Petra van Cronenburg: "Das Buch der Rose"

5000 Jahre Kunst und Kultur durch die Blume betrachtet


Die Rose ist eine Rose ist eine Rose.
Ein Streifzug durch die Kulturgeschichte einer Blume.


"Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ..." - Wer kennt nicht dieses vielleicht bekannteste "Rosen"-Zitat, das meist in der Bedeutung von "Es ist wie es ist" verwendet wird und somit eigentlich gar nichts mit der Rose als Blume zu tun hat. Als die us-amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein 1913 die Gedichtzeilen "Rose is a rose is a rose is a rose. She is my rose." schrieb, war die erste "Rose" der Name einer Frau. In einer späteren Variante Steins blieb die Rose jedoch eine Blume: "Civilization begins with a rose. A rose is a rose is a rose is a rose."
Andere berühmte Zitate sind eindeutiger.
Manchen mag dabei aus der Schulzeit Goethes "Sah ein Knab ein Röslein stehn" einfallen, ein Gedicht, das nur in der Naivität von Zehnjährigen von Rosen handelt. Hier steht die Rose als Symbol für die Frau, für Verführung und körperliche Liebe, vielleicht sogar für Vergewaltigung. Wer tiefer in die Bildungsgeschichte der Menschheit vordringt, findet über Jahrtausende hinweg und quer durch die Kulturen die Rose als vielfältiges Symbol. In den antiken Mythologien wurde sie bevorzugt den Liebesgöttinnen zugeordnet, während sie im Christentum für Unschuld und Passion steht. Und irgendwann im Laufe ihrer Geschichte kippten Verehrung, Andacht und Liebe auch in Kitsch um. Als im 19. Jahrhundert die Rose zum Allerweltsmotiv für das Herz wurde, als Rosenkitsch in Literatur und Malerei aufblühte, feierten gleichzeitig interessanterweise in der realen Welt die Rosenzüchter noch nie dagewesene Erfolge. Rose um Rose, Schritt für Schritt, eroberte die Rose als Ware und Symbol die Erde.

"Ein Streifzug durch 5000 Jahre Kulturgeschichte einer Blume, die es seit mindestens 35 Millionen Jahren gibt, ist wie ein Blick in den Sternenhimmel in einer klaren Nacht." Mit diesen Worten führt die Autorin Petra van Cronenburg wie eine Fremdenführerin in das Reich der Rose, das seinen Anfang vor 35 Millionen Jahren nahm. So alt sind nämlich die bisher ältesten Zeugnisse von Rosen, die als Versteinerungen in Colorado/USA gefunden wurden. Ihre Fortsetzung findet die Reise dann in Verbindung mit der Menschheitsgeschichte in Mesopotamien, wo ihre Kultivierung begann, führt über die Geschichte der antiken Welt, über Persien und China, begleitete Europa im Mittelalter und in der Neuzeit bis ins globale 21. Jahrhundert nach Christus, in dem 30.000 Rosensorten bekannt sind und allein in Deutschland jährlich 60 bis 70 neue dazukommen.

Mit ihrer kontinuierlichen Verbreitung und Kultivierung fand sie Einzug in nahezu alle Bereiche der Kulturgeschichte der Menschheit: in antike Mythen, europäische Märchen und Legenden der Neuzeit, geriet zum Symbol in Religionen und Philosophie, aber auch von weltlicher Macht und Herrschaft. Durch Shakespeare kennen wir die Rosenkriege, den englischen Bürgerkrieg um die Thronherrschaft, der seinen Namen von der Wappenblume der Adelshäuser York und Lancaster erhielt: der weißen und der roten Rose. Aber die Rose konnte immer schon mehr als lediglich nur ein Symbol zu sein. Ihre Blütenblätter wurden im Mittelalter als Heilmittel in der Medizin verwendet, und bis heute werden sie zu kostbarem Rosenöl und Rosenwasser verarbeitet. Zu allen Zeiten war sie aber nicht nur ein Symbol von Schönheit und Reichtum, sondern sie war selbst Luxus, wenn man an die Rosenorgien der Römer denkt oder an die französische Kaiserin Josephine, die Gemahlin Napoleons, die ihr beträchtliches Vermögen wegen ihrer Leidenschaft für Rosen verloren hat. Sie wollte im Rosengarten ihres Schlosses Malmaison bei Paris alle bekannten Sorten der damaligen Welt sammeln und zeigen, womit sie sich nicht nur in die Rosenkulturgeschichte einschrieb, sondern auch einen Züchterwettstreit auslöste, der Frankreich zum führenden Rosenzuchtland im 19. Jahrhundert machte.

