Elke Heidenreich: "Eine Reise durch Verdis Italien"
Flieg, Gedanke ...
Schöngeist,
Freiheitskämpfer
und Bauer
Am 10. Oktober 2008 jährte sich der Geburtstag eines
aufbrausenden,
temperamentvollen und dabei doch wortkargen und in sich gekehrten
Mannes zum
195. Mal. Nicht nur seine Musik ist legendär, sondern auch
seine Sensibilität
und Menschlichkeit sind in die Geschichte eingegangen. An sie erinnert
die von
ihm gegründete "Casa Verdi" in Mailand, ein Altersheim
für mittellos
gewordene Musiker an der Piazza Buonarotti. Hier sind der
große Komponist und
seine zweite Ehefrau, die Sängerin Giuseppina Strepponi,
begraben. Die Rede ist
natürlich von dem großen italienischen Komponisten
Giuseppe Verdi.
Elke Heidenreich hat sich nach Italien begeben, um in die noch immer
vorhandene
Aura des Künstlers einzutreten und ihre ganz
persönliche Geschichte mit Verdi
zu erzählen.
Dabei hat sie nicht vor, Neues hinzuzufügen, denn "alles,
alles ist über
Giuseppe Verdi schon geschrieben worden, von Bewunderern, Kritikern,
Anbetern,
Musikwissenschaftlern. Es gibt nichts, was ich dem noch
hinzufügen könnte. Ich
kann und will auch nicht mit überwältigenden neuen
Recherchen aufwarten. Ich
kann im Grunde nur meine eigene Geschichte von Verdi erzählen,
dessen Foto
goldgerahmt auf meinem Schreibtisch steht: ein weißhaariger,
klug blickender
alter Herr von über achtzig Jahren, mit Samtjacke und Fliege,
ein leises Lächeln
unter einer scharfen Nase (...) der, wie seine zweite Frau Giuseppina
Strepponi
sagte, im Alter immer schöner wurde."
Entstanden ist ein wunderbar empathisches Hörbuch, das
stimmungsvolle Bilder
der Emilia Romagna - Verdis Heimat - zeichnet und erstaunt feststellt,
dass über
hundert Jahre nach seinem Tod immer noch eine ganze Menge von ihm
spürbar ist.
Das sind nicht nur die unzähligen Geschäfte, Hotels,
Cafés, die seinen Namen
tragen, sondern es gibt zum Beispiel auch eine "Salame [Salami] Verdi"
oder aber Pizze die mitunter "Aida", "Otello", "Nabucco"
oder "Don Carlo" heißen.
Seine Musik ist natürlich immer noch allerorts zu
hören. "Kaum ein
besseres italienisches Restaurant kommt ohne seine Musik aus, und in
jeder
kleinen und erst recht großen
Oper werden seine Stücke aufgeführt, der
Saal
ist voll, man kennt die Melodien und summt mit",
verrät Elke
Heidenreich. 28 Opern, ein wenig geistliche und Kammermusik sowie drei
Kantaten
stammen aus der Feder des italienischen Komponisten. Verdi hatte ein
unnachahmliches Gespür, den Gesang der inneren Dramatik eines
Librettos
anzupassen und nahm selbst immer großen Einfluss auf die
Handlung seiner Werke.
Doch in der Hauptsache war es seine Musik, die ihn - auch wenn er zum
Symbol für
den Freiheitskampf
Italiens, das in jenen Jahren um seine Einheit rang, wurde -
bei allen populär gemacht hatte. Seine Arien nahmen den
Charakter von
Massenschlagern an. Bei Opernaufführungen wurden sie
minutenlang gefeiert, man
sang sie in den Osterien und auf der Straße, und selbst die
Kinder pfiffen die
Melodien.
Was dem Hörbuch - im Gegensatz zur gebundenen Ausgabe - an
Visualisierung
fehlt, wird durch die wundervolle Musik mehr als ausgeglichen. Neun -
zum Teil
historische Mitschnitte - "entschädigen" um ein Vielfaches. Zu
hören
sind zum Beispiel das berühmte "La donna è mobile"
aus seinem "Rigoletto",
"Celeste Aida" aus "Aida" oder eine Aufnahme aus dem Jahr
1946, in der der "Westminster Chor" und das "NBC Symphony
Orchestra" die berühmte Ouvertüre "Va pensiero" aus
dem "Nabucco"
dem Hörer Schauer der Ergriffenheit über den
Rücken jagen.
