Claus Fischer, Micheline Schwarze: "Qigong in Psychotherapie und Selbstmanagement"
Qigong greift im Bereich der
Lebenshilfe immer mehr um sich und findet in der physischen
Rehabilitationsarbeit und auch im Bereich der Stressvorbeugung
zunehmend Anwendung. Allerdings sind im
deutschsprachigen Raum bisher noch relativ wenige
Veröffentlichungen
zu diesem Thema zu finden. Und ähnlich sieht es mit Texten zu
Verwendung des
Qigong in der psychotherapeutischen Arbeit aus, wozu es nicht einmal im
Ursprungsland dieser Bewegungsformen besonders viel zu lesen gibt, da
Psychiatrie und Psychotherapie als eigenständige
Arbeitsbereiche dort gerade
erst entwickelt werden.
Claus Fischer und Micheline Schwarze arbeiten schon seit mehr als zehn
Jahren im
Bereich der Psychotherapie, sowohl in der Klinik als auch im
Praxisbetrieb und
haben sich dabei auch zu Trainern im Qigong Yangsheng nach dem System
von Dr.
Jiao Guorui ausbilden lassen. Dies ist auch das System, auf welches
sich die
Autoren in
diesem Buch in erster Linie beziehen und das auch in Deutschland in den
meisten
medizinischen Einrichtungen seine Anwendung findet.
Nach einigen einführenden Worten wird zunächst
betrachtet, wie Qigong
heutzutage im Zuge von Behandlungen angeboten wird und welche
theoretischen
Grundlagen im Sinne der westlich orientierten Denkschulen hinter seinen
Wirkungsmechanismen stecken. Darauf folgen dann eine Beschreibung des
Qigong an
sich mit seinen historischen Quellen in China und Indien sowie eine
Hinführung
zum Qigong Yangsheng.
In den folgenden Kapiteln wird gezeigt, wie die Grundprinzipien des
Qigong
Yangsheng in verschiedenen Bereichen der Psychotherapie, der
Traumatabehandlung
und der Selbstmanagementschulung ihre Anwendung finden, wobei immer
wieder neue
Praxisbeispiele herangezogen werden. In diesen Bereichen werden vor
allen Dingen
die fünf Tiere aus Dr. Guoruis System zugrunde gelegt, also
Tiger, Hirsch, Bär,
Kranich und Affe. (Wobei auch der Drache gelegentlich erwähnt
wird.)
Das letzte Textkapitel stellt dem interessierten Leser anhand von
Übungen aus den 15 Ausdrucksübungen
und den Vorbereitungsübungen einen weiteren
Teilbereich des Qigong Yangsheng näher vor. Diese
Übungen passen auch sehr gut
zu den innerhalb der vorhergehenden Kapitel immer wieder
eingefügten Zwischenübungen,
welche den Leser dazu anregen sollen, gerade erläuterte
Aspekte gleich einmal an sich selbst auszuprobieren
- was für sich genommen eine
ziemlich gute Idee ist. Am Ende gibt es dann noch eine
Übersicht über aktuelle
Forschungsliteratur in Deutschland zu dem Themenbereich, sowie nach der
Danksagung eine überaus umfassende Literaturliste.
Die Konzentration auf eine Qigong-Form mag einige
Praktiker aus diesem Bereich
irritieren, aber Dr. Guoruis System ist für die klinische
Anwendung sehr gut
geeignet und wird im deutschsprachigen Raum unter starker
Berücksichtigung von
Mindeststandards weitervermittelt, so dass man hier sicherlich keine
"falsche" Form lernt, sofern man überhaupt von einer solchen
reden kann.
Die beigefügten Fotos machen die Erklärungen
sicherlich verständlicher, doch
zum Selbstüben würde ich hier als
zusätzliche Anschaffung das Taschenbuch
zum
Qigong Yangsheng Dr. Guoruis empfehlen, denn dieses ist
wirklich als Übungsanleitung
für Autodidakten konzipiert. Aber um das System an sich erst
einmal kennen
zu lernen, sind die entsprechenden Teile des vorliegenden Buches
sicherlich
geeignet.
