William Butler Yeats: "Irlands Königreich der Schatten"
Sagen und mystische Geschichten
Schätze
aus Irlands Schattenkönigreich
Es scheint gar nicht so einfach für einen Wanderer, in Irland
den richtigen Weg zu wählen. Entscheidet er sich
dafür, am Dunboyhügel vorbeizugehen, so lauert ihm
der alte Kapitän Burney auf, an der Friedhofsmauer erwartet
ihn der Kopflose, nimmt er aber den Weg über Hillside Gate,
dann hat er gute Chancen, auf die gespenstische Mrs. Stewart zu
treffen, und der Weg durch die Hospital Lane kommt auch nicht in Frage,
denn dort haust der Teufel höchstpersönlich. Aber es
kann in Irland auch passieren, dass eine Frau urplötzlich vom
Erdboden verschwindet, während sie einfach nur mit ihrem Mann
spazieren geht. So geschehen in einem Park in Sligo, im Nordwesten
Irlands. Wussten Sie eigentlich schon um eine ganz
eigentümliche Sportlichkeit der irischen Frauen? Wussten Sie
beispielsweise, dass einige irische Frauen so tanzwütig sind,
dass sie sich buchstäblich die Zehen abtanzen, oder wussten
Sie, dass es auf der grünen Insel alte Frauen geben soll, die
sich Boxhandschuhe von je 70 Kilo überstreifen, um damit junge
Männer zu verprügeln? William Butler Yeats hat es
gewusst,und er hat es uns in seinem Buch "Irlands Königreich
der Schatten" überzeugend kolportiert.
Ja, auch in Irland sind die dunklen Mächte heimisch, zwar sind
sie hier nicht so stark verwurzelt wie beispielsweise in Schottland,
doch sie sind immerhin präsent. William Butler Yeats ist auf
ihren Spuren gewandelt, um sie seinen Lesern nahe zu bringen. Und doch
überwiegt ganz eindeutig die Liebe in Irlands
Königreich der Schatten. Und neben der Liebe gibt es dort auch
noch viele andere Schätze, viel mehr als es auf Erden gibt.
Warum aber heißt es dann Schattenkönigreich? William
Butler Yeats gibt folgende Antwort: "In Irland sind diese
Welt und die Welt, in die wir nach unserem Tod gehen,
nicht weit
voneinander entfernt. Tatsächlich sind die Welten sich zu
bestimmten Zeiten so nah, dass es scheint, als wären unsere
irdischen Güter nur Schatten aus dem Jenseits." Und
Yeats erzählt auch von der Zuneigung, die in Irland zwischen
Menschen und Geistern herrscht. Die Geister in Irland besitzen
überdies Humor und treiben Schabernack mit den Menschen,
anstatt sie zu Tode zu erschrecken, wie ihre Kollegen aus dem
schottischen Hochland dies bisweilen tun. W.B. Yeats: "Ihr
Schotten, ihr habt euch die Dunkelheit zum Feind gemacht. Wir Iren
tauschen Höflichkeiten mit dem Jenseits aus."
Von Höflichkeit und tiefem Respekt getragen ist auch Yeats'
persönlicher Umgang mit der irischen Mythenwelt, den er uns in
diesen skizzenhaft angelegten Geschichten zum Besten gibt. Die
Geschichten entsprangen nicht etwa der Fantasie des Autors, er hat sie
lediglich zusammengetragen und aufgeschrieben, ähnlich wie
die
Gebrüder Grimm dies in deutschen Landen gemacht haben. Die
Stammbäume, von denen Yeats jene auch für den
heutigen Leser noch reizvollen und schmackhaften Früchte
gepflückt hat, die reichen mit ihren Wurzeln bis in den
Urgrund der Folklore hinein, "der ältesten der
Aristokratien des Denkens", als die William Butler Yeats sie
bezeichnet. Und im gleichen Atemzug fordert er seine Leser auf, mehr
Verständnis für das Fantastische aufzubringen, "da
doch der Mensch nur durch seine Vorstellungskraft zum Menschen wird."
Dieser Einschätzung möchte ich mich gerne
anschließen, und dann möchte ich noch dieses Buch
zum Kauf empfehlen; man erwirbt damit ein originelles, kleines
Schatzkästlein aus Irlands Königreich der Schatten.
