Eckhard Keßler: "Die Philosophie der Renaissance"
Das 15. Jahrhundert
Eine
gelungene Darstellung des philosophischen 15. Jahrhunderts
Eckhard Keßler ist emeritierter Professor für
Geistesgeschichte und Philosophie der Renaissance an der
Ludwig-Maximilians-Universität München. Er war
Herausgeber des 1972 erschienen Klassikers "Humanismus und Renaissance"
aus der Feder von Paul Oskar Kristeller, publizierte aber auch mit
Ernesto Grassi zusammen.
Betrachtet man die Renaissance von ihren Enden her, so bildet sie das
Bindeglied zwischen der Zeit des Minnegesangs, der Scholastik und des
Nominalismusstreits auf der einen Seite und einer modernen Welt eines
Galileis, Descartes’,
Shakespeares
und Molières
auf der anderen. Die Komplexität dieses Unterfangens
formuliert der Autor so: "So sieht der
’Lebensphilosoph’ Dilthey die zentrale Leistung der
Renaissancephilosophie auf dem Gebiet der Anthropologie, für
den ’Neukantianer’ Cassirer besteht sie in der
Herausbildung der ’Autonomie der Vernunft’, die das
Universum des Subjekts begründet, und in einer neuen Stellung
gegenüber dem Erkenntnisproblem, für den
’Idealisten ’ Gentile ist der Charakter der
Renaissance ein ästhetischer, ihre Leistung eine vom Menschen
geschaffene und nur in seinem Kopf existierende Realität,
während der ’Marxist ’ Ernst Bloch das
emanzipatorische Moment der Renaissancephilosophie feiert."
Den zum Verständnis notwendigen Humanismus nennt der Autor mit
Bezug auf Paul Oskar Kristeller treffend die initiierende Bewegung
dieser Epoche, zu der die Renaissance den zeitlichen und kulturellen
Rahmen bereithielt.
Im etwa die Hälfte des Textes einnehmenden ersten Kapitel wird
der Humanismus vorgestellt, wobei die Grenzen zwischen Humanisten und
Philosophen durchaus verschwimmen. Nach Kristeller war der Humanismus
ein primär philologisches Unterfangen, obwohl der Begriff des
Humanismus sich im heutigen Sprachgebrauch grundlegend
verändert hat.
Das Kapitel des Florentiner Neuplatonismus beginnt mit einem kurzen
Porträt des Byzantiners Plethon, der anlässlich
seines Besuchs in Florenz einen neuen Platonismus begründete,
den Marsilio Ficino durch seine Übersetzungen vieler Werke
Platons
und Plotins vollends etablierte.
Das letzte Kapitel hat den Paduaner Aristotelismus des 15. Jahrhunderts
zum Inhalt. Doch wegen der Beschränkung auf das 15.
Jahrhundert erscheint mit Pietro Pompanozzi nur ein prominenter
Vertreter dieser Schule, der selbst aber auch schon ein
beträchtliches Stück ins 16. Jahrhundert hineinragt,
Fracastoro und Zabarello aber bleiben unerwähnt. Dennoch
zeichnet der Autor auch hier ein lebendiges Bild dieser Zeit des
Übergangs, der versuchten und gescheiterten Synthese von
Neuplatonismus und Aristotelismus. Das Eingeständnis dieses
Scheiterns machte den Weg frei für neue Ansätze, die
in einem Nebeneinander von Theologie, Philosophie und Wissenschaften
sich erst Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts Bahn brachen.
Der Schluss dieses Kapitels offenbart die gelungene Konstruktion des
ganzen Buches.
Der Untertitel "Das 15. Jahrhundert" begrenzt die Darstellung des
Themas im Wesentlichen auf diese Zeit, was eine Darstellung einer
vornehmlich humanistischen Entwicklungsgeschichte ab der Mitte des 14.
Jahrhunderts mit beinhaltet. Doch die beiden großen
Entwicklungen des Aristotelismus und des Neuplatonismus waren Ende des
15. Jahrhunderts zwar auf ihrer Blüte, aber beileibe nicht
abgeschlossen. Und so hätte sich der Rezensent
gewünscht, den Rest des philosophischen Verlaufs der
Renaissance auch noch verfolgen zu können.
Vermisst wurde auch der im 15. Jahrhundert beheimatete Cusanus - kein
Wort über ihn - oder zumindest ein Satz, warum er nicht
zumindest bei den Neoplatonikern erwähnt wurde. Andere Autoren
wie Thomas Sören Hoffmann oder
Kurt
Flasch messen ihm eine große Bedeutung zu.