Das Kapitel zum Youfagong erscheint mir allerdings ein wenig zu schnell
abgehandelt. Es wird zwar erwähnt, dass diese offene
Qigongform erst nach
langer Übung und unter Anleitung eines Therapeuten eine Rolle
spielen sollte,
aber auf die manifesten Gefahren, die mit
unsachgemäßer Verwendung des so
genannten sechsten Bildes des
"Fliegenden Kranichs" einhergehen
können, wird
nicht eingegangen, was ein wenig nachlässig ist.
Davon abgesehen ist "Qigong in Psychotherapie und Selbstmanagement"
jedoch ein sehr interessantes Buch, das Qigong-Praktiker in die
psychotherapeutische Nutzbarkeit ihrer Arbeit einführt und
Psychotherapeuten in
die Anwendbarkeit der beschriebenen Bewegungsformen.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 04/2008)
Claus
Fischer, Micheline Schwarze: "Qigong
in Psychotherapie und Selbstmanagement"
Mit einem Vorwort von Luise Reddemann.
Klett-Cotta, 2008. 256 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Claus
Fischer, Dipl.-Päd., ist
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut; Ausbildung in
Körperpsychotherapie
(Biosynthese), EMDR und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie;
seit 1990
ist er als Psychotherapeut in der Klinik für
psychotherapeutische und
psychosomatische Medizin in Bielefeld tätig; Qigong-Dozent der
Medizinischen
Gesellschaft für Qigong Yangsheng.
Micheline Schwarze, M. A., ist Atemtherapeutin und zertifizierte
Hakomi-Therapeutin (Körperpsychotherapie), Trainerin
für Persönlichkeitsentwicklung.
Seit 1988 ist sie in eigener Praxis und für verschiedene
Organisationen tätig;
Qigong-Dozentin der Medizinischen Gesellschaft für Qigong
Yangsheng.
Leseprobe:
1. Einführung
"Wenn ich stehe wie eine
Kiefer, ändert sich auch meine innere Haltung, ich
spüre mich klarer und stehe
mehr zu mir",
"Wenn ich die 'Wolkenhände' bewege, habe ich das
Gefühl, dass es auch
mal leicht gehen darf im Leben."
Qigong-Praktizierende äußern
sich häufig zu den vielfältigen seelischen Wirkungen
des Übens. Sie bemerken,
dass sie mehr Selbstgefühl und Selbstsicherheit entwickeln,
überzeugender
auftreten können, entspannter und freier werden sowie
gelassener mit sich und
anderen umgehen können.
Da wir in den Bereichen von
Psychotherapie, Körperpsychotherapie, Beratung und
Selbstmanagement tätig
sind, interessieren uns in diesem Buch besonders die Fragen:
- Wie kann Qigong zur
Stabilisierung und Ressourcenstärkung eingesetzt werden?
- Wie kann es die Entwicklung und Entfaltung der
Persönlichkeit fördern?
- Welche Aspekte sind in diesen Anwendungsbereichen besonders wichtig?
- Welche Erklärungsansätze gibt es für die
seelischen Wirkungen des Qigong
aus westlicher Sicht?
Diesen Fragen wollen wir uns von
verschiedenen Seiten her nähern.
Dabei geht es um Themen wie
- Achtsamkeit und Akzeptanz,
- Selbstberuhigung und Umgang mit Emotionen,
- Selbstgefühl und Selbstbehauptung,
- Kreativität und Potenziale,
- Vertrauen in die Selbstregulation,
- Kontakt zum Wesentlichen.
Anhand von Beispielen aus der
Praxis erläutern wir unter anderem, wie Zentrierung und Erdung
beruhigend und
stabilisierend auf der seelischen Ebene wirken, warum Menschen nach dem
Üben
mehr Kontakt zu sich selbst haben und ihre Probleme aus einem anderen
Blickwinkel sehen. In den Beispielen aus der Praxis wird deutlich, dass
eine Übung
wie Schiebe den Berg zu mehr Klarheit und
Zielgerichtetheit führen oder Das
Spiel des Tigers Angstgefühle verringern kann.
In diesen bewährten
chinesischen Übungsformen werden Achtsamkeit und geistige
Zentrierung,
Bewegung, Haltung, Atem und Imagination auf wirkungsvolle Weise
verbunden. Es
wird von einer Einheit körperlicher und seelisch-geistiger
Vorgänge
ausgegangen - das eine wirkt mit dem anderen zusammen. Vorstellungen,
Bilder,
Gefühle wirken auf körperliche Prozesse, wie auch
umgekehrt Bewegungen und
Haltungen auf Denken und Fühlen wirken. Damit erscheint Qigong
vor dem
Hintergrund neurobiologischer Forschung hochaktuell und trotz der mehr
als
3000-jährigen Geschichte wie eine "moderne"
Körpertherapie.