Vielleicht ist die Rose die einzige Blume, die weltweit über Jahrtausende vom Menschen gehegt und verehrt wurde, die über alle Sinne Eingang in das Leben fand. Eine umfassende Kulturgeschichte der Rose würde wohl mehrere Bände füllen. Sie auf 200 Seiten  zusammenzufassen, ist eine Herausforderung, der sich die Autorin erfolgreich stellt. Petra van Cronenburg, die als Journalistin und Autorin von Romanen und Sachbüchern im Elsaß lebt, wählte zur Bewältigung des überreichen Materials eine Darstellungsweise, die zu unkonventionellen und interessanten Einsichten führt. Aus dem Blickwinkel sinnlich-emotionaler Bedeutungen der Rose ordnet sie die Rosengeschichte neu. Da gibt es das Kapitel "Fühlen und Lieben", in dem Kitsch und Frauenrollen beleuchtet werden, unter "Sehnen und Streben" werden Rosenkriege, Züchterwettstreit und Luxus erörtert und unter "Schwelgen und Gieren" Rosenwahn und die Suche nach der blauen Rose aus dem Genlabor. Die Autorin mischt geschickt Anekdoten und Informationen, flicht historische Exkurse in literarische und technische Betrachtungen ein und schafft damit eine ebenso informative wie amüsante Kulturgeschichte der Rose. Zumal sie nicht nur die bekannteren Spuren verfolgt, sondern oft auf Unbekanntes verweist. So berichtet sie zum Beispiel von einem us-amerikanisch-iranischen Projekt unter den Regierungen Clinton und Khatami, das zum Ziel hatte, das berühmte "Rosenalbum" des Moguls Jahangir, eine Sammlung wertvoller Kalligrafien in persischer Sprache, von Illuminationen und Vergoldungen, in einem Faksimile zu reproduzieren und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit diesen vielen Facetten aus Geschichte und Kultur, Wissenschaft und Tradition komponiert sie einfach einen großen Rosenstrauß. Einen duftenden, wie ich meinen würde.

Für jene, die einen eigenen Garten betreuen, bestellen oder anlegen, weil sie ein Bild verwirklichen wollen, stellt sich irgendwann die Frage, ob und welche Rosen man anpflanzen könnte. Jeder Neugärtner, vielleicht naiv aber enthusiastisch, muss sich zuerst mit seinen Vorstellungen und tradiertem Wissen auseinandersetzen - dass Rosen anspruchsvoll und schwierig sind, dass man sie im Herbst bis auf den Boden kürzt, was man mit den Läusen im Frühjahr macht, welche Rosen widerstandsfähig, dauerblühend und winterhart sind, ob sie rot oder weiß sein sollen. In der zweiten Phase werden jene, die gerne in historischen und kulturellen Kontexten denken, ihre Freude daran finden, historische Rosen, d.h. alte Rosenzüchtungen mit Geschichte, im eigenen Garten zu pflegen. Mit ihren mit unzähligen Blütenblättern gefüllten Blütenköpfen und intensivem Duft betören sie nicht nur Nase und Augen. Der Gedanke, im eigenen kleinen Garten, im 21. Jahrhundert, eine Damaszenerrose zu haben, die schon von den Römern gelobt wurde, weil sie damals die einzige Rose war, die ein zweites Mal blühte, hat schon seinen eigenen Reiz. Oder die Gallica-Rose Officinalis, die als Lancaster-Rose Symbol der Rosenkriege war, aber auch als Apothekerrose bekannt ist, die im Mittelalter rund um Paris in großem Stil angebaut wurde, weil aus ihr Arzneien gewonnen wurden. Auch Rosa Mundi, die erste gestreifte Rose, wahrscheinlich im 15. Jahrhundert entstanden, lässt sich heute noch im eigenen Garten pflanzen. Sie ist übrigens eine spontane Mutation dieser Rosa Officinalis. Wer sich daran erfreuen kann, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen.

Oder wer sich jetzt noch fragt, ob Pflanzen eine Geschichte jenseits ihrer biologischen Evolution haben, auch er oder sie möge sich in das Buch vertiefen. Allen Anderen sei, wie es die Wiener Mundart ausdrückt, nachgerufen: "Pfüat die Gott mit Rosenwasser, aber pass auf, dass'd net stinkert wirst!"

(Brigitte Lichtenberger-Fenz; 04/2008)


Petra van Cronenburg: "Das Buch der Rose"
Parthas Verlag, 2008. 224 Seiten, mit 48 farbigen Abbildungen.
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Dieses Buch enthält einhundert deutsche Gedichte aus einem Zeitraum von fast tausend Jahren. Die Herausgeber haben die wichtigsten Anthologien, die zwischen den Jahren 1900 und 1999 erschienen sind, zu Rate gezogen und daraus eine Liste der beliebtesten Gedichte zusammengestellt. Goethe, Heine und Schiller sind hier ebenso vertreten wie die moderne Lyrik mit Rainer Maria Rilke, Stefan George, Georg Trakl, Bertolt Brecht, Erich Kästner und Paul Celan. Neben Gedichten, die jeder aus der Schule kennt, stehen solche, die für manchen Leser eine Wieder- oder Neuentdeckung bedeuten. Eine Sammlung, die viele Menschen ansprechen wird - ein populäres Hausbuch für einen großen Leserkreis. (C.H. Beck)
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