Ein ausführliches Glossar am Ende des Buches sowie
Alexander Pechmanns informatives Nachwort erleichtern es dem
Leser, sich in der irischen Mythenwelt schnell heimisch zu
fühlen und auch nähere Bekanntschaft mit dem Autor
W.B. Yeats (Literatur-Nobelpreisträger 1923) zu
schließen. Eine rundum gelungene Neuausgabe!
(Werner Fletcher; 09/2008)
William
Butler Yeats: "Irlands Königreich der Schatten. Sagen und
mystische Geschichten"
Deutschsprachige Erstausgabe. Übersetzt und herausgegeben von
Alexander Pechmann.
Jung und Jung Verlag, 2008. 184 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
William
Butler Yeats, geboren am
13. Juni 1865 in Sandymount bei Dublin, gestorben am 28.
Jänner 1939 in Monaco, gilt als bedeutendster Poet Irlands und
als einer der einflussreichsten Literaten des 20. Jahrhunderts.
Weitere Lektüreempfehlungen:
William Butler Yeats: "Die Gedichte"
Eine Übersetzerin und vier der namhaftesten Lyriker in
deutscher Sprache haben
sich einer gewaltigen Aufgabe gestellt: Sie haben sämtliche
Gedichte, die Yeats
in mehr als 50 Jahren geschrieben hat, neu übersetzt. Damit
liegt zum ersten
Mal dieses reiche und in seiner poetischen Vielfältigkeit
nicht zu überbietende
lyrische Werk eines der bedeutendsten Dichter der europäischen
Literatur in
kongenialen Übersetzungen komplett auf Deutsch vor. Ein
Meilenstein in der Veröffentlichungsgeschichte
des genialen irischen Dichters.
Er beschwor die keltische Dämmerung und segelte in seinen
Träumen nach Byzanz,
er beutete sein Liebesunglück literarisch aus und lebte in
einer eigenen
esoterischen Welt. Er gründete ein Nationaltheater, besang den
Freiheitskampf
seines Volkes und wurde Senator des irischen Freistaats: William Butler
Yeats ist eine der vielseitigsten und widersprüchlichsten
Gestalten der
europäischen Moderne und unbestritten einer der ganz
großen Dichter des 20.
Jahrhunderts. In den fünfzig Jahren seines Schaffens haben ihn
alle großen
Zeitgenossen bewundert, für nachwachsende Lyrikergenerationen
wurde er immer
wieder zu einem der ihren.
1923 wurde er mit dem
Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Sein reiches, wildes und mit äußerstem Formwillen
geschriebenes lyrisches Werk
liegt hiermit erstmals vollständig auf Deutsch vor - in
komplett neu erstellten
Übersetzungen.
Dieser gewaltigen Aufgabe haben sich
Marcel
Beyer, Mirko Bonné, Gerhard Falkner und Norbert
Hummelt, vier der besten
deutschsprachigen Lyriker unserer Zeit, gestellt, dazu die
Übersetzerin Christa
Schuenke, die für ihre Übertragung der Sonette
William Shakespeares gefeiert
worden ist. Ihre kongenialen Übersetzungen treffen den Ton,
den Yeats
angeschlagen hat, in unserer heutigen Sprache. Ein Meilenstein in der
Veröffentlichungsgeschichte
dieses großen irischen Lyrikers. (Luchterhand Literaturverlag)
Buch
bei amazon.de bestellen
William
Butler Yeats: "Die geheime Rose"
Erzählungen. (Suhrkamp)
Buch
bei amazon.de bestellen
William
Butler Yeats: "Liebesgedichte"
Fast alle Liebesgedichte von William Butler Yeats sind an die
schöne
Schauspielerin und Agitatorin Maud Gonne gerichtet, die der Dichter
sein Leben
lang vergötterte, ohne von ihr erhört zu werden. Die
irische Unabhängigkeit,
die Maud Gonne mit feurigen Vorträgen betrieb, war ihr
wichtiger als die Erfüllung
dieser Liebe. Yeats' stürmische Werbung lässt sich
von Gedicht zu Gedicht
verfolgen. (Sammlung Luchterhand)
Buch
bei amazon.de bestellen
Richard
Ellmann: "Vier Dubliner. Wilde, Yeats, Joyce und Beckett"
"Oscar Wilde in Oxford", "W.B. Yeats' zweite Pubertät",
"James Joyce: Zwischen Leben und Kunst", "Samuel Beckett:
Neinsager aus Nirgendland". (Suhrkamp)
Buch
bei amazon.de bestellen
Leseprobe:
Aus dem Nachwort von Alexander Pechmann:
William Butler Yeats wurde am 13. Juni 1865 in Sandymount, Dublin,
geboren.
