Khushwant Singh: "Paradies und andere Geschichten"


Khushwant Singh gehört zu den bekanntesten indischen Autoren. Im September 2006 erschien sein Buch "Paradies und andere Geschichten", eine 270-seitige Sammlung von fünf Geschichten aus der Feder des Autors, im Dörlemann-Verlag.

In "Paradies" macht sich eine junge US-Amerikanerin auf den Weg nach Indien, um dort nach einer Jugend voller Ausschweifungen ihr Glück zu finden. Eine Weile lang lebt sie in einem Ashram, doch so wirklich glücklich wird sie dort nicht. Es gelingt ihr nicht, ihr früheres Leben gänzlich abzustreifen, und so manches Erlebnis in Indien erschwert ein neues Leben sicherlich noch zusätzlich.

Madan Mohan, der Protagonist in "Geburtshoroskop" ist ein streng gläubiger Mensch - und dies zum Erstaunen seiner Eltern, die ihn zu solcherlei niemals angehalten haben. Madan Mohan geht jedoch stur und streng den Weg des Gläubigen und verzichtet auf diesem Weg sogar gern auf Karriere und Ruhm. Ins Grübeln kommt er jedoch, als er feststellen muss, dass trotz aller entsprechenden Maßnahmen - das Studium und der Vergleich der Geburtshoroskope, das Beachten des Vaastu sowie die Lektüre des Kamasutra - die Ehe, die er schließlich eingeht, alles andere als positiv verläuft.

"Zora Singh" ist im Vergleich zu den anderen Geschichten keine, die sich auf direktem Wege mit Aberglauben auseinandersetzt, jedoch schildert sie das durchaus bigotte Leben und Erleben des fiktiven Zora Singh, der durch seine Art der Lebensführung letztlich sogar den Bharat Ratna, den höchsten indischen Verdienstorden für Zivilisten, erhält.

In "Gesucht: Ein Sohn" versucht ein Paar vergeblich, ein Kind zu zeugen. Die Freude ist besonders bei den Großeltern enorm, als endlich ein Enkelsohn das Licht der Welt erblickt, zumal diese es einst erst im vierten Anlauf zu einem Sohn gebracht hatten. Doch wäre die Freude aller Beteiligten noch immer so groß, wenn sie die genauen Umstände von allem kennen würden?

"Der Maulbeerbaum" hat auf Vijay Lall eine ganz besondere Anziehungskraft. Sein hingebungsvolles Gefühl zu diesem Baum findet jedoch eine jähe Unterbrechung, als Vijay eines Tages fast durch eben diesen Baum zu Tode kommt. Der an sich bodenständige Mann denkt intensiv über diesen Vorfall nach, und immer mehr kommt ihm sein Überleben wie eine schicksalhafte Fügung vor. Vijay beschließt, einige Wege in seinem Leben zu ändern ... und muss feststellen, dass dieser Weg ihn nicht nur aus seiner bisherigen Routine reißt, sondern darüber hinaus ein recht steiniger ist.

Typisch nicht nur für Indien, sondern auch für indische Literatur ist das Erwähnen spiritueller Themen. Ob sich dies nun auf Bräuche und Traditionen im Allgemeinen oder auf Hochzeitsvorbereitungen, auf als Vor- oder Warnzeichen wahrgenommene Details des Alltags, auf indische Praktiken wie Astrologie, Ayurveda und Vaastu oder Anderes bezieht: das Spirituelle ist allgegenwärtig.
Genau dieser Umstand und der Glauben der Inder an Schicksalhaftigkeit waren Anlass für den Khushwant Singh, dieses Buch zu verfassen. Ausschlaggebend war für ihn das Ereignis der vorhergesagten Apokalypse für 1962, die dann ja doch nicht eintrat und Indien diesbezüglich der Lächerlichkeit preisgab. Dieses Erlebnis prägte Singh so nachhaltig, dass er einen bestimmten Blick für all die Methoden der Zukunftsvorhersagen entwickelte und einen ebensolchen für die Bigotterie und die Widersprüche, die sich daraus ergaben. Seinem Unmut machte er Luft, indem er die in diesem Buch veröffentlichten Geschichten verfasste.

Wer die mystischen Elemente der indischen Literatur liebt, wird mit diesen Kurzgeschichten eine sehr ernüchternde Überraschung erleben. Hinzu kommt, dass Singh zwar vieles wirklich humorvoll verfasst und so, dass eine gewisse Sympathie zu den Protagonisten aufgebaut werden kann, viel vordergründiger ist jedoch, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt und die Erzählungen somit stellenweise sehr offenherzig und auch derb wirken, zumal gerade sexuelle Gelüste überall vorherrschen oder zumindest kurzzeitig ein vorrangiges Thema sind.

Die Übersetzung von Claudia Wenner wird durch ein umfangreiches Glossar am Ende des Buches ergänzt, dennoch ist bei der Übersetzung insgesamt anzumerken, dass sie ein wenig umfassender hätte geschehen können. Häufiges Nachblättern von Begriffen stört den Lesefluss, und so mancher Begriff taucht im abschließenden Glossar auch gar nicht auf. Zwar erschließen sich die Inhalte der Geschichten auch so mühelos, allerdings hätte man, selbst unter Berücksichtigung von Eigenbegriffen und unter Beachtung der zu erhaltenden Exotik des Ganzen, durchaus bessere Arbeit leisten können.

Als liebevoll kann man in erster Linie eigentlich nur die Aufmachung bezeichnen, denn das Buch wurde in - dem Thema entsprechend violettem - Leinen gebunden und verfügt sogar über ein Lesebändchen.

(Tanja Thome; 12/2008)


Khushwant Singh: "Paradies und andere Geschichten"
(Originaltitel "Paradise and Other Stories")
Übersetzung: Claudia Wenner.
Dörlemann, 2006. 270 Seiten.
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