Neuere wissenschaftliche Studien
belegen das ganzheitliche Zusammenwirken körperlicher,
emotionaler und
kognitiver Prozesse. Im Zuge dieser Entwicklung werden der
Körper und seine
Reaktionen in der Psychotherapie zunehmend beachtet und die Arbeit mit
dem Körper
wertgeschätzt.
Die in unserer westlichen Kultur
vorherrschende Überbetonung der Kognition und des rationalen
Denkens wird von
Hirnforschern infrage gestellt. Die neurobiologische Forschung stellt
mit den
neuesten Ergebnissen sogar die Hypothese auf, dass der Mensch mehr
durch
unbewusste körperliche Prozesse bestimmt wird als durch
bewusste Entscheidungen
(Schore, 2007; Singer, 2004).
Rein kognitive oder
psychodynamische Therapieansätze klammern häufig
etwas Entscheidendes aus,
wenn sie ausschließlich auf die Vermittlung von Erkenntnissen
und Deutungen
abzielen und das körperliche Geschehen außer Acht
lassen. Nicht selten werden
Körperimpulse oder Körperempfindungen sogar als
"Störung" des
intellektuellen Therapiegespräches gesehen und damit die
Chance einer
Integration vertan.
In einer aktuellen
traumatherapeutischen Fachveröffentlichung findet sich in dem
umfangreichen
Stichwortregister nicht ein Wort zu den Bereichen Bewegung,
Körperwahrnehmung,
Körpertherapie - lediglich der Begriff
"Körperkontrolle" taucht auf.
Andere plädieren klar für eine
Einbeziehung des Körpers.
So schreibt Luise Reddemann
(2007): "... (ich) möchte ... meiner Erwartung Ausdruck
verleihen, dass
innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre vermutlich
Psychotherapie ohne eine
wie auch immer geartete Einbeziehung des Körpers obsolet sein
dürfte."
"Ich denke, also bin ich"
ist als "Descartes' Irrtum" bekannt geworden.
Damasio, einer der
renommiertesten Hirnforscher, plädiert eher für ein
"Ich fühle, also bin
ich" und betont, wie sehr Menschen durch ihre körperlichen
Empfindungen
gesteuert werden. Der Neurobiologe Hüther (2005)
wählt als Titel seiner Veröffentlichung
"Mein Körper -
das
bin doch
ich!" und betont die Notwendigkeit, Patienten
in einer Psychotherapie, wieder für ihre körperlichen
Empfindungen zu
sensibilisieren, diese Körperwahrnehmungen zu differenzieren
und das Erlebte in
Worte zu fassen.
Van der Kolk (2006, 2007)
benennt u. a. Qigong als eine Methode, die Achtsamkeit fördern
kann und die Möglichkeit
biete, emotionale und physiologische Zustände zu regulieren.
Weiterhin betont
er den Wert von positiven Neuerfahrungen auf der Körperebene
und ermutigt zu
einem aktiven Einüben dieser korrigierenden Erfahrungen. Das
aktive Aufsuchen
positiver Erlebnisbereiche stärkt die entsprechenden
neuronalen Verknüpfungen
und fördert ihre innere Repräsentanz (Grawe, K.,
2004). Grawe hat sich unseres
Wissens nicht für die direkte Einbeziehung des
Körpers in der Psychotherapie
ausgesprochen, betonte aber das aktive Handeln als Prinzip für
Veränderung.
Dies impliziert Bewegungen und körperliches Erleben.
Für die Bereiche Körperwahrnehmung,
Geschicklichkeit und Freude an der Bewegung gilt das Motto: aktivieren,
was man
behalten möchte. Der bekannte Leitsatz der Neurobiologen
bringt es auf den
Punkt: "use it or lose it". Vereinfacht, jedoch treffend, ist auch die
Aussage: Um im Körper zu Hause zu sein, reicht nicht ein
gelegentlicher Besuch.
