Jón Kalman Stefánsson: "Sommerlicht, und dann kommt die Nacht"
"An
kleinen Orten wirkt das
Leben manchmal größer."
Jón Kalman Stefánsson hat sich mit seinen beiden
vorigen Romanen "Verschiedenes
über Riesenkiefern und die Zeit" und "Das Knistern
in den Sternen" in die Herzen einer kleinen Lesergemeinde geschrieben,
welche die leisen, mehrstimmigen, aber nicht weniger wohlklingenden
Töne schätzt und sich mit Vergnügen in das
Leben und die Lebensumstände von Menschen, die in Island, am
Rand des Polarkreises, ein einfaches, aber dennoch nicht gerade
ereignisarmes Leben führen, entführen lassen.
Für "Sommerlicht, und dann kommt die Nacht" erhielt der Autor
im Jahr 2005 den "Isländischen Literaturpreis".
Der Erzähler dieser wunderbaren Geschichten nimmt dabei eine
ebenso liebevolle wie wertschätzende Haltung
gegenüber den Menschen ein, über deren Leben er
schreibt und ihre zum Teil hintersinnig lustigen und
ungewöhnlichen Versuche, es zu gestalten und zu
bewältigen.
Die Geschichten in "Sommerlicht, und dann kommt die Nacht" drehen sich
alle um Menschen aus einem kleinen 400-Seelen-Ort im
äußersten Westen von Island. So hoch oben im Norden
dauert der helle Sommer nicht lang, und dann bricht wieder jenes
schwarze Dunkel hervor, das die Menschen gern in seiner schweren
Lethargie gefangennehmen würde.
Und so müssen sie immer wieder selbst dafür sorgen,
dass ihr Leben gegen den Rhythmus der
Natur aufregend bleibt.
Jón Kalman Stefánsson versteht es auch in diesem
Buch, einen bunten und lebendigen Reigen von verschiedenen Menschen mit
unterschiedlichen Lebenswegen zu schildern. Wieder einmal, wie schon in
den früheren Büchern, gelingt es ihm einfach
meisterhaft, mit kleinen, zutiefst menschlichen Geschichten,
alltäglichen Begebenheiten, die doch einzigartig sind,
große Fragen nach Sinn und Bedeutung bestimmter Erfahrungen
und Ereignisse aufzuwerfen und sympathische, lebenstüchtige
Antworten darauf zu geben.
Das Lachen und der tiefe Schmerz sind bei Stefánsson nur
einen Wimpernschlag voneinander entfernt, und seine Geschichten sind
für unerwartete Lösungen immer offen. Die Menschen,
die in den in sich doch recht abgeschlossenen Geschichten auftauchen,
verfügen über eine tiefe Verbindung miteinander, und
so entfaltet sich auf dem Boden der erzählten Gegenwart des
Jahres 1992 ein buntes, dichtes Geflecht von vielen Geschichten und
Begebenheiten aus der Vergangenheit, die deutlich und nachvollziehbar
machen, warum sich die Menschen so verhalten und nicht anders, warum
sie zu dem geworden sind, was sie darstellen, wie sie Erfahrungen, auch
schmerzliche, der Vergangenheit für ihre Gegenwart
transformiert haben.
"Sommerlicht, und dann kommt die Nacht" ist ein wunderbares Buch eines
sensiblen Menschenkenners, der wohl leider auf Dauer nur einer relativ
kleinen Leserschaft direkt ins Herz schreibt.
(Winfried Stanzick; 03/2008)
Jón
Kalman Stefánsson: "Sommerlicht,
und dann kommt die Nacht"
(Originaltitel "Sumarljós, og svo kemur nóttin")
Aus dem Isländischen übersetzt von Karl-Ludwig Wetzig.
Reclam, 2008. 312 Seiten.
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