Elke Heidenreich nimmt in gewohnt entspannter und lockerer
Atmosphäre mit, auf
eine Reise, die in Le Roncole, in Verdis Geburtshaus beginnt, bis nach
Sant'Agata, seinem kreativen Rückzugsort. Sie bereist Florenz,
Bologna und
Parma, wo Verdi mit den Aufführungen seiner Werke
große Erfolge feierte oder
aber betritt solch berühmte Opernhäuser wie "La
Scala" in Mailand
und "La Fenice" in
Venedig.
Letztendlich hat sie nicht nur ein liebevolles, ja
beinahe zärtliches Bild dieses Mannes gezeichnet, der sie
bereits seit frühester
Kindheit begleitet, sondern sie skizziert ein ebenso stimmungsvolles
Bild von
Verdis Italien.
Zum Abschluss macht die Autorin noch einmal Halt in Busetto und erlebt
in einem
kleinen Lokal den "perfekten Augenblick": "Momente
wunderbaren Glücks, in denen alles stimmt, die Luft, das
Licht, die Umgebung.
Das Herz kommt zur Ruhe, die Seele fliegt, und die Zeit könnte
stillstehen.
Weil es aber bleibendes Glück nicht gibt, steht sie nicht
still. Doch das nimmt
dem Augenblick nichts von seiner Kostbarkeit. (...). Wie viel haben wir
den Künstlern,
wie viel haben wir der
Musik, wie viel haben wir Verdi zu verdanken.
Zum
Beispiel solche Augenblicke, die unser Leben, aneinandergereiht, zu
einem glücklichen
machen."
Elke Heidenreich hat mit ihrem Hörbuch einige für den
Hörer erlebbar gemacht.
(Heike Geilen; 10/2008)
Elke
Heidenreich: "Eine Reise durch Verdis Italien. Flieg, Gedanke
..."
Gekürzte Lesung. Sprecherin: Elke Heidenreich.
Random House Audio, 2008. 2 Audio-CDs; Spieldauer ca. 146 Minuten.
Hörbuch-CDs
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Buchausgabe:
Frederking & Thaler, 2008. 224 Seiten, 200 farbige Abbildungen.
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Einige
Buchtipps:
Lea Singer: "Verdis letzte Versuchung"
Giuseppe Verdi und seine Frau Giuseppina galten als ein
glückliches Ehepaar, als er die Sopranistin Teresa Stolz
kennenlernte - ausgerechnet bei Proben zu "Die Macht des Schicksals".
Giuseppina, einst selbst eine umjubelte Primadonna, musste erdulden,
dass die junge Diva immer wichtiger wurde für ihren Mann. 1871
trennte Teresa sich von ihrem Verlobten, 1872 sang sie in der
italienischen Erstaufführung die "Aida". Von da an spitzte
sich das Drama zu. Von Giuseppina zur Entscheidung genötigt,
protestierte Verdi: "Diese Frau bleibt, oder ich
erschieße mich." Es passierte, was Verdi ein Leben
lang vermeiden wollte: Sein Privatleben wurde Anlass für
Klatsch, Gerüchte und Schlagzeilen. Doch schließlich
verbrachten sie ihre Urlaube zu dritt. Giuseppina bedachte die
Konkurrentin sogar in ihrem Testament. Wie es dazu kam, ist ein
bewegendes menschliches Abenteuer. Und eine Reise ins Innere von
Giuseppe Verdi. (Edition Elke Heidenreich)
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Christoph Schwandt:
"Guiseppe Verdi. Die Biografie"
Giuseppe Verdi (1813-1901) war schon zu Lebzeiten der
berühmteste Italiener seiner Zeit. Christoph Schwandt
schildert den Weg des großen Künstlers und
eigensinnigen Bürgers und lässt seine unsterblichen
Werke wiederauferstehen, die bis heute in den Opernhäusern
gespielt werden. (Insel)
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Anselm Gerhard, Uwe Schweikert (Hrsg.):
"Verdi-Handbuch"
Don Carlos, Otello, Falstaff ... - das Handbuch stellt alle 26 Opern
und die weiteren Werke Verdis einzeln vor. Es zeigt auch Verdis Weg bei
der Entstehung seiner Opern: vom Libretto über Komposition,
Stimmtypen, Vers-Vertonung bis zur Aufführung. Zeit- und
Theatergeschichtliches vermitteln, warum die Oper
- nicht zuletzt durch Verdis Beitrag - im 19. Jahrhundert so beliebt
war. In der 2., stark überarbeiteten Auflage mit vielen neu
verfassten Beiträgen und neuen Kapiteln zu
Kompositionstechnik, Verdi-Renaissance nach 1918, Verdi-Dirigenten u.