Durch regelmäßige Wiederholungen von Bewegungen,
Haltungen und Vorstellungen fördert
Qigong eine Verinnerlichung positiver Erfahrungen und wird daher oft
als ein
"heilsames Ritual" betrachtet. So können nachhaltig eine
differenzierte Körper- und
Selbstwahrnehmung gefördert werden und neue
Verhaltensmöglichkeiten bewusst
werden.
Qigong kommt mittlerweile in dem
weiten Bereich von Prävention, Rehabilitation, Psychotherapie
oder Persönlichkeitsentwicklung
zur Anwendung und dient hier der allgemeinen Stabilisierung,
Ressourcenstärkung,
dem Entspannungstraining sowie der Stressbewältigung. Im
Bereich von Therapie
und Selbstmanagement können auch Aspekte wie Klärung,
Selbsterkenntnis oder
Selbstbehauptung dazukommen. In jedem Fall geht es darum, einen
Gesundungs- oder
Entwicklungsprozess auf körperlicher, emotionaler, geistiger
oder auch spiritueller Ebene zu fördern.
Wir wollen das Thema in
ganzheitlicher Weise vermitteln, etwas für "Hand und
Fuß", "Kopf und
Bauch"
schreiben - und deswegen verschiedene Anregungen und kleinere
Übungsanleitungen
in den Text integrieren. Sensomotorische Wahrnehmungen kann sich das
Gehirn
besser merken als abstrakte Schilderungen, daher bieten wir
Wahrnehmungs- oder
Achtsamkeitsübungen an, um durch eigene Erfahrungen die
beschriebenen
Thematiken anzureichern und während des Lesens einen Geschmack
von Qigong zu
vermitteln.
Am Ende des Buches stellen wir
Ihnen einige Qigong-Übungen als kleine Übungsreihe
vor, die Sie erlernen und
aus denen Sie sich ein Alltagsprogramm zusammenstellen können.
Selbstverständlich
können diese Übungsanleitungen weder das
Üben unter kompetenter Anleitung
noch eine Ausbildung oder eine therapeutische Behandlung ersetzen. Sie
werden
beim Lesen feststellen, dass wir versuchen, Brücken zu bauen -
Verknüpfungen
herzustellen zwischen Theorie und Praxis, östlichen und
westlichen Körpertherapien,
Psychotherapie und Selbstmanagement. Bindeglied aller Bereiche ist die
Frage:
Was hilft dem Menschen, gesund zu werden, seine eigene Balance zu
finden und
mehr Lebenszufriedenheit zu entwickeln?
Vor dem Hintergrund der
Ergebnisse neurobiologischer und psychotherapeutischer Forschung sind
die Themen
Körper, Bewegung, Imagination, Integration und Heilung in den
letzten Jahren
vermehrt in den Aufmerksamkeitsfokus gerückt. Die bereits seit
Jahrzehnten
verbreiteten Körperpsychotherapie-Verfahren finden zunehmend
Anerkennung. Die
Psychotherapie entdeckt den Körper. Auf Kongressen und in der
aktuellen
Literatur wird die Körperlichkeit als Ressource in der
Psychotherapie
thematisiert. Auch aus einem anderen Blickwinkel können wir
uns annähern. Östliche
Verfahren wie
Yoga, Qigong oder Meditationspraktiken treten mit dem
Thema
Achtsamkeit mehr und mehr in das öffentliche Interesse und
sind Gegenstand von
Forschungsprojekten.
Wir sehen derzeit einen
interessanten lebendigen Prozess des Austausches zwischen den
unterschiedlichen
wissenschaftlichen Standpunkten, der Medizin, der Psychotherapie und
traditionellen Herangehensweisen wie dem Qigong.
Wir möchten mit diesem Buch in
Psychotherapie oder in Beratung / Coaching tätige Menschen
erreichen,
Qigong-Praktizierende und -Unterrichtende sowie Betroffene von Stress
oder
seelischen Belastungen.
Viele PsychotherapeutInnen
interessieren sich für erfahrungsorientierte Methoden und die
Einbeziehung des
Körpers in ihre Arbeit. Dieses Buch kann helfen, mehr
Achtsamkeit für körperliche
Prozesse zu entwickeln und in der Therapie ganzheitliche Empfindungen
und
Impulse als Ressource wertzuschätzen. In den Wahrnehmungen,
Bewegungen oder
feinen Signalen des Körpers zeigen sich oft
Lösungswege aus Erstarrung, Empfindungslosigkeit oder
Übererregtheit.
