Sarah Wiener: "Frau am Herd"
Natürlich, phantasievoll, verführerisch
Sarah Wiener am Herd. Köstlich.
Sarah Wiener ist Spitzenköchin und Fernsehköchin. Und sie ist eine der wenigen
Frauen, die sich in dieses männlich dominierte Genre eingeschlichen haben und
sich dort behaupten. Ihr neuestes Kochbuch hat sie nun provokant unter dem Titel
"Frau am Herd" veröffentlicht, wobei sie sich selbst damit in der
Tradition weiblicher Köchinnen sieht, die für die Mahlzeiten ihrer Familie
sorgen, die noch wissen, wie Gerichte schmecken sollen und was qualitativ
hochwertige Nahrungsmittel sind. Wenn man allerdings Kochsendungen im Fernsehen
verfolgt, dann kann man diesen Titel auch ganz anders lesen. Nämlich als
Selbstbehauptung in einer Welt männlicher Starköche, die sich nicht scheuen,
in ihren Sendungen über ihre Kollegin Sarah Wiener herzuziehen.
Was hat sie ihnen nur getan, kann man sich da fragen. Naja, könnte man lapidar
schlussfolgern, sie kocht, sie kocht gut, und sie ist erfolgreich.
"Natürlich, phantasievoll, köstlich" will ihre Küche für
unseren Alltag sein. Das Repertoire reicht von Salaten, Vorspeisen und Suppen über
Gemüse, Fleisch, Geflügel und Fisch bis zu Nudeln, Reis,
Kartoffeln,
Eiern und Mehlspeisen
sowie Nachspeisen und Kuchen. Jedes Kapitel wird mit einer Wareninformation
begonnen, die erklärt, wie Qualität zu erkennen und was dabei zu beachten ist.
Und die dabei sehr pragmatische Tipps gibt, fern jedes Öko-Fundamentalismus.
Immerhin stellt Sarah Wiener gleich zu Beginn fest, dass sie zwar nicht perfekt
ist, aber Nahrungsmittel und Kochen mit Respekt behandelt. Und ob Meersalz
angesichts der Verschmutzung des Meerwassers und der Küsten wirklich die
bessere Alternative zum Steinsalz ist, lässt sie offen und rät: Probieren Sie
einfach selbst aus, was besser schmeckt. Als Nächstes folgen in jedem Kapitel
Grundrezepte, die sich wunderbar als Einstieg ins eigene, fantasievolle Kochen
anbieten. Wenn man weiß wie z.B. Kartoffel-/Erdäpfelsalat prinzipiell
funktioniert und welche Spielarten in Spanien oder in Ligurien genossen werden,
dann bekommt man Lust, eigene Kreationen auszuprobieren, die auch die Aussicht
haben, gut zu schmecken. Denn darum geht es ja letztendlich bei der Kunst des
guten Kochens.
Beim Lesen von Sarah Wieners Rezepten hat man den Eindruck, sie hat ausgewählt,
was ihr selbst schmeckt. Ihrer Rezeptauswahl haftet etwas Fröhliches und auch
gleichzeitig etwas Widerspenstiges an. So gesellen sich bei den Fleischgerichten
zu Wiener Schnitzel und Wiener Beuschl (wer das wohl in Deutschland nachkochen
will?) Ossobuco und Saltimbocca, bei den Gemüsegerichten steht das Rezept von
Letscho neben dem einer Ratatouille. Die Botschaft heißt: Ob Coq au Vin oder
Brathendl, beides ist gut, beides hat seine Reize. Als Österreicherin in
Berlin, die für das Fernsehen kulinarische Abenteuer in Frankreich besteht oder
das Leben in einem Gutshaus um 1900 von der Küche aus gestaltet, ist ihre
Kochkunst auf wunderbare Weise grenzüberschreitend, um nicht zu sagen
gesamteuropäisch ausgelegt. Als Nachspeise gibt es da Grießschmarrn und Scheiterhaufen,
oder doch lieber Crepes mit Calvados? Der Germstriezel wird auch als Hefezopf
angekündigt, und ein österreichisch-deutscher "Rezeptdolmetscher" am
Ende des Buches erklärt den Rest. Stilmischung am Herd, zweisprachig serviert.
Das Kochbuch hat den Charme der schönen Köchin, die in ihren farbenfrohen
Kleidern und Blusen die Rezepte fotografisch begleitet. Fast hat es den
Charakter eines Kochbuches, das Lebensstil mit Kochen und Essen kombiniert. Muss
man aber ein Öko-Naturbewusstsein und die Ernährung mit glücklichen Hühnern
und noch glücklicheren Schweinen mit glücklichen Fotos dokumentieren? Ob das
Foto einer strahlenden Sarah Wiener mit einem süßen Ferkel am Arm meine Lust
zum Schnitzelessen erhöhen soll? Auch wenn es ehrlich ist, so hat es doch etwas
Zynisches an sich. Denn auch wenn ich Fleisch esse, ein Schwein ist keine
Karotte.