Fazit:
Dem Verlagsstandard folgend erhält der Käufer ein
hochwertiges Buch mit einem umfangreichen Anhang, wobei die im Text
verwendeten Siglen jeweils bei der ersten Anmerkung des betreffenden
Autors zu finden sind. Diese Autorenanmerkungen sind in ihrem
Informationsgehalt vorbildlich. Ein Personenregister ist ebenfalls
enthalten.
Unter Berücksichtigung der zeitlichen Beschränkung
auf das 15. Jahrhundert erhält man ein hervorragendes Buch,
das Entstehen und Blüte des Aristotelismus und Neuplatonismus
der Renaissance aufzeigt. Man findet in der geschlossenen
Präsentation des Themas eine Reihe einzelne Sätze,
die in einer Prägnanz und auch Eleganz oft ganze
Absätze anderer Autoren erreichen oder gar
übertreffen.
Das Buch wird einem breiten Leserkreis gerecht. Dem Einsteiger bietet
sich ein knapper, aber gut verständlicher
geistesgeschichtlicher Überblick über diese Epoche.
Aber mit einem etwas solideren Wissen dieser Epoche profitiert man
sicherlich stärker, insbesondere von den anregenden
analytischen Momenten des Buches. Etwas mehr über die Rolle
Dantes hätte sich der Rezensent gewünscht, den
Cusanus und natürlich das 16. Jahrhundert über
Montaigne,
Bruno hin zu Hobbes und Descartes. Aber das wird sicherlich
Gegenstand des nächsten Buches Eckhard Keßlers. Den
Titel hätten wir ja schon: "Die Philosophie der Renaissance.
Das 16. Jahrhundert" ...
(Klaus Prinz; 09/2008)
Eckhard
Keßler: "Die Philosophie der
Renaissance. Das 15. Jahrhundert"
C.H. Beck, 2008. 270 Seiten.
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Weitere
Lektüretipps:
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Philosophie unsere Welt erfand"
Wenn wir an einem Schulhaus oder einem Gerichtsgebäude
vorbeigehen, einem
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Doch wie sind diese Dinge eigentlich in unsere Welt gekommen? Sie waren
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(zum Beispiel Athen)
Polis nannten, dass die Vorläufer unseres Münzgelds
Fleischspieße waren und
was die Demokratie mit dem Alphabet zu tun hat. Verständlich
und amüsant zeigt
der Autor, wie die Philosophie unseren Alltag bestimmt. (DuMont
Buchverlag)
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Stefano
Zuffi (Hrsg.): "Die
Renaissance. Künstler - Architektur - Werke - Geschichten"
Die Renaissance war, ist und bleibt die wichtigste - und vermutlich
auch
beliebteste - Epoche der Kunst. Der Aufbruch in die Neuzeit mit der
Erfindung
der Perspektive und der Rückbesinnung auf antike Werte nimmt
seinen Ausgang im
Italien des frühen 15. Jahrhunderts und entfaltet sich
über Florenz, Rom und
Venedig über ganz Europa.
Dieses ebenso attraktive wie nützliche Handbuch zur
Renaissance gibt einen
hervorragenden Überblick nicht nur zu den großen
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sondern erläutert die dichten Zusammenhänge von
Malerei, Skulptur und
Bauentwicklung ebenso wie Themen des Kunsthandwerks, der Gartenkunst
und der
Wunderkammern. Das Buch stellt die Renaissance in Italien vor und
beschreibt
alle anderen wichtigen Kunstzentren und -regionen in Deutschland,
Frankreich und
den Niederlanden. Einzelne Künstler und Werke werden ebenso
behandelt wie auch
kulturgeschichtliche Hintergründe, die Rolle der
Fürsten und Mäzene oder die
Entwicklung einzelner Gattungen und Motive.
Neben den historisch-thematischen Kapiteln sind wichtige Einzelwerke in
detaillierten Erklärungen vorgestellt; zahlreiche Meisterwerke
erscheinen im
Vergleich. (DuMont Buchverlag)
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Baldassare Castiglione:
"Der
Hofmann. Lebensart in der Renaissance"
Berühmte Tischgespräche aus der Renaissance
über Sitten und Kultur, Lebensart
und den Umgang von Frauen und Männern miteinander. Mit seinen
Thesen zur
Selbsterziehung weist Castiglione weit über seine Zeit hinaus.
Castigliones "Hofmann" ist das Gegenteil von
Macchiavellis
"Fürst".
Am Hof des Montefeltro in Urbino unterhalten sich Damen und Herren
über Sitten,
Kultur und darüber, was Menschen angenehm und liebenswert
erscheinen lässt.
