Jan Seghers: "Partitur des Todes"
Mit
"Partitur des Todes" legt der Frankfurter Schriftsteller, Kritiker und
Essayist Matthias Altenburg, der sich für seine Kriminalromane
den Künstlernamen Jan Seghers gegeben hat, seinen mittlerweile
dritten Roman um den Frankfurter Hauptkommissar Robert Marthaler vor.
Marthaler ist ein überaus sympathischer Kommissar, und glaubte
der Verlag ihn noch beim ersten und zweiten Buch vor einigen Jahren im
Klappentext mit
Henning
Mankells Wallander vergleichen zu müssen, hat er
diesen Hinweis nun gestrichen. Und das ist gut so, denn Seghers'
Kommissar Robert Marthaler braucht keinen Vergleich. Er ist ein
nachdenklicher Mensch, bei man nie vergessen sollte, warum er
eigentlich zur Polizei gegangen ist. Im ersten Band der Serie, "Ein
allzu schönes Mädchen", wird in einer Nebenbemerkung
darauf hingewiesen. Damals, Marthaler ist erst kurz mit seiner Frau
Katharina verheiratet, wird diese bei einem Bankraub angeschossen und
überlebt die Verletzung nicht. Robert Marthaler trauert lange,
und versucht - es ist ihm selbst wohl kaum bewusst - diese Energie in
die Lösung seiner Fälle fließen zu lassen,
als er nach seiner Ausbildung bei der Frankfurter Polizei beginnt.
Dabei ist er kein typischer Polizist. Die reaktionäre
politische Einstellung vieler "Bullen" ist ihm fremd. Marthaler ist ein
zutiefst bürgerlicher Mensch. Er lebte lange
zurückgezogen und ist nicht fanatisch auf seinen Beruf fixiert.
Schon im ersten, bereits erwähnten Buch lernt Robert Marthaler
am Rande von Ermittlungen in Prag in einem Café eine junge
Frau kennen: Tereza, eine Kunstwissenschaftlerin. Die dort
geknüpften zarten Bande werden im zweiten Buch
fortgeführt, allerdings gerät die Beziehung durch
einen dreijährigen Auslandsaufenthalt Terezas, die in
Barcelona eine attraktive Aufgabe übernommen hat, in eine
Krise.
Doch Tereza kehrt zurück, und ihre Beziehung wird enger. Im
vorliegenden Buch hat Robert Marthaler lange keine Zeit, ihr
zuzuhören, zu sehr fesselt ihn der neue Fall, in den er sich
regelrecht verbeißt. Dabei hat ihm Tereza doch eine
überaus freudige Neuigkeit und große
Veränderung ihres gemeinsamen Lebens mitzuteilen ...
Jan Seghers lebt in
Frankfurt
und kennt daher die dortigen politischen
Verhältnisse genau. Wie er zum Beispiel den derzeitigen
hessischen Innenminister Volker Bouffier charakterisiert, trifft den
Nagel auf den Kopf:
"Er versuchte sich ein Bild von dem Mann zu machen, der sein
oberster Vorgesetzter war, der im gleichen Alter war wie er selbst und
der ihm doch so unendlich fremd vorkam. Das schmutzigblonde Haar des
Ministers war in der Mitte sorgfältig gescheitelt und reichte
an den Seiten bis knapp über die Ohren. Er wirkt wie ein
Bauernbursche, dachte Marthaler. Ein Bauernbursche, den man in einen
Anzug gesteckt hat und der nun bemüht ist, niemanden merken zu
lassen, dass ihm dieser Anzug nicht passt. Er lächelt wie ein
unsicherer Mensch, der die Macht eines Amtes braucht, weil er ohne sie
verloren wäre. Marthaler wusste, wie unberechenbar Menschen
waren, bei denen sich Rücksichtslosigkeit und Unsicherheit
trafen. Und dass der Minister nur wenig Skrupel kannte, hatte er in der
Vergangenheit schon öfter bewiesen."
Dieses Zitat ist ganz typisch nicht nur für die Sichtweise
Robert Marthalers, sondern auch für jene seines
Schöpfers Jan Seghers, der mit subtiler Sprache an den
Zuständen in seiner Stadt, die er liebt wie keine zweite, und
an den Verhältnissen in seinem Land Kritik übt.