Aber trotzdem: Wareninformationen, Grundrezepte und Schritt-für-Schritt-Fotos
von Grundtechniken wie Zerteilung von Geflügel und Fisch oder dem Zubereiten
einer Biskuitroulade machen dieses Kochbuch zu einem brauchbaren Begleiter im
Kochalltag. Und zwar für Anfänger wie Fortgeschrittene, für Menschen, die
sich gerade erst ans Kochen wagen, aber auch an jene, die bereits die Grundlagen
beherrschen, sich aber gerne inspirieren lassen. Und es ist eine durchaus
gelungene Mischung an Altem und Neuem, Traditionellem und Kreativem. Für
Menschen, die gewohnt sind, zwischen bodenständigem, mediterranem und asiatischem
Essen zu pendeln.
(Brigitte Lichtenberger-Fenz; 10/2008)
Sarah Wiener: "Frau am Herd. Natürlich,
phantasievoll, verführerisch"
Knaur, 2008. 304 Seiten.
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Die aus einer
österreichischen Künstlerfamilie stammende Sarah Wiener,
geboren
am 27. August 1962, ist eine der bekanntesten Spitzenköchinnen
Deutschlands. Nach einer wilden Jugendzeit - sie verlässt das
Internat ohne Schulabschluss, reist durch Europa, lebt von
Gelegenheitsarbeiten
- entdeckt sie durch die Mitarbeit im Restaurant ihres Vaters Ossi
Wiener die Leidenschaft fürs Kochen. Inzwischen führt Sarah
Wiener drei Restaurants in Berlin, die sich größter
Beliebtheit erfreuen.
Lien zu Sarah Wieners Netzpräsenz:
https://www.sarah-wiener.de/.
Weitere Bücher von Sarah Wiener (Auswahl):
"Das große Sarah Wiener Kochbuch"
Als eine der wenigen Frauen unter Deutschlands Spitzenköchen hat
sich Sarah Wiener eine große Fan-Gemeinde "erkocht" und
präsentierte mit diesem Kochbuch ihr erstes populäres Werk.
In mehr als 150 Rezepten beweist Sarah Wiener, dass sie weniger
für aufwändige "Haute Cuisine" als vielmehr für
praktische Rezepte sowie für Frische und Qualität auf dem
Teller steht.
Ob österreichische, mediterrane oder asiatische Küche - Sarah Wiener versteht es, traditionelle Gerichte mit heimischen
Wildkräutern und
Gewürzen neu zu kombinieren
und sorgt damit immer wieder für kulinarische Überraschungen. (Knaur)
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"Meine kulinarische
Reise durch Frankreich. Eine Liebeserklärung mit Rezepten"
Mit ihrem roten Käfer-Cabrio fährt Sarah Wiener durch das Heimatland der
Feinschmecker. Die Erfahrungen auf den 30 Stationen ihrer Tour
de France
präsentiert sie hier als abwechslungsreiches Menü aus Geschichten über Land
und Leute, Koch-Anekdoten, Einkaufs-, Küchen- und Serviertipps, Rezepten und
Adressen. Miesmuscheln in der Bretagne, kleine Täubchen in Avignon, schwarzes
Schwein in den Pyrenäen, Kartoffelknödel im Elsass: Es sind nicht die
Hochburgen der "Haute Cuisine", die Sarah Wiener bereist, es sind die
lokalen Erzeuger, die Trüffelsucher, Muschelfischer oder Käseveredler. "Mich
interessiert die bodenständige und regionale
Küche. Die auf den ersten Blick einfach zu machen ist, aber doch immer
eine Raffinesse hat." Und bevor es in die Küche geht, müssen Schafe
gemolken oder Hühner eingefangen werden, und es gibt interessante Dinge über
die regionalen Spezialitäten und ihre Geschichte zu erfahren. Ob Boeuf
Bourgignon, Bouillabaisse oder das deftige Cassoulet, sie schaut nicht nur
hinein in die Töpfe ihrer Kochpaten in den französischen Restaurants, sondern
nimmt den Kochlöffel selbst in die Hand und kreiert ihre persönliche Version
der französischen Küchenklassiker. Daraus entstanden ist ein charmantes
Reise-Koch-Buch - zum Nachmachen. (Eichborn)
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"Sarah Wieners mediterrane Küche"
Frische, gesunde Zutaten, auf originelle Weise miteinander kombiniert - dafür
stehen Sarah Wieners Rezepte. Das Ergebnis ist eine moderne, sinnliche und
abwechslungsreiche Küche für unterschiedliche Ansprüche und Gelegenheiten:
einfache und raffinierte Gerichte, Klassiker der mediterranen Esskultur und neue
Kreationen der bekannten Köchin. Großzügig gestaltet, mit stimmungsvollen
Fotos von Fritz von der Schulenburg, ist dieses Kochbuch ein wahres Fest für
die Sinne. (Bloomsbury Berlin)
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