Christian Füller: "Schlaue Kinder, schlechte Schulen"

Wie unfähige Politiker unser Bildungssystem ruinieren - und warum es trotzdem gute Schulen gibt


Eine provokante Abrechnung mit der Bildungslage in Deutschland

In Finnland, jenem nordeuropäischen Land mit den dunklen Wintern und den weiten Entfernungen, jenem Land, das bei allen "PISA"-Studien der Vergangenheit den Spitzenplatz eingenommen hat und von dessen Bildungssystem in Deutschland immer häufiger geredet wird, ohne bisher auch nur eine Idee daraus zu übernehmen, lautet das selbstverständliche Motto allen schulischen Bemühens: "Wir dürfen kein Kind verlieren!"

Dieses Motto, so zeigt der angesehene Bildungsjournalist Christian Füller in "Schlaue Kinder, schlechte Schulen", ist unserem bisherigen Bildungssystem und unserer Schulpraxis wesensfremd. Hier geht es darum, so Füller, früh einzuordnen und auszusieben. Wer nicht mithalten kann, wird aussortiert. Dabei wird, über breite Bevölkerungsschichten auch innerlich akzeptiert, davon ausgegangen, dass jeder Einzelne bzw. seine Familie und Eltern an einem schulischen Versagen selbst Schuld trägt bzw. tragen.
Doch bevor man diese zweifellos bestehenden Probleme in den Herkunftsfamilien vieler "schwacher" Schüler vorschnell zum Sündenbock macht, müsse man, so Füller, ihnen ein Schulsystem anbieten, das ihnen hilft, aus der Bildungsarmut und der Proletarisierung herauszukommen.

Er beschreibt beeindruckend die Situation der Leidtragenden des gegenwärtigen Systems, die Schüler, deren Eltern, aber auch die Lehrer. Alle ihre Bemühungen und aus pädagogischem Eros und Leidenschaft geborene Ideen und Engagements werden durch ein System zunichte gemacht, an dem eine unbelehrbare Kultusbürokratie mit vielen unfähigen Politikern die Hauptschuld trägt.

Doch es gibt Alternativen. Füller zeigt an Beispielen von Reformschulen und deren Leiterinnen und Leitern, wie es auch anders gehen kann und benennt sieben Voraussetzungen für eine neue Schule:
1. Das Prinzip Verantwortung
2. Eine neue Lernkultur schaffen
3. Kulturminister entmachten und Schule entstaatlichen
4. Recht auf Bildung - aber ohne Haupt- und Sonderschule
5. Den Lehrern ihre Würde zurückgeben
6. Mehr Geld für bessere Bildung
7. Die Eltern müssen mit ins Boot

Eine große Aufgabe ist da zu schultern, doch Füller warnt davor, die Flinte ob der Größe des Projekts ins Korn zu werfen. Eltern und Lehrern kann dieses Buch die entsprechenden Argumente an die Hand liefern, und Politiker können, ja müssen umdenken.

Aber auch Eltern müssen umdenken. Ich beobachte seit Jahren in meiner Umgebung an meinem Wohnort, dass Erwachsene, die alles Andere als proletarisiert sind, beide Eltern berufstätig, ihr Leben auf eine Art und Weise egoistisch leben, welche die Kinder immer tiefer stürzt. Da werden Kinder "abgegeben", bei den Großeltern "geparkt", aber es ist keine Zeit für sie da. Für die eigenen Bedürfnisse und Feste hingegen ist immer Zeit vorhanden.
Es ist nötig, über ein neues Verständnis von Elternschaft und ihre Verantwortung nachzudenken und sie auch zu praktizieren. Kindern, die nur vor Fernsehern und anderen ihr Gehirn zerstörenden Medien "geparkt" werden, nützt ohne elterliche Liebe und Zuwendung die beste Schule nichts.

Dieses Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für ein besseres Schulsystem, dem man weite Verbreitung wünscht.

(Winfried Stanzick; 05/2008)


Christian Füller: "Schlaue Kinder, schlechte Schulen.
Wie unfähige Politiker unser Bildungssystem ruinieren - und warum es trotzdem gute Schulen gibt"

Droemer, 2008. 255 Seiten.
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