Robert Misik: "Gott behüte!"
Warum wir die Religion aus der Politik raushalten müssen
Freiheit
von Religion
Misik ist u.a. "taz"-Autor und begreift sich als "Atheist
katholischer Prägung" - und er erläutert uns hier
'Warum wir die Religion
aus der Politik raushalten müssen! (Untertitel). Die
Grundthese des Buches
lautet: "Durch Religionen werden Menschen zu Fundamentalisten
gemacht -
und aus der Konkurrenz religiöser Identitäten
erwächst der tägliche
Kleinkrieg der Kulturen." Westeuropa galt bisher noch als
Bollwerk des
Säkularismus - aber wie ist das mit der Papst-Manie
zu vereinbaren?! Auffällig
ist aber auch, dass sich mehr und mehr ein flickwerkartiges
Religionsbedürfnis
entwickelt - oder dass etwa zwei Drittel der USA-Bürger
erklären, sie würden
nie einen Politiker wählen, der nicht an Gott glaubt. Misik
gibt zu bedenken,
dass es in der Politik um die Kompromissfindung zwischen
unterschiedlichen
Interessen gehe, aber "wenn es um Gott geht, gibt es
schließlich keine
Kompromisse."
Während Habermas in
seinem
irritierenden Gespräch mit
dem damaligen Kardinal
Ratzinger die Religion quasi als moralisches Korrektiv für
gesellschaftliche
Fehlentwicklungen akzeptieren wollte, garantiert Hans Blumenberg dem
Säkularismus
seine eigene Legitimität. Die von Foucault sogenannte "Pastoralmacht",
bei der sich gläubige "Schafe" einem "Hirten" unterordnen,
ist für Misik die "perfideste Macht", denn
sie "schafft
Subjekte, die aus Leidenschaft Schafe sind." Zu fragen
wäre, weswegen
sich Misik so ausgiebig mit Ratzingers Mentalität
beschäftigt - letztendlich
verwaltet der doch nur einen religiösen Monolithen, der
allerdings gegen den
"Werterelativismus" Sturm läuft. Als ob es nach wie vor um die
moralische Weltherrschaft ginge! Immerhin stellt Misik die zwar naive,
aber
korrekte Frage: "Warum soll ausgerechnet ein Papst, also ein
Kleriker,
ein Mann also, der schon von Berufs wegen mit vielen der schwierigen
moralischen
Abwägungsfragen keine Erfahrung hat, die ein normales Leben so
für uns bereithält,
besonders qualifiziert sein, diese Fragen zu entscheiden?"
Die
Intoleranz diverser Monotheismen hat die Gewalt in die Welt gebracht
und quasi
auch sanktioniert. Laut Sloterdijk ('Gottes Eifer', 2007) steigert sich
die "Unduldsamkeit"
zum "Hass gegen die Andersheit", weil es um den "Triumph
eines Prinzips" gehe.
Konsequenterweise formuliert Misik die nur scheinbar
überraschende Frage: "Ist
der Islam mit der Demokratie vereinbar?" Von den
über 60 Staaten,
welche die 'Internationale Islamkonferenz' bilden, kommt lediglich
die
Türkei
den westlichen Vorstellungen von Demokratie vage nahe - dies allerdings
bezeichnenderweise nicht bei den sogenannten C-Parteien! Von Beginn an
war der
Islam mit Machtkonzentration verbunden:
Mohammed war
Staatsoberhaupt,
Richter,
General und Prophet in persona. Im Kern ist der Islam eben theokratisch
ausgerichtet. Allerdings ist historisch gesehen die Gewaltbilanz des
Christentums weitaus düsterer als die des Islams - was aber
womöglich nichts
besagt, weil die islamischen Länder in ihrer
aufklärerischen Entwicklung noch
rund 500 Jahre hinterherhinken. Eigentlich - so konzediert Misik - ist
keine
Religion mit monotheistischem Anspruch mit der Demokratie vereinbar -
man müsste
wohl sagen: von der inneren Logik her widersprechen sich Monotheismus
und
Demokratie. Mittlerweile ist das Christentum eben raffinierter geworden
- es
arrangiert sich mit Diktaturen ebenso kongenial wie mit Demokratien!.
Nach dem Zurückdrängen der großen alten
politischen Ideologien (wie etwa
Sozialismus, Kommunismus) scheinen ethnisch-religiöse
Vorstellungen dominant zu
werden. Und so scheinen sich ein militanter Neoliberalismus und ein
fundamentalistischer Islamismus als globale Antipoden
gegenüber zu stehen.
Dabei lassen sich aus den wesentlichen religiösen
Basisschriften (Bibel,
Koran,
Talmud)
geradezu sich widersprechende Parolen für
gegensätzliche Zwecke wie
Kriege oder Frieden etwa auffinden bzw. ableiten. Entsprechend liefern
sich in
den USA etwa die "Religiösen" und die "Neuen Atheisten"
regelrechte Schlachten. Ideologien sollen offenkundig unserem als
chaotisch
empfundenen Leben so etwas wie eine Struktur oder gar einen Sinn
verleihen.