Der beschriebene hessische Innenminister ist deshalb in Erscheinung
getreten, weil die Frankfurter Kriminalpolizei eine
ungewöhnliche Straftat aufzuklären hat: Auf einem
kleinen Restaurantschiff am Main werden fünf Menschen
kaltblütig getötet. Marthaler und sein Team unter der
Leitung der neuen Chefin Charlotte von Wangenheim, die sich als absolut
kompetent, gegenüber der politischen Führung aufrecht
sowie durchsetzungsfähig und zu ihren Mitarbeitern loyal
erweist, können sich der politischen Einflussnahme erfolgreich
erwehren und stoßen bald auf einen Zusammenhang der Tat mit
einem alten Umschlag, der einen brisanten Inhalt hat.
Der Leser ist schon ganz am Anfang damit bekannt gemacht worden.
Georges Hofmann, ein alter Mann jüdischer Abstammung, wird im
Rahmen einer Sendung in Paris von "ARTE" interviewt. Während
des Gesprächs mit der Journalistin Valerie bricht seine lange
verdrängte Vergangenheit durch, und er erzählt ihr,
dass er vor sechzig Jahren Deutschland für immer verlassen
habe. Einige Tage nach der Sendung erhält Georges Hofmann
einen anonymen Anruf und nimmt wenig später an einem geheimen
Ort auf dem Land einen Umschlag entgegen. Auf dem Umschlag steht der
Name seines Vaters, als Absender das Wort "Auschwitz". Der Umschlag
enthält die Originalpartitur einer bisher verloren geglaubten
Operette von Jacques Offenbach. Georges beauftragt Valerie,
für ihn in Deutschland Verkaufsverhandlungen zu
führen. Doch nicht nur verschiedene Menschen aus der
Musikbranche haben großes Interesse daran, in den Besitz
dieses wertvollen Schriftstücks zu gelangen, sondern auch ein
Mensch, der lange im Dunklen bleibt, und den eine dunkle Geschichte mit
diesem Umschlag verbindet ...
Im Herbst 2007 spielte schon Robert Schneider in "Die
Offenbarung" mit diesem Thema. Geht es dort aber im
Wesentlichen um die Innenwelt der Musik, handelt Jan Seghers' sehr
spannendes Buch von
deutscher
Geschichte.
Mehr soll hier nicht verraten werden. Der dritte Roman dieser Reihe ist
der bisher beste und zeigt einen Kommissar, der seine Welt genau
beobachtet, kommentiert und seine Meinung zu bestimmten
Phänomenen nicht verschweigt. Seine Kollegen und Kolleginnen
im Dezernat sind ebenso sympathisch wie engagiert, und wieder geraten
einige von ihnen in ernste Gefahr bei dem Versuch, diesen
fünffachen Mord aufzuklären und das Geheimnis des
mysteriösen Umschlags zu lüften.
(Winfried Stanzick; 01/2008)
Jan
Seghers: "Partitur des Todes"
Gebundene Ausgabe:
Wunderlich, 2008. 480 Seiten.
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Taschenbuch:
Rowohlt, 2009.
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Hörbuch:
Jumbo Neue Medien, 2008.
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Ein weiteres Buch des Autors:
"Die Akte Rosenherz"
Niemand, der damals am Tatort war, wird den Fall je vergessen. In einer heißen
Augustnacht des Jahres 1966 wird in Frankfurt eine Prostituierte auf brutale
Weise ermordet. Sofort macht das Wort von der "zweiten Nitribitt" die
Runde. Und wirklich: Auch im "Fall Rosenherz" bleibt der Täter
unerkannt. Vierzig Jahre später. Ein nebliger Morgen im Stadtwald.
Hauptkommissar Marthalers schwangere Freundin Tereza wird bei einem Überfall
schwer verletzt. Und der Polizist erhält einen Tipp: Er soll den alten Fall
noch einmal unter die Lupe nehmen. Doch damit legt Marthaler sich mit mächtigen
Gegnern an, die ihre frühen Sünden vertuschen wollen. Die "Akte
Rosenherz" soll geschlossen bleiben. Um jeden Preis. (Wunderlich)
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