Peter A. Krobath, Bernhard Halmer: "Lexikon der Sabotage"

Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz


Die Arbeitsgesellschaft feiert nur mehr selten fröhlich. Umso erfreulicher ist es, dass an einem schönen Herbstabend die Autoren Peter A. Krobath und Bernhard Halmer das vorliegende Buch vorstellten. Als Moderator fungierte der Verleger Mag. Dieter Bandhauer.

Das zahlreich erschienene Publikum hatte an diesem Abend also viel zu lachen. Die vorgetragenen Geschichten und die Hintergründe dieser Geschichten haben aber mehr als bloß einen ernsten Hintergedanken. Was die Geschichten verbindet ist der Irrsinn, welcher die Arbeitsgesellschaft schon seit längerer Zeit heimsucht und in Zukunft wohl noch verstärkt ausgeprägt sein wird.

Ein Detektiv beteiligte sich ebenfalls an der Diskussion und erzählte von seinem Berufsleben. Er ist auf Mitarbeiterüberwachung spezialisiert. Der vielleicht kurioseste Fall, den er erwähnte, ist jener des "Zeitdiebstahls". Ein von seiner Büroarbeit offenbar nicht ausgefüllter Mann ging während seiner Arbeitszeit der Berufung zum Fußballtrainer nach. Er verließ zweimal in der Woche seinen Arbeitsplatz, ohne die Stechuhr zu bedienen, und frohlockte dem Training mit seinen Fußballern. Nach dem Training kehrte er für wenige Sekunden zu seinem Erwerbsarbeitsplatz zurück, weil er die Stechuhr auslösen musste. Heute kann er wohl endlich voll und ganz seinem Trainer-Dasein frönen ...

Die Gründe, warum Arbeitnehmer die Arbeitgeber bestehlen, Racheakte begehen, Unfug treiben und betrügen, sind nicht so schwer ableitbar. Nicht wenige Arbeitnehmer werden von den Arbeitgebern drangsaliert, übervorteilt, beschimpft, um Überstunden betrogen, sexuell bedrängt, mit lächerlich geringen Gehältern bedacht, gedemütigt. Somit ist der Akt der Rache irgendwie nachvollziehbar. Tatsächlich handeln die meisten in diesem Lexikon vereinten Geschichten von Reaktionen auf Übervorteilungen. Manchmal ist es soziale Courage, welche die Menschen antreibt.

Besonders berührend ist die Geschichte einer Sterbehelferin. Sie erzählt davon, dass sie dazu angehalten worden wäre, den Sterbenden unbedingt Essen einzuflößen, auch wenn diese die Nahrungsaufnahme verweigerten. Sie hat es jedoch nur getan, wenn es von den Sterbenden ausdrücklich verlangt worden ist. Einen sterbenden Menschen zum Essen zu zwingen ist ein unmenschlicher Akt, auch wenn dadurch "Anordnungen von oben" missachtet werden.

Völlig neu ist mir, dass manche Berufsgruppen deswegen so schlecht bezahlt sein sollen, weil die Chefs ohnehin davon ausgehen, dass sich die Arbeitnehmer Geld dazuverdienen. Dies mag auf Friseure, im Tourismus Beschäftigte, Kellner oder Marktverkäufer zutreffen. Sind die Kollektivverträge in diesen Branchen also tatsächlich deswegen so unfassbar niedrig, weil Arbeitgeber davon ausgehen, dass die "Nebenverdienste" einen Ausgleich zum kargen Lohn bieten würden? Beispiele für diese "Nebenverdienste" gibt es einige. So verkaufen etwa Angestellte von Würstelständen ihre eigenen Würstel und Bier, und Marktverkäufer treiben Handel mit Kunden und stecken sich einen Teil des nach oben getriebenen zusätzlichen "Marktwertes" der Waren gleich in die eigene Tasche.

Die vorliegenden Geschichten wurden im Laufe eines längeren Zeitraumes gesammelt, und es liegen ihnen Interviews mit den betroffenen Arbeitnehmern zugrunde. Nur eine Geschichte ließ sich anonymisiert aufgrund eines schriftlichen Berichtes verwerten. Tatsächlich verhält es sich so, dass einige besonders extreme Nachrichten aus der Erwerbsarbeitswelt nicht in das Lexikon aufgenommen wurden. Harmlos sind deswegen die aufgenommenen Geschichten keineswegs. Die Unterbezahlung treibt seltsame Blüten, wenn etwa ein im Wiener Prater beschäftigter Mann im kleinen Casino Karten legt und damit potenziellen Kunden Tipps gibt, welche Spielautomaten eventuell bald einen Jackpot ausspucken mögen. Dies wird ebenso honoriert wie die sozusagen unter der Budel gehandelten Raubkopien eines Sexshop-Verkäufers, der Pornos für wenige Euro feilbietet.

Ja, und es wird viel gestohlen. Kleidung, Medikamente, Kunstwerke, Seidenbettwäsche. Nichts ist niet- und nagelfest. Der Schwund ist aber ohnehin in das Betriebsergebnis der Arbeitgeber eingerechnet.

Ohne Diskriminierung, Unterbezahlung und Unterbeschäftigung der Arbeitnehmer würde es dieses Buch wohl nicht geben. Wären die männlichen und weiblichen Chefs bereit, ihre Arbeitnehmer angemessen zu bezahlen und sie im Rahmen derer Möglichkeiten arbeiten zu lassen, dann gäbe es keinen Grund, die Erwerbsarbeitswelt als Ort des Irrsinns zu enttarnen. Dann bekäme vielleicht auch ein gemeiner Kartenabreißer Freikarten für die Salzburger Festspiele zugestanden und müsste diese nicht dahergelaufenen Politikern und Schauspielern aushändigen, wenn er nicht längst schon seine Freunde in die Proszeniumsloge verfrachtet, und dann gegenüber irgendwelchen "Prominenten" mit dem Brustton der Überzeugung verlautbart hätte, dass er den Herrn oder die Dame nicht kenne, und er nur Personen, die er kenne, den Zutritt zur Proszeniumsloge gewähren dürfe.

Die Erwerbsarbeitswelt könnte viel angenehmer sein. Der Wahnsinn regiert überall, und wenn sich daran nichts ändert, wovon - leider - auszugehen ist, dann wird es womöglich noch ein zweites "Lexikon der Sabotage" geben. Abgeneigt sind die Sammler der Geschichten jedenfalls nicht, weitere Berichte dem geneigten Publikum zu präsentieren.

(Al Truis-Mus; 10/2008)


Peter A. Krobath, Bernhard Halmer: "Lexikon der Sabotage.
Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz"

Sonderzahl-Verlag, 2008. 183 Seiten.
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