Dr. Jürgen Audretsch: "Die sonderbare Welt der Quanten"

Eine Einführung


Unbestimmtheitsrelationen

Vor einhundert Jahren bestand die Physik noch aus der anschaulichen Mechanik und der Elektrodynamik, und alles befand sich im besten Einklang mit der Natur, so wie sie täglich sicht- und erfahrbar war. Alle Probleme der Physik schienen gelöst. Man glaubte, dass die bis dato unerklärlichen Phänomene nur einer konsequenteren Anwendung der klassischen Naturgesetze entbehrten. Der Kanon der Physik schien abgeschlossen.

Doch dann kam die Quantenmechanik ins Spiel. Sie ist neben Einsteins Relativitätstheorie eine der revolutionären neuen Theorien des 20. Jahrhunderts und hat unser Verständnis von der Realität revolutioniert. Mikroobjekte verhalten sich nicht so, wie wir es von Makroobjekten gewohnt sind: Sie besitzen weder Ort noch Weg, können miteinander verschränkt sein und in mehreren Zuständen gleichzeitig existieren.

Verwirrende und faszinierende Welt der Quantenmechanik
Diese sonderbaren Eigenschaften sind die Grundlage für viele technische Geräte, die wir im Alltag benutzen (werden). So hätte die Lasertechnik ohne die Kenntnisse der Quantentheorie nicht zu einem so hohen technischen Standard entwickelt werden können. Und auch beim Verschicken einer E-Mail, die ihren Weg um die halbe Welt antritt, hat die Quantenlehre erheblichen Anteil. Eine Atomuhr steuert die Taktfrequenzen einer Funkuhr, Halbleiterbauelemente in allen Geräten mit Chips bearbeiten, verstärken und wandeln Signale. Die Entwicklung der allermeisten modernen Technologien, einschließlich Fernseher und Computer, ist heute ohne Quantentheorie nicht vorstellbar.

Die klassische Welt wird durch die Quantenwechselwirkung konstruiert: Aus den Möglichkeiten der Quantenwelt werden die Fakten der klassischen Welt. Für ein Verständnis und die Fortentwicklung nanotechnologischer Bauelemente ist es daher auch für Nichtphysiker immer wichtiger, die ersten Schritte in die Quantenwelt zu wagen. Jürgen Audretsch, pensionierter Professor für Physik an der Universität Konstanz, wendet sich mit seinem Buch "Die sonderbare Welt der Quanten" an Natur- und Geisteswissenschaftler (zum Beispiel Philosophen, Studenten, Lehrer und Schüler), aber auch an Leser ohne detailliertes Fachwissen in Mathematik und Physik, um einen ersten Einblick in die manchmal verwirrende und zugleich faszinierende Welt der Quantenmechanik zu geben.

"Wie wirklich ist die Quantenwelt? Was ist das eigentlich für eine Welt und warum ist sie anders als alles, was wir von der Alltagswelt her gewohnt sind?", stellt sich Audretsch selbst die Fragen. Auf zwei Wegen versucht er einen Zugang zu finden. Zum Einen beschreibt er, wie sich die Quantentheorie und ihre Wirklichkeitsvorstellungen in das Gesamtschema der theoretischen Physik eingliedern und wie sie von daher plausibel sind. Zum Anderen stellt der Autor Experimente mit einem einfachen Quantensystem - der linearen Polarisation von Photonen - vor. Sie stellen das Kernstück des schmalen Buches dar und dienen zur Ablesbarkeit der Eigenarten der Quantenwelt.

Schrödingers Katze
Zu Beginn macht der Jürgen Audretsch einen Ausflug in die klassische Mechanik. Dieser dient zur Vorbereitung auf die folgenden Kapitel, denn die Quantentheorie setzt die klassische Physik voraus. Newtonsche Mechanik, elektrisches Feld, elektromagnetische Wellen und polarisiertes Licht sind die Themen, bevor der Autor zu den einzelnen Quantensystemen übergeht und diese Schritt für Schritt mittels einfacher Versuchsaufbauten erläutert. Dabei darf natürlich auch Schrödingers berühmte Katze nicht fehlen.

An das Ende seines Buches stellt Jürgen Audretsch ein naturphilosophisches Gespräch, das er mit Hans-Dieter Mutschler, dem derzeitigen Inhaber des Lehrstuhls für Naturphilosophie an der philosophisch-pädagogischen Hochschule Ignatianum in Krakau, Polen, führte. Eine weitere Annäherung von Geistes- und Naturwissenschaften.

Trotz relativ gut nachzuvollziehender Beschreibungen und Erläuterungen ist eine mehrfache Lektüre unumgänglich, um eine gewisse Vorstellungskraft für das "unlogisch Erscheinende" zu entwickeln. Aber wie stellte bereits Niels Bohr fest: "Wer über die Quantentheorie nicht entsetzt ist, der hat sie möglicherweise nicht verstanden."

Fazit:
"Die sonderbare Welt der Quanten" ist mit Sicherheit keine Unterhaltungslektüre und bringt für den Laien auch nicht gleich beim ersten Mal den sogenannten Aha-Effekt. "Die Bereitschaft zum Mitdenken und zur Auseinandersetzung mit dem Stoff ist notwendig, wenn das Hauptziel dieses Buches erreicht werden soll", so Audretsch. Alles in allem ist das Buch jedoch ein gute Einführung, um mit dem "verwirrenden" Mikrokosmos der Quanten umgehen zu können und das Unverständliche verstehbar zu machen, denn: Selbst denken macht Spaß.

(Heike Geilen; 02/2009)


Dr. Jürgen Audretsch: "Die sonderbare Welt der Quanten. Eine Einführung"
C.H. Beck, 2008. 189 Seiten.
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