Galsan Tschinag: "Die Rückkehr"
Roman meines Lebens
"Die Rückkehr" ist das
neueste Werk Galsan Tschinags, eines der wohl außergewöhnlichsten Autoren der
heutigen Zeit. Bei dem 255-seitigen gebundenen Buch, das im August 2008 im
Insel-Verlag erschien, handelt es sich um eine Autobiografie Tschinags.
Galsan Tschinag wurde 1944 in der Mongolei geboren, studierte ab 1962 jedoch
Germanistik in Leipzig und begann zu dieser Zeit auch mit dem Schreiben - in
deutscher Sprache. Seither lebte Tschinag ein geteiltes Leben, hin und her
gerissen zwischen seinem Ursprung im Schoß eines tuwinischen Stammes und der
Moderne. Mitte der Neunzigerjahre war es Tschinag, der den in der ganzen
Mongolei verstreuten Stamm der Tuwa-Nomaden wieder zusammenführte. Letztlich
stand Tschinag vor der Entscheidung, sein Leben wie bisher auch weiterhin zu führen
oder eine Entscheidung zu treffen, der einen oder der anderen der "Welten",
in denen er gleichermaßen zu Hause war, den Rücken zu kehren. Tschinag
entschloss sich dazu, mit seiner Familie in den Schoß des Stammes zurückzukehren,
und von dieser Reise und seinem Dasein als Stammesoberhaupt erzählt dieser
autobiografische Roman.
Das Buch setzt an einer Stelle ein, die die vorangegangene und zu dem Zeitpunkt
noch laufende Entscheidungsfindung besonders gut darstellt. Tschinag hat seinen
Stamm noch nicht erreicht, die Großstadt jedoch bereits verlassen. An dieser
Stelle sowie immer wieder im Verlauf des Buches sieht sich Tschinag vor Probleme
gestellt, ist er auf der Suche nach dem richtigen Weg: für sich, seine Familie
und seinen Stamm.
Tschinags Erzählstil ist etwas Besonderes, zugleich ist es aber auch nicht
allzu leicht, sich in diesen einzulesen. Seine Sätze sind fragmentiert, wirken
durch zahlreiche Kommata beispielsweise fast schon zerrissen, zugleich geht aber
auch eine besondere Faszination von ihnen aus. Sie wirken sachlich und zugleich
poetisch, was sich selbstredend letztlich auch auf den Inhalt zurückführen lässt.
Tschinags Gedanken, Entscheidungen, Erinnerungen und Träume sind sachlicher
Natur, modern, aber ebenso spirituell geprägt. So spricht Tschinag etwa völlig
selbstverständlich mit seinem inneren Menschen und wirft immer wieder
Sinnfragen
auf, deren Antworten er vor allem in sich selbst und in der ihn umgebenden
Natur
sucht.
Ein wenig befremdlich bei all diesen Feinheiten und den spirituellen Inhalten
des Buches wirken die doch auch sehr selbstbezogenen und eitlen Szenen. Sie
fallen auf, weil sie im Gegensatz zu dem
Wunsch
nach Einheit und alter Lebensweise stehen, und sie sind es auch, die
besonders nachhaltig irritieren.
Für ein Werk Galsan Tschinags braucht man als Leser selbst eine gewisse innere
Ruhe und die Bereitschaft, sich auf seine ganz besondere Schreibweise
einzulassen. Daher empfiehlt sich vor dem Kauf in jedem Fall, in die ersten
Seiten des Buches hinein zu schnuppern. Wen diese ersten Seiten gefangen nehmen,
wird sicherlich auch von dem Rest begeistert sein, der autobiografisch,
romanhaft, spannend, spirituell und zuletzt sicherlich auch von einem gewissen
soziologischen Wert ist.
(Tanja Thome; 11/2008)
Galsan
Tschinag: "Die Rückkehr. Roman
meines Lebens"
Insel, 2008. 255 Seiten.
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Noch ein Buchtipp:
"Der singende Fels. Schamanismus, Heilkunde,
Wissenschaft.
Galsan Tschinag im Gespräch mit Klaus Kornwachs und Maria Kaluza"
Galsan Tschinag und Klaus Kornwachs - Schamane und Technikphilosoph - tauschen
sich unter der Gesprächsleitung von Maria Kaluza aus. Zu ihren vielfältigen
Themen gehören Fragen nach dem Individuum in seiner Gemeinschaft, Natur und
Technik, die Vereinbarkeit von westlicher und östlicher Spiritualität, die
unterschiedlichen Konzepte von Gesundheit und Heilung, der Umgang mit Träumen,
Tod und einem Leben danach.
In diesem Trialog ohne Scheuklappen suchen die drei Partner Verwandtschaften und
stellen die Unterschiede fest. Dass in vielen wissenschaftlichen Konzepten des
Westens die Erfahrungen des Ostens ihren Platz finden, führt sie zu
überraschenden Erkenntnissen. Das Ergebnis ist ein ebenso erhellender wie
provozierender und kurzweiliger Brückenschlag zwischen verschiedenen Formen des
Wissens um diese unteilbare Welt. (Unionsverlag)
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