Misik bleibt versöhnlich: "Die Religionen sind nicht
für alles Unheil
in der Welt verantwortlich (...) Und religiöse Menschen sind
ganz bestimmt
nicht immer schlechte Menschen." Allerdings ist ein
Kardinalproblem
durch die Jahrhunderte hindurch geblieben: die Unduldsamkeit
gegenüber
Abweichlern. Gemäß dem italienischen Philosophen
Paolo Flores d'Arcais ist "die
Religion eine sichere und permanente Versuchung zum konfessionellen
Machtmissbrauch
gegen die Demokratie." Schauen wir doch unsere Politiker an,
wie sie
immer noch als Marionetten der Klerikalen herumeiern und mit der
Beschwörungseidformel
"So wahr mir Gott helfe" um schönes
metaphysischen Wetter
betteln.
Misik überschreibt sein letztes Kapitel ganz sarkastisch: 'Gott
schütze uns
vor der Rückkehr der Religionen!' Die Frage ist
doch, warum Menschen auf
ihre religiöse Identität reduziert werden - oder
warum wir Religion bzw. die
Religionen überhaupt so wichtig nehmen sollten?! Dabei warnt
Misik: "Die
Gefahr ist groß ... dass mit dem Aufstieg des Islamismus auch
christliches
Eiferertum zunimmt." Dies würde zumindest die
Papst-Hysterie der
letzten Jahre erklären. Ebenso erklärt das
andererseits wohl auch die
vorauseilende Toleranzbekundung "christlich" verwalteter Kommunen, den
Bau von Moscheen, eine gelockerte Kopftuch-Regelung sowie den
Islamunterricht an
deutschen Schulen ins Integrationsprogramm aufzunehmen. Als
Gründe sieht Misik
die "Delegitimierung weltlicher Ideologien und das Unbehagen
an der
modernen Kultur." Nebenbei gesagt,
äußerten
Freud und
Adorno auch
schon Unbehagen an der Kultur, ohne deswegen gleich in die Religion zu
flüchten.
Im Grunde möchte Misik aber wohl versöhnlich klingen,
wenn er ganz jovial
meint: "... jeder soll glauben, wozu er lustig ist."
Sobald
aber Religionen aufdringlich ins öffentliche Leben einwirken,
reagiert er
allergisch. Am Ende seines Buches fasst er noch einmal seine
Hauptgedanken
zusammen: er sieht die Religion als "die mächtigste
Kraft, die Menschen
gegeneinander aufbringt und kulturell von anderen abgrenzt."
Moralisches Verhalten ist nämlich auch ohne Religion
begründbar und
praktizierbar. Denn historisch betrachtet hat nicht die Religion die
Moral
erfunden sondern leider umgekehrt. Witzigerweise sind die am wenigsten
"religiösen" Gesellschaften der Welt nach dem 'Human
Development
Report' der UN die "gesündesten" - was
Lebenserwartung,
Kindersterblichkeit oder auch Alphabetisierung anbetrifft. Erwiesen ist
jedenfalls, dass Religiosität nicht direkt für das
Gemeinwohl "nützlich"
ist. Ja, Misik kommt zu dem Schluss: "Religion neurotisiert",
sie ist eine "Unsinn-Ressource".
Und warum dies vorliegende Buch so wichtig ist, erschließt
sich aus der
traurigen Feststellung: "Im Namen der Religion
dürfen die obskursten
Dinge verbreitet werden, und wer diese Narreteien Narreteien nennt, der
hat das
Stigma des Intoleranten." Da kann man nur dankbar sein, dass
es
heutzutage Autoren wie Misik gibt - und ausrufen: werdet intolerant
gegenüber
irrationalen Fanatismen! Der Forderung nach Rücksicht auf
sogenannte religiöse
Gefühle muss endlich die Forderung der Sinn-Legitimation von
Religion
gleichberechtigt zur Seite gestellt, wenn nicht entgegengeschleudert
werden.
Und: jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit von Religion!
(KS; 09/2008)
Robert
Misik: "Gott behüte! Warum wir
die Religion aus der Politik raushalten müssen"
Verlag Carl Ueberreuter, 2008. 191 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Weitere
Lektüreempfehlungen:
Christopher Hitchens: "Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt
vergiftet"
Welche Rolle darf Religion heutzutage spielen? Keine - wenn es nach
Christopher Hitchens geht. Schon gar keine Sonderrolle, dazu ist unsere
Welt zu klein geworden. In seiner Streitschrift legt er eloquent und
provokant dar, dass die Rückkehr zum Glauben - ob als
archaische Staatsdoktrin oder vermeintlich modernes
Sinnstiftungsangebot für den Privatgebrauch - in eine
gefährliche Sackgasse führt.
