Viktorija Tokarjewa: "Liebesterror"
Und andere Erzählungen
Die
Moskauer Autorin Viktorija Tokarjewa ist auch im deutschsprachigen Raum
als
recht bekannt zu bezeichnen. Selbst Alice Schwarzer widmete ihr in
ihrer
Zeitschrift "Emma" schon ein paar Zeilen.
Im April 2008 veröffentlichte der Diogenes-Verlag vier
Erzählungen der Autorin
rund um die Liebe in einem gebundenen Buch mit dem Titel
"Liebesterror".
Der Titel des 217-seitigen Buches, das von Angelika Schneider
übersetzt wurde,
kommt nicht von ungefähr, denn tatsächlich ist
einiges los in diesen
russischen Liebesgeschichten, die nicht ganz so sind, wie man sich eine
Liebesgeschichte gemeinhin vorstellt.
In der titelgebenden Geschichte ist es die Liebe an sich, die innerhalb
der
Geschichte immer wieder aufgegriffen wird. Tokarijewa war nicht
sparsam, alle
erdenklichen Formen gemeinsam in eine einzige Erzählung zu
bringen:
verschiedene Liebesbeziehungen zwischen Mann und Frau, die Liebe einer
Mutter
und deren Wechselwirkungen, aber auch die Liebe zum
Leben, zu einem
bestimmten
Stil und derlei mehr.
In der zweiten Geschichte, "Salto Mortale", findet man sich da schon
viel eher zurecht. Allerdings umfasst diese auch nur etwa ein Sechstel
der
ersten Geschichte, denn "Salto Mortale" - die von zwei Menschen, die
im Leben stehen, obwohl sie aus selbigem gerissen wurden, und sich
genau so, wie
sie danach zurückgeblieben sind, finden, handelt - umfasst
gerade einmal
zwanzig Seiten.
"Von unserem Fenster aus" beschreibt die eigenartige Liebe zwischen
einem Mann und einer Frau, die eine gemeinsame Nacht miteinander
verbringen,
nicht wirklich mehr voneinander wollen und unabhängig davon
auch bereits
Beziehungen führen, die aber auch nicht ganz von einander
lassen können. Dass
eine derart emotional eigentümliche, aber starke Bindung sogar
lebensrettend
sein kann, erzählt die Autorin in dieser Geschichte.
Zuletzt trifft der Leser dann doch noch auf die wahre, schöne,
romantische und
edle Liebe. Wobei ... ganz so edel ist sie dann auch wieder nicht,
zumindest die
Hintergründe sind es nicht. Liebe bis in den Tod und
darüber hinaus - herzzerreißender
Schluss für eine Sammlung von Erzählungen in einem
Band.
Tokarjewas Buch erfordert jedoch eine besondere Art von Lesern.
Entweder solche,
die beim Lesen überhaupt nicht weiter über die eben
gelesenen Inhalte
nachdenken (was natürlich schade wäre), solche,
für die Moral so relativ ist
wie für die einzelnen Figuren in Torkarjewas Geschichten,
vielleicht reichen
aber auch schon solche, die sich auf die doch recht intensiv
geschilderten
Geschichten, die scheinbar mitten aus dem russischen Alltag gerissen
wurden, gut
einstimmen können.
Ganz so leicht wird es einem allerdings nicht gemacht. Zwar sind die
Geschichten
nachvollziehbar, teils sehr realitätsnah und offen
beschrieben, doch fehlt es
an Wortwitz und auch an Variationen. Die böse Mutter oder
Schwiegermutter zieht
sich fast wie ein roter Faden durch die völlig
unabhängig voneinander
existenten Geschichten, und auch Affären und Ehen laufen in
Russland immer
gleich ab, enden schlecht und sind in dieser Form an der Tagesordnung,
könnte
man meinen.
So kann man sich zwar mit "Liebesterror" ganz gut unterhalten und
einige russische Eigenarten wieder erkennen oder kennen lernen, aber so
ganz
"rund" ist diese Sammlung leider nicht geworden.
(Tanja Thome; 05/2008)
Viktorija
Tokarjewa: "Liebesterror. Und
andere Erzählungen"
(Originaltitel "Terror ljubovi")
Aus dem Russischen von Angelika Schneider.
Gebundene Ausgabe:
Diogenes, 2008. 217 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Diogenes, 2010.
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