt, der
ihn in ein Antiquariat bittet. Auch dort begegnet ihm unerwartet die
geheimnisvolle, schöne Dame, im Vorübergehen und doch
so verführerisch, dass er sich der nächsten
Herausforderung nicht nur aufgrund seines Stolzes stellt, sondern auch,
um sie wieder sehen zu können. Zugleich versucht er, den
"Machern" der Sendung ein Schnippchen zu schlagen, was ihm jedoch nur
scheinbar gelingt. Brav absolviert er die nachfolgenden, immer
eigenartigeren Stationen seiner Reise, begleitet von zwei ihm und dem
Leser seit dem Kinobesuch bekannten, in den verschiedensten Rollen
auftretenden Personen und, stets nur ganz distanziert und
flüchtig, die schöne junge Dame.
Der Ich-Erzähler hat sich längst damit abgefunden,
dass die "Schnitzeljagd", die er nach wie vor für eine
Fernseh-Aufzeichnung hält, stündlich
verrücktere Überraschungen bereithält. Es
verwundert ihn daher nicht, als er am Ende zum Anfang
zurückgeführt wird: zu seinem Anfang und zum Anfang
jedes Lebewesens.
Liest man diesen Roman einfach zur Unterhaltung, so hat er bereits
einiges an Spannung und skurrilem Witz zu bieten - kein Teil der
Handlung lässt sich vorausahnen, obwohl das Vorgehen des
Ich-Erzählers durchaus logisch und überlegt wirkt.
Aber natürlich enthält Zoran Živkovićs Roman einen
Hintersinn, der nicht nur daraus besteht, dass dieses Buch sozusagen
Teil seiner selbst ist, weil im Antiquariat ein Buch ausliegt, als
dessen Autor der Protagonist angegeben ist - mit einem fünf
Jahre in der Zukunft liegenden Erscheinungsdatum und dem Titel des
vorliegenden Romans, der den Ich-Erzähler
schließlich zu einem eigenen Werk inspiriert.
Der Übergang zwischen Realität und (Alp-)Traum, die
Verführung
durch ein mehr oder weniger reales Traumbild
erinnern an
Arthur Schnitzlers "Traumnovelle", in der Sein und Schein
ähnlich verwischen. Hier wie dort nimmt der Tod eine
Schlüsselrolle ein. In "Versteckte Kamera" bewegt sich der
Protagonist scheinbar rückwärts durch die Zeit,
vom
Tod zur Geburt und vielleicht, jedoch
rückwärts
gewandt, von der Geburt zum Tod. Diese Abläufe werden mit
feinem Humor bis hin zur Absurdität hinterfragt, wobei sie von
ihrer Rätselhaftigkeit nichts einbüßen. Die
Liebe bleibt ein verschwommenes, geradezu surreales Phänomen,
dem nachzujagen letztlich sinnlos erscheint.
Zoran Živković erweist sich als kraftvoller Erzähler, der
keine stilistischen Extravaganzen benötigt, um
rätselhafte, eindrucksvolle Stimmungen zu schaffen und
Realität
und Traum miteinander zu verweben. Sein Roman fesselt
und klingt im Leser lange nach, denn er schneidet auf
ungewöhnliche Weise Fragen an, die uns unser ganzes Leben
hindurch bewegen und doch immer ein Geheimnis bleiben werden.
(Regina Károlyi; 02/2008)
Zoran
Živković: "Versteckte Kamera"
Aus dem Serbischen von Astrid Philippsen.
dtv, 2008. 218 Seiten.
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Zoran Živković, 1948 in Belgrad geboren, studierte an der philologischen Fakultät der Universität von Belgrad Literatur und promovierte 1982. Er lebt in Belgrad und hat seit 1993 zahlreiche Bücher veröffentlicht.