Ebi Naumann, Felix Eckhardt: "Der Wal kann sich nicht kratzen"


Das Buch ist klein, aber es ist wirklich fein

Wenn man den Text aus "Der Wal kann sich nicht kratzen" liest, dann wird klar, dass es sich bei dem vorliegenden Büchlein um etwas Außergewöhnliches handelt: ein liebevoll illustriertes Kleinod, das Kinder gleichermaßen wie Erwachsene ansprechen wird:

"Der Wal kann sich nicht kratzen.
Die Maus fängt keine Katzen.
Der Schatten sieht die Sonne nicht,
Ein Hinterteil ist kein Gesicht.
Dem Fisch macht niemand Beine,
auch Schlangen haben keine.
Der Esel kann nicht fliegen,
ein volles Glas nicht liegen.
Der Mond wird nie alleine sein.
Wer grade rausgeht, kommt nicht rein ...
Und ein Schaaf bleibt ein Schaaf, weil's nicht in die Schule daaf.
Was oben ist, das ist nicht unten, die Zeit hat Zeit, auch noch nach Stunden.
Das Huhn kann keinen Handstand machen.
Wer traurig ist, der mag nicht lachen.
Wer Angst hat, ist nicht gern allein und schläft am Abend nicht gut ein.
Drum schenk ich Dir den 'Immerdann',
der immer dann Dir helfen kann,
wenn Du ihn in Gedanken siehst,
sobald Du Deine Augen schließt ..."

Witzig, poetisch, skurril, herzlich: Diese Worte fallen dem Leser spontan ein. Beim erneuten Durchblättern zeugen diese kurzen Sätze vielleicht von geheimen Wünschen und Gefühlen, sie sprechen von Freundschaft, Liebe und Sehnsucht.
Wie man damit 40 Seiten füllen kann, das mag man sich schwer vorstellen, obwohl das Druckwerk von seinen Ausmaßen auch etwas aus dem Rahmen fällt. Dieses poetische Bilderbuch mit knapp 16 x 12 cm weist eher Westentaschen-, als Bücherregalformat auf. Doch das hat durchaus seine Vorteile, denn "Der Wal kann sich nicht kratzen" kann überallhin mitgenommen werden.

Hat man dieses Büchlein erst einmal aufgeschlagen, wird man unweigerlich in seinen Bann gezogen. Denn Felix Eckhardts Illustrationen sprechen eine Sprache eigener Art. Sie sind das I-Tüpfelchen des schwarz-weißen Textes. Die fantasievollen, sphärischen Bilder, einmal witzig und skurril, dann wieder melancholisch und verträumt, erzählen allein schon eine Geschichte. Zusammen mit dem Text jedoch atmen, ja leben sie.

Da sitzen zum Beispiel ein trauriges Mädchen und ein rosa Schweinchen in einem Zugabteil, und Hund und Vogel versuchen es mit Grimassen aufzuheitern - "Wer traurig ist, der mag nicht lachen." Oder im Hühnerstall hängt ein Huhn verkehrt herum an der Stange, und die Artgenossen schauen erstaunt drein - "Das Huhn kann keinen Handstand machen." Nur eines scheint sich für die akrobatischen Künste des anderen nicht zu interessieren. Dieses hört lieber Walkman. Witzig wiederum das alte Familienfoto: "ein Hinterteil ist kein Gesicht".

So hat Felix Eckhardt für jede poetische Zeile von Ebi Naumann, der übrigens 2006 als Übersetzer den Spinat essenden Comic-Helden "Popeye" für den deutschsprachigen Leser neu entdeckte, ein visuelles kleines Meisterwerk kreiert, wohltuend in Farbauswahl und kreativ im Motiv.
Gewidmet ist dieses Buch übrigens der deutschen Verlegerin Gertraud Middelhauve (1929-2004).

Fazit:
Angelehnt an die Worte des Autors:
Ein wunderbares kleines Geschenk für jemanden, den man mag;
egal ob groß oder klein, dieses Buch eignet sich für jeden Tag.

(Heike Geilen; 05/2008)


Ebi Naumann, Felix Eckhardt: "Der Wal kann sich nicht kratzen"
Subito-Verlag, 2006. 40 Seiten.
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