Aber nicht die Geburt, heißt es gleich zu Anfang, sondern der
Adel des Geistes
bestimmt das Geschick - das erste Zeichen für die Heraufkunft
des bürgerlichen
Zeitalters und ein Benehmen, an dem sich noch
Knigge
orientiert hat.
Die vorliegende Auswahl enthält alle wichtigen Vorstellungen,
die Castiglione
den Mitgliedern der Tischrunde in den Mund legt. Recht hat, wer im
Streitgespräch
besser, witziger und logischer argumentiert. Überraschendes
wird auch zur
Gleichberechtigung der Frauen gesagt, über Schönheit
und die effektivste Art
der Liebeswerbung. (Verlag Klaus Wagenbach)
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Giorgio
Vasari: "Jeder
nach seinem Kopf. Die verrücktesten
Künstlergeschichten der italienischen
Renaissance"
Der große Historiker
Vasari ist auch ein kluger Erzähler. Dieser Band
sammelt
die schönsten Anekdoten, Streiche und Parabeln aus der Welt
der italienischen
Renaissance- Künstler.
Empört, verwundert oder erheitert berichtet Vasari
über die Folgen der Wut für
Michelangelos
Nase, die Nachteile der steten "Fleischeslust"
für
Raffael oder das Chaos an Tieren und Jünglingen in Sodomas
Werkstatt.
Und er spart nicht mit eigenwilligen Lebensweisheiten anhand einiger
Künstler:
Wie man den Geiz bekämpfen solle, was der Wert
großer Fressen sei, welche
Folgen die Macht der Frauen habe und wohin die Faulheit führe.
Dazwischen stehen weiterschweifende Geschichten, etwa der Bericht
über das
langsame Entstehen des "Abendmahl" und wie
Leonardo
einem
holzköpfigen
Prior erklärt, warum Nachdenken Arbeit sei. Oder die
Geschichte vom Affen Rosso
Fiorentinos, der zum Traubenstehlen abgerichtet wurde und vor Gericht
kam.
Ein Geschenk für alle Kunstfreunde! Und auch für
diejenigen, die es mit
Pontormos Devise halten: "Jeder nach seinem Kopf".
(Verlag
Klaus Wagenbach)
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"Francesco
Guicciardini (1483-1540). Die Entdeckung des Widerspruchs"
Volker
Reinhardt arbeitet in seiner Darstellung von Leben und Werk des florentinischen
Politikers Francesco Guicciardini die Zeitgebundenheit ebenso wie die Aktualität
einer faszinierenden Ideenwelt am Beginn der Moderne heraus.
Francesco
Guicciardini, florentinischer Patrizier, Provinzgouverneur im Kirchenstaat und
von 1523 bis 1527 einer der einflussreichsten Berater Papst Clemens' VII.
Medici, ist einer der herausragenden politischen und historischen Denker der
europäischen Renaissance. Seine Texte gehen auf unmittelbare Erfahrung
erregender Zeitgeschichte zurück. Erlebt und reflektiert werden nicht weniger
als drei innere Revolutionen von Florenz und vor allem die Katastrophe des
Sacco
di Roma von 1527, die Plünderung und Verwüstung der Ewigen Stadt, welche auch
die persönliche Existenz Guicciardinis zutiefst erschüttert. Ausgehend von
diesen äußeren Umbrüchen, welche die verbrieften Werte von Staat und
Gesellschaft hinfällig erscheinen lassen, stößt Guicciardini durch unablässiges
Hinterfragen der Tradition und des Scheins schließlich in intellektuelles
Neuland vor. Er entwickelt eine Theorie der Staatsräson, die das unbegrenzte
Selbsttäuschungspotential des Menschen für eine zugleich starke und milde
politische Ordnung nutzbar machen möchte, und eine Religionskritik, welche die
menschliche Erkenntnis auf die natürlichen Dinge beschränkt. Seine eigentliche
Entdeckung aber ist der alles umfassende, die Lebens- und Vorstellungswelten
gleichermaßen ergreifende Wandel des Menschen in der Zeit: Geschichte als
Aufbruch ins Unbekannte. Die hier vorgelegte Studie verklammert in methodisch
neuartiger Weise Leben und Werk, deutet die Texte als Aufdeckung unauflöslicher
Widersprüche zwischen Leben und Moral, stellt Autor und Werk in einen auf dem
neuesten Stand der Forschung revidierten Zeitrahmen und arbeitet auf diese
Weise Zeitgebundenheit wie Aktualität einer faszinierenden Ideenwelt am Beginn
der Moderne heraus. (Wallstein)
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