Martin Suter: "Der letzte Weynfeldt"
Leben ist eine Kunst; Kunst ist Leben
Der letzte Weynfeldt ist der letzte, selbst schon in die Jahre
gekommene Spross
einer wohlhabenden bürgerlichen Familie in Zürich.
Eigentlich müsste er nicht
arbeiten und könnte als 54-jähriger promovierter
Kunsthistoriker
ein beschauliches Leben in seinem gut gesicherten innerstädtischen
Haus führen, das er mit einer nicht minder distinguierten Bank teilt.
Als hochgebildeter Experte für Schweizer Kunst des 19. und
frühen 20. Jahrhunderts und als Auktionator hat er eine einmalige und auch ein
wenig einsame gesellschaftliche Position erreicht: Den Tagesablauf und die
Bedienung technischer Gerätschaften wie Anrufbeantworter, E-Mail und
Mobiltelefon lässt er von Hausangestellten und einer Assistentin für den
Kunstbetrieb organisieren. Im wöchentlichen Ablauf trifft er sich in
präziser Regelmäßigkeit mit zwei Freundes- besser Bekanntenkreisen. Die Jüngeren unter
ihnen, mäßig erfolgreiche Künstler, hängen ziemlich ungeniert an
seiner prall gefüllten Geldbörse; die älteren Bekannten entstammen dem
Geldadel aus dem Umkreis seiner Eltern.
Echte Freunde hat er nicht; sein Liebesleben endete während
seiner Studienjahre tragisch - bis er auf Lorena trifft, eine hübsche, aber
berechnende Mittdreißigerin, die sich bisher als Fotomodell und mit anderen Gelegenheitsarbeiten
durchs Leben schlug. Adrian Weynfeldt gewinnt Gefallen an ihr, umwirbt sie in seiner
zurückhaltenden, unendlich höflichen Art und schlittert mit ihr in einen
Kunstbetrug um ein Bild des Schweizer Malers Félix Vallotton (1865 bis 1925).
Adrian und Lorena schaffen ein glückliches Ende. Gemeinsam.
Auf dem Weg dahin wandelt sich die ursprüngliche Harmonie des solitären
Gelehrten über zahlreiche abenteuerliche Hürden zu einer festen, wohl nicht
minder harmonischen Beziehung. Der alternde Kunsthistoriker gewinnt
späte, aber umso
intensivere Lebenserfahrung.
Weynfeldt liebt die Kunst, die Kunst wurde zu seinem alleinigen
Lebensmittelpunkt. Die tief gehenden und in Suters Worten doch so
leichten Beschreibungen der handelnden Personen und Bilder strahlen die Ruhe
eines wenig besuchten Kunstkabinetts aus. Die Spannung entsteht auch dadurch, dass
Weynfeldts eingefahrene Lebensbahnen Änderungen undenkbar
erscheinen lassen. Doch immer wieder nagen Verführungen an der Harmonie, auch an
der zwischen Weynfeldt und seinen Bildern. Darf man Kunst aus dem Familienbesitz
auch als Wertanlage betrachten und damit handeln? Kann eine Fälschung
so gut sein, dass sie echter ist als das Original? Ist es Kunst, ein Bild so zu kopieren,
dass die Kopie vom Original nicht mehr zu unterscheiden ist?
Martin Suter schaffte mit diesem Buch eine Abkehr von seinen
psychedelischen Romanen; auch zu den "Business Class"-Büchern passt "Der
letzte Weyndfeldt" nicht. Wie in seinen früheren Werken gefallen auch
hier die Entwürfe von fiktiven Biografien aus der Schweizer
Gesellschaft im unikalen Suter’schen Schreibstil.
Abschließend noch eine Anmerkung für alle, die den
Buchumschlag vergeblich oder gar verzweifelt nach dem Lurch auf Félix Vallottons
Bild "Nackte Frau vor einem Salamander" absuchen: ein Salamander ist auch ein Ofen.
(Wolfgang Moser; 02/2008)
Martin
Suter: "Der letzte Weynfeldt"
Gebundene Ausgabe:
Diogenes, 2008. 272 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Diogenes, 2009.
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Weitere Bücher des Autors:
"Allmen und die Libellen"
Allmen, eleganter Gentleman, Lebemann, Kunstsammler und charmanter Hochstapler,
hat über die Jahre das Millionenerbe seines Vaters durchgebracht. Das
hochherrschaftliche Anwesen musste er verkaufen, er hat sich mit seinem lebenserfahrenen Faktotum
Carlos aus Guatemala ins bescheidene Gärtnerhaus zurückgezogen.
So schlecht er mit Geld umgehen kann, so virtuos beherrscht er den Umgang mit
Schulden und Gläubigern. Insbesondere die diskrete Geschäftsbeziehung zu einem
Antiquitätenhändler hilft ihm immer wieder aus der Bredouille. Anfangs war
Allmen bei ihm guter Kunde, mittlerweile ist er guter Lieferant, erst mit Stücken
aus der eigenen Sammlung, dann mit Objekten, über deren Herkunft ein Gentleman
besser schweigt. Bis ihn nach einem alkoholseligen Opernabend Jojo, eine heißhungrige
junge Frau, in die See-Villa ihres Vaters abschleppt und er dort eine Sammlung
von fünf bezaubernden Jugendstil-Schalen entdeckt, jede ein kleines Vermögen
wert. Und jede mit einem Geheimnis behaftet. Eine Herausforderung, an der er
wachsen - oder die ihn das Leben kosten kann. (Diogenes)
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"Montecristo"
Als sein Intercity gewaltsam zum
Stehen kommt, ahnt Jonas Brand noch nicht, in welches Abenteuer er gerade gerät.
Die Weiterfahrt ist blockiert, draußen liegt ein Toter. Brand schultert die
Kamera, hält die beklemmende Situation fest und befragt die Mitreisenden. Er ist
freischaffender Videojournalist, der allerdings von Höherem träumt: Er möchte
Filme machen, und sein Projekt "Montecristo", eine Geschichte über Verrat,
Betrug und späte Rache, hat Gassenfegerpotenzial - wenn ihm nur jemand eine
Chance geben würde. Als er sich in Marina Ruiz verliebt und sie ihm seine Träume
entlockt, rücken diese erneut in den Vordergrund. Knapp drei Monate später
spielt ihm der Zufall wieder etwas Seltsames in die Hände: zwei
Hundertfrankenscheine mit identischer Seriennummer - beide, wie man ihm bei der
Bank verblüfft bestätigt, eindeutig echt. Und dann wird Brands Wohnung
durchwühlt und er selbst auf offener Straße zusammengeschlagen und beraubt.
Jemand soll offenbar eine Ungereimtheit aus der Welt schaffen - und damit
zugleich Zweifel an der Glaubwürdigkeit einiger staatstragender Persönlichkeiten
...
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