Es kann hilfreich sein, Klienten
Qigong - eine übende körperorientierte Methode - als
Ergänzung zu einer
verbalen Psychotherapie zu empfehlen. So können sie mehr
Zugang zu ihrer Körperwahrnehmung
finden und ein verbessertes Selbstgefühl aufbauen, was
wiederum der
Psychotherapie zugute kommt.
Die Ausbildung zum Qigong-Lehrer
umfasst mittlerweile etwa 500 Stunden und kann durchaus als fundiert
gelten.
Leider werden oft nicht genügend Kenntnisse über die
psychischen Wirkungsmöglichkeiten
vermittelt. Die in diesem Buch dargestellten theoretischen
Grundkenntnisse u. a.
zur Stressforschung sowie Praxisbeispiele aus den Bereichen von
Psychotherapie,
Selbsterfahrung und Selbstmanagement können für
Unterrichtende eine Anregung
bedeuten.
Betroffene von Stress und
Erkrankung können hiervon genauso profitieren wie
professionelle Helfer. Auch
diese fühlen sich durch ihre verantwortungsvolle Arbeit
oftmals belastet und
"vergessen"
durch zunehmende "Kopfarbeit" und gestraffte Arbeitsabläufe
mitunter ihren Körper.
Häufig vorkommende Berichte von Burnout,
Schlafstörungen, Mitgefühlserschöpfung
oder Symptome sekundärer Traumatisierung zeigen, wie notwendig
Selbstfürsorge
und Psychohygiene im therapeutischen Arbeitsbereich ist (Diegelmann,
2007;
Hudnall Stamm, 2002). Qigong kann helfen, körperlich und
geistig zu
regenerieren. Für Klienten und Patienten ist die Erfahrung von
Selbstwirksamkeit, durch eigenes aktives Tun auf die Befindlichkeit
einwirken
zu können und sich von Hilflosigkeit und Ohnmacht zu
lösen, ein zentraler
Aspekt.
Qigong setzt an dem gesunden
Potenzial an, das in jedem Menschen vorhanden ist. Diese Seite gilt es
zu stärken
und mehr zur Entfaltung zu bringen. Qigong ist damit
ressourcenorientiert und
resilienzfördernd. In China wird Qigong seit mehr als 3000
Jahren zur Stärkung
der Gesundheit und Behandlung von Erkrankungen eingesetzt.
Eine hilfreiche Idee für die
westliche Medizin ist, sich von der vorherrschenden Polarisierung
gesund - krank zu lösen und im Sinne Antonovskys (1993) eher
an ein dynamisches Verhältnis
von "mehr oder weniger gesund" zu denken. Die Resilienzforschung
(Rampe, 2005)
belegt, dass eine aktive und hoffnungsvolle,
lösungsorientierte Haltung
hilfreich ist, um die gesunde Seite zu stärken und
Schwierigkeiten zu bewältigen.
Qigong-Übungen haben zum Ziel,
ein vitales Körpergefühl zu fördern - mit
klarem Geist körperlich gut
verwurzelt und zentriert zu sein. Solange der Körper lebt, ist
der Mensch in
seinem Körper "zu Hause", und es lohnt sich, liebevoll und
fürsorglich mit
ihm umzugehen. In dieser Richtung möchten wir die Leserinnen
und Leser des
Buches anregen. Die Verbindung von Qigong und
(Körper-)Psychotherapie
interessierte uns schon eine Weile, als wir uns im Frühsommer
2006 entschieden,
hierzu etwas zu veröffentlichen. Das Thema liegt uns am
Herzen, da wir in
unseren Arbeitsfeldern seit einigen Jahren positive Erfahrungen mit
Qigong als
einem psychisch wirksamen Verfahren gemacht haben.
Micheline Schwarze arbeitet seit
1988 in eigener Praxis als Körperpsychotherapeutin sowie als
Trainerin im
Bereich Persönlichkeitsentwicklung und hat Qigong in diese
Arbeitsbereiche
integriert. Sie ist Atemtherapeutin (Middendorf) und zertifizierte
Hakomi-Therapeutin sowie Qigong-Dozentin bei der Medizinischen
Gesellschaft für
Qigong, Bonn.
Claus Fischer ist seