Michal Zamir: "Das Mädchenschiff"
Dieser
Roman der israelischen Autorin Michal Zamir hat in Israel einige
Diskussionen ausgelöst, beschreibt er doch ein
Phänomen, das über lange Zeit hochtabuisiert
war.
Im Zuge der Anklage gegen den damaligen Staatspräsidenten
Moshe Katzav wurde ein Thema in die Öffentlichkeit
gespült, das lange Zeit unter den Teppich gekehrt worden war:
die sexuelle Ausbeutung von Frauen, rangmäßig
nachgeordneten Frauen in der israelischen Gesellschaft, speziell aber
im Militär. Man kann sich vorstellen, wie stark der Skandal
zum Himmel geschrieen haben muss, dass es zu einer Anklage gegen den
mächtigen Staatspräsidenten reichte. Als Moshe Katzav
die klagenden Frauen in seiner Behörde nach Beendigung der
Affäre auf die Straße setzen ließ,
schlossen sich die Frauen und viele Unterstützer zusammen und
organisierten Demonstrationen. So wurde aus dem Kampf gegen sexuelle
Ausbeutung ein Streit um die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, wie
Michal Zamir in einem Interview feststellte.
Michal Zamir, Tochter des berühmten Mossad-Chefs Zvi Zamir,
der diesen Geheimdienst zur Zeit des Münchner Attentats auf
die israelische Olympiamannschaft 1972 anführte, war einst
selbst in jenem Camp als Soldatin
beschäftigt, das sie in ihrem Buch beschreibt. Der Roman sei
nicht autobiografisch, sagt sie: "Ich glaube, es hat viel mit
der israelischen Kultur zu tun, damit, wie sich die Geschlechterrollen
über das Militär definieren."
Michal Zamir erzählt, wie eine junge Israelin auf einem
Fortbildungsstützpunkt für höhere Offiziere
ihren Dienst antritt. Sie vergleicht den Stützpunkt mit einem
Schiff, das sie und die anderen Mädchen für zwei
Jahre auf ein fremdes Meer entführt. Die Mädchen
erfahren sehr schnell, dass sie den sexuellen Bedürfnissen der
Offiziere schutzlos ausgeliefert sind. Und doch ist der Roman nicht nur
ein Buch über
sexuelle Gewalt:
"Es ist ja nicht nur ein militärkritisches Buch,"
sagt Michal Zamir im erwähnten Gespräch. "Eher
ein Adoleszenzroman, in dem der Weg einer jungen Frau in der Armee
beschrieben wird, die bereit ist, einen hohen Preis zu zahlen; sie
opfert ihren Körper, unterwirft sich sexuell, um geistig
gesund und sie selbst zu bleiben. Zumindest, um später die
Wahrheit erzählen zu können - ihre eigene Wahrheit."
Diese Wahrheit ist erschütternd zu lesen, denn es ist nicht
etwa rein männliche Brutalität, die das beschriebene
Dilemma generiert, wie es manche radikale Feministinnen gerne glauben
machen wollen, sondern es ist die Bereitschaft vieler Frauen, in diesem
Konflikt, "dem spannendsten menschlichen Konflikt, den es
überhaupt gibt", wie Michal Zamir sagt,
mitzuspielen, aus den unterschiedlichsten Gründen.
Doch bei aller Kritik hinterlässt das Buch den bleibenden
Eindruck, dass es eine tiefgehende und umfassende weibliche Erfahrung
bleibt, quasi existenziell belästigt zu werden, in einer von
Männern dominierten Gesellschaft - und da ist das israelische
Militär nur die Spitze des Eisbergs - und ohne die
Bereitschaft zur auch sexuellen Kollaboration unterzugehen.
"Das Mädchenschiff" ist bei allem Ernst mit Humor geschrieben,
auch eingedenk der Einsicht der Autorin, dass es wegen der
biologischen
Differenzen "eine verlorene Schlacht ist",
für die Gleichheit zu streiten, obwohl sie nicht
aufhören wird, es zu tun.
(Winfried Stanzick; 02/2008)
Michal
Zamir: "Das Mädchenschiff"
(Originaltitel "Sfinat ha-Banot")
Übersetzt von Ruth Achlama.
Marebuch, 2007. 220 Seiten.
Buch
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