v. m. (Metzler)
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Georg
Titscher: "Viva Verdi. Ein biografischer Opernführer"
"Viva Verdi!" Dieser Ausruf wurde zum Synonym für das
Risorgimento, der italienischen Einheitsbewegung, und der Komponist
damit zum politischen Aushängeschild. Verdi ging es aber nie
nur um politische Aussagen, auf die vor allem seine Jugendopern
häufig reduziert werden, sondern immer auch um das
individuelle Schicksal seiner Protagonisten. Die musikalische und
dramatische Gestaltung emotionaler Glaubwürdigkeit und
Wahrhaftigkeit der Situationen haben absolute Priorität
für den Komponisten und sind der Grund für den
zeitlosen Erfolg seiner Opern. Im Zentrum steht dabei immer die
Darstellung von Beziehungen, vor allem der auch heute noch aktuellen
innerfamiliären Konflikte. Erstmals werden alle achtundzwanzig
Opern mit genauer Inhaltsangabe, Entstehungsgeschichte und dem
biografischen Hintergrund Verdis vorgestellt, kommentiert und mit ihrem
psychologischen und sozialen Hintergrund analysiert. (Amalthea)
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Norbert Abels: "Verdi
und Wagner. Das Jahrhundert der Oper"
Das 19. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Oper. In der damals
beliebtesten Kunstform erstand die Geschichte nochmals neu. In ihr
offenbarte sich die epochale Neugier am Fremden und Exotischen ebenso
wie die verklärende Rückwendung zum in sich ruhenden
Mittelalter samt Gralswelt und Wunderheilungen. Im Jahr 1813 wurden
zwei der bedeutendsten Komponisten der Musikgeschichte geboren:
Giuseppe Verdi und
Richard
Wagner. Persönlich begegnet sind sie sich nie. Aber
Verdi (1813-1901) und Wagner (1813-1883) verkörpern zwei
grandiose Entwürfe des Musiktheaters in seiner reinsten Form.
Und sie repräsentieren zugleich die jeweilige nationale Kultur
und Politik des Landes, aus dem sie stammen. Italien und Deutschland
fanden sich in den Werken "ihrer" beiden Künstler wieder - mit
allen Widersprüchen, allem Pathos, allen genialen
Einfällen und Erfindungen, allen Verblendungen und Obsessionen.
Norbert Abels, Chefdramaturg der Oper Frankfurt und Professor
für Musiktheaterdramaturgie an der Folkwang-Hochschule Essen,
nahm den doppelten 200. Geburtstag zum Anlass, ein
ausführliches Porträt der beiden Musiker zu
entwerfen. Er beschreibt anschaulich und spannend ihre
Lebensgeschichten und ihre wichtigsten Werke - von "Nabucco" bis
"Aida", vom "Fliegenden Holländer" bis zum "Ring des
Nibelungen". Und er entwirft darüber hinaus ein
großartiges Panorama der Kulturgeschichte im Zeitalter der
Nationalstaaten, vor dem Anbruch der Moderne. (Rowohlt)
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Anselm Gerhard: "Guiseppe Verdi"
Anselm Gerhard, ein ausgewiesener Verdi-Spezialist, legt eine ebenso
informative wie anregende Verdi-Biografie vor. Darin schildert er nicht
nur die Selbstinszenierung des "Bauern von Sant' Agata", sondern
beschreibt kenntnisreich die persönlichen, gesellschaftlichen
und politischen Rahmenbedingungen, die Verdis Leben prägten,
sowie die musikhistorischen und literarischen Produktionsbedingungen,
unter denen seine Kompositionen entstanden. (C.H. Beck)
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