Seine Mutter, Susan Pollexfen, entstammte einer wohlhabenden
Kaufmannsfamilie
aus Sligo, einer kleinen Hafenstadt im Nordwesten Irlands. Sein Vater,
John
Butler Yeats, entschied sich trotz eines abgeschlossenen Jurastudiums
am
angesehenen Trinity College für eine unsichere
Künstlerexistenz und verließ
Irland wenige Monate nach der Geburt seines Sohnes mit seiner jungen
Familie, um
in London Kunst zu studieren und als Portraitmaler zu arbeiten. Yeats'
Kindheit
war von häufigen Umzügen, wechselhaften
Lebensbedingungen und der beständigen
Sehnsucht nach der Heimatstadt der Mutter geprägt: Der kleine
William und seine
Geschwister waren sich darin einig, London zu hassen, während
ihnen Sligo als
"schönster Ort der Welt" erschien. Zumindest die Sommerferien
durften
sie dort, im Haus der Großeltern, verbringen.
Die glücklichen Erinnerungen an kindliche Streifzüge
entlang der Meeresküste
und die zahllosen Geschichten, die die Mutter über das Leben
der einfachen
Fischer und Seeleute zu berichten wusste, standen im krassen Gegensatz
zu den
Erfahrungen, die Yeats an seiner Londoner Schule machte. (...)
Die widersprüchlichen Erfahrungen als Außenseiter,
die Yeats während seiner
Kindheit machte, können allerdings nur andeutungsweise
erklären, warum er sich
bereits in jungen Jahren von der protestantischen Tradition abwandte,
deren
materialistische Einstellung er verabscheute, ohne sich der
katholischen
Tradition zuzuwenden, deren Glauben er nicht teilen konnte. Er
fühlte sich
weder der einen noch der anderen Konfession zugehörig, doch
entdeckte er einen
dritten Weg, der aus den nationalen und religiösen
Streitigkeiten hinausführen
sollte und später zu einer wichtigen Grundlage seines
literarischen Werkes
wurde: Er fand ihn in der vorchristlichen Überlieferung
Irlands, in den uralten
ländlichen Bräuchen, dem heidnischen Aberglauben, der
seine Wurzeln in der
Kultur der Kelten hatte. (...)
Die Geschichten oder eher Skizzen dieses Buches, die den Aberglauben
und das
Weltbild der irischen Landbevölkerung des späten 19.
Jahrhunderts auf eine
sehr lebensnahe und liebevolle Weise dokumentieren, haben jedoch
verschiedene
Quellen, die bis in die Kindheit des Autors zurückreichen.
In seiner Autobiographie berichtet Yeats von seiner Mutter, die keine
Bücher
las und sich nicht für Literatur interessierte, aber gern
nachmittags beim Tee
mit ihrer Magd, einer Fischersfrau aus Sligo, plauderte. Sie
erzählten sich
Geschichten über die Fischer von Howth und die Lotsen von
Rosses Point, die
"von Homer hätten stammen können". Das Kapitel
"Dorfgespenster",
so Yeats, sei nichts anderes als die Wiedergabe eines solchen
Nachmittags,
"und manche prächtige Geschichte ist verlorengegangen, weil es
mir nicht
früher einfiel, Notizen zu machen." (...)
So bleibt "Irlands Königreich der Schatten" auch mehr als
hundert
Jahre nach seinem Erscheinen der frischeste und zugänglichste
Prosatext des großen
irischen Autors. Viele der darin enthaltenen Motive - der Bettler, der
Narr, die
Rose, der Stock aus Haselnussholz, die besondere Bedeutung des Wassers
- tauchen
in seinen späteren Dramen, autobiographischen Schriften und
Gedichten wieder
auf. Die Beschäftigung mit irischer Folklore, keltischer
Mythologie,
Okkultismus, Theosophie und platonischer Philosophie - die in diesem
kleinen,
unprätentiösen Buch immer wieder durchscheint -
bildete eine wichtige
Grundlage seines Denkens und Schreibens. Auch wenn Yeats sein
frühes Werk
lediglich als eine "Handvoll Träume" betrachtete, bleiben die
darin
enthaltenen Geschichten bis heute ein ebenso unverzichtbarer wie
vergnüglicher
Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit einem der
eigenwilligsten und
einflussreichsten Poeten des 20. Jahrhunderts.