Ahmed Toufiq: "Abu Musas Nachbarinnen"
Der marokkanische Autor Ahmed
Toufiq, seit einigen Jahren Minister für islamische Angelegenheiten, schrieb
die 212 Seiten umfassende Geschichte "Abu Musas Nachbarinnen" bereits
1997. In deutscher Sprache ist sie seit September 2008 erhältlich, und zwar als
gebundene Ausgabe des Insel-Verlages.
Der Klappentext führt den potenziellen Leser leider sehr in die Irre: "Die
Schöne und der Heilige - eine Geschichte aus dem Marokko des 14. Jahrhunderts:
lebendig, farbig, überraschend, mit einem Regenwunder zum Schluss, das Abu
Musa, unterstützt von der schönen Schama und den Nachbarinnen, herbeiführt -
wofür er bezahlen muss." Das ist offen gesagt sicher nicht der erste
Titel, den man in einer Buchhandlung in die Hand nimmt, um dann gleich mit ihm
zur Kasse zu gehen. Es ist bedauerlich, dass an dieser Stelle so vieles
verschenkt wurde, wenn es darum geht, Leser zu gewinnen, denn so muss dieser
Titel vornehmlich mit Kennern des Ganzen und Empfehlungen auskommen.
Abu Musa, auch wenn er titelgebend ist, ist bei dieser Geschichte im Grunde nur
eine Hauptfigur von zweien. Im Mittelpunkt steht Schama und ihr Leben, und erst
viel später macht sie die Bekanntschaft Abu Musas und kommt diesem eine - wenn
auch ganz besondere - Bedeutung zu.
Schama ist eine Sklavin, die redlich bemüht ist, ihr Bestes zu geben und streng
auf ihren Lebenswandel zu achten. Sie ist frei von Neid, von Eifersucht und
anderen negativen Empfindungen. Schama legt großen Wert auf die kleinen Dinge
des Lebens, ist für ihre Mitmenschen da und zieht große Freude aus ihrer
Arbeit. Negatives Denken ist Schama völlig fremd, denn ihr Glaube ist stark,
und so sieht und findet sie Sinn in allem, was ihr widerfährt.
Schamas erste Ehe ist ein mehr oder minder geheimes Fiasko, da ihr Gatte nicht
in der Lage ist, die Ehe zu vollziehen, und schon in dieser Ehe zeigt sich, dass
der Statthalter Dscharmun einen großen Schatten über Schamas Leben zu werfen
vermag - und dieser Schatten zieht sich durch ihr weiteres Leben. Als Schama
sich in den Kunsthandwerker Ali Sancho verliebt und ihn heiratet, spitzt die
Situation sich zu: Dscharmun setzt alles daran, den beiden
das Leben zur Hölle
werden zu lassen, wobei Ali, ein ehemaliger Christ, ihm reichlich Stoff und
Gelegenheit dazu bietet. Doch auch andere Menschen tyrannisiert der Statthalter,
so dass die reichhaltige Handelsstadt nach und nach an Leben und Freude einbüßt.
Letztlich sind es nur Ali, Schama und der rätselhafte Asket Abu Musa, die im
Handelshaus der Stadt verbleiben, obwohl dieses nach und nach von Frauen mit
zweifelhaftem Ruf bevölkert wird. Dann wird die Stadt von einer andauernden Dürre
geplagt, und es ist an Abu Musa und Schama, diese zu beenden ...
Dem europäischen Leser dürfte die Lektüre zunächst etwas schwer fallen, da
zahlreiche orientalische Namen genannt werden, von denen man nicht recht
zuzuordnen weiß, welche es zu behalten gilt und bei welchen es sich um
Nebenfiguren handelt. Das zeitgleiche Eintauchen in ein zeitweise märchenhaft
anmutendes Marokko des vierzehnten Jahrhunderts bringt viel Neuartiges mit sich,
das sich beim Leser erst einmal setzen muss.
Einmal begonnen, wird man das Lesen dieses Buches jedoch nicht so rasch wieder
aufgeben, denn "Abu Musas Nachbarinnen" ist von Anfang an ein
bezauberndes Buch. Hier trifft die Beschreibung des Klappentextes dann auch sehr
wörtlich zu, denn der Roman ist so farbig, dass man ihn getrost als schillernd
bezeichnen kann, ist märchenhaft und zugleich spannend, ist höchst spirituell
und dennoch realistisch.
Ein paar Brüche innerhalb des Buches stellen den Leser allerdings im Verlauf
nochmals auf die Probe. So ist der plötzliche Bruch der fließenden Geschichte
und stattdessen das plötzliche Einbinden der Biografie diverser unbekannter
Frauen überraschend und auch nach der Gesamtlektüre nur halbwegs in den
Kontext der Gesamtgeschichte und eine gesamte Kontinuität einzufügen.
"Abu Musas Nachbarinnen" ist eine sehr poetische und schillernde Erzählung,
die es zu lesen lohnt, egal ob zur reinen Muße und Unterhaltung, aus
Interesse
am Orientalischen, Historischen oder Spirituellen an sich.
(Tanja Thome; 11/2008)
Ahmed Toufiq: "Abu Musas
Nachbarinnen"
(Originaltitel "Dschârât Abî Mûsâ")
Aus dem Arabischen von Imke Ahlf-Wien.
Insel, 2008. 212 Seiten.
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