Eine gute Welt, so empfand es
Bertrand Russell
1927 in seinem
grundlegenden Vortrag "Warum ich kein Christ bin",
brauche keine Fesselung der freien Intelligenz durch Worte, die vor
langer Zeit von unwissenden Männern gesprochen wurden. Sie
brauche einen furchtlosen Ausblick auf die Zukunft.
Achtzig Jahre später hat sich Christopher Hitchens in der Welt
umgesehen. Sein Bericht: Nach wie vor lehren die Religionen auf allen
Erdteilen das Fürchten, stehen als Quell von Intoleranz,
Sexismus, Siechtum, Gewalt und körperlichem wie seelischem
Missbrauch einem menschenwürdigen Zusammenleben im Wege. Und
selten stand die Zukunft so in ihrem Bann wie jetzt.
Mit seinem polemischen Rundumschlag beleuchtet Hitchens Entstehung,
Verbreitung und Wirkung diverser Glaubensgemeinschaften - von
Cargo-Kult bis Christenheit - und macht deutlich, wie stark und
unheilvoll ihr Einfluss auf Politik und Gesellschaft gerade heute ist.
(Blessing)
Buch
bei amazon.de bestellen
Peter
Strasser: "Warum überhaupt
Religion? Der Gott, der Richard Dawkins schuf"
Sie nennen sich selbst "The Brights". Sie sind
stolz darauf,
Atheisten zu sein. Sie haben ein Credo: das naturalistische Weltbild,
mit dem
sie alles Übernatürliche und Mystische
bekämpfen. Der bekannteste "Helle
Kopf" ist Richard Dawkins. Sein Buch "Der Gotteswahn" gilt
mittlerweile als Meilenstein des Neuen Atheismus.
Das ist intellektuell alarmierend. Denn der Prozess, den Dawkins gegen
die
Religion im Allgemeinen und die Existenz Gottes im Besonderen
anstrengt, stützt
sich auf teils fadenscheinige, teils misslungene Argumente, auch auf
Polemik und
- man sollte es nicht verschweigen - Unwissenheit. Aber Dawkins'
zornige Haltung
passt in eine überhitzte Konfrontation zwischen
wissenschaftlichen "Realisten"
und religiösen "Fundamentalisten". Dabei orientieren sich
beide
Seiten an einem Religionsverständnis, das im weitesten Sinne
mythologisch ist.
Demnach wird das, was "Transzendenz" meint, in pseudo-empirischen
Begriffen erläutert. Es geht um das Jenseits. Gott wird als
allmächtiger
Herrscher gedacht. Er liefert das Weltdesign, wirkt Wunder und richtet
die
Menschen. Im Gegensatz dazu leitet sich jedes aufgeklärte
Verständnis von
Transzendenz aus den Alltagskonzepten der Wahrheit und Wirklichkeit,
des Guten
und Vollkommenen her. Alle diese Konzepte sind "religiös
sensibel".
Denn sie formen ein Modell des absolut Realen, das unabhängig
von menschlicher
Perspektive und Endlichkeit, als absoluter Horizont unseres Erkenntnis-
und Erlösungsstrebens
existiert. Es erfordert einen "letzten Existenzgrund", einen "guten
Anfang".
Dawkins vernachlässigt die Frage, ob eine zuinnerst
säkularisierte
Gesellschaft, deren Mitglieder religiös unsensibel
wären, überhaupt denkbar
sei. Wie sich indessen zeigen lässt, gibt es eine
Fülle metaphorischer
Hinweise dafür, dass eine solche Gesellschaft gar nichts
Humanes mehr hätte,
angefangen beim "egoistischen Gen" bis hin zu den Alpträumen
einer
Golem-, Cyborg- oder Matrix-Welt. Der Gott, der zu Dawkins'
Naturalismus passt,
müsste - ironisch genug - ein Superdämon hinter dem
Schleier unserer Immanenz
sein, vergleichbar dem Teufelsgott, der im
gnostischen
Mythos die Welt
erschafft. (Wilhelm Fink Verlag)
Buch
bei amazon.de bestellen
Norbert
Bolz: "Das Wissen der Religion.
Betrachtungen eines religiös Unmusikalischen"
Religion hat Konjunktur. Doch zumeist handelt es sich dabei um einen
neuheidnischen Religionsersatz wie den Götzendienst des Ich
oder der Natur,
die Sozialoffenbarung der Linken oder den Konsumismus
der Angepassten.
Räumt man diesen Unsinn beiseite, so wird ein Wissen der
Religion erkennbar, das allein uns helfen kann, jene großen
Fragen zu beantworten, vor denen die Wissenschaften verstummen
müssen - die Fragen nach dem Sinn des Lebens und dem Umgang
mit der eigenen Endlichkeit. 2000 Jahre Christentum haben sich in
unseren Traditionen und Institutionen abgelagert. Und es ist die
Aufgabe jedes guten Europäers, sich an dieser objektiven
Religion abzuarbeiten. Das gilt gerade auch für diejenigen,
die nicht an Gott glauben. (Wilhelm Fink Verlag)
Buch
bei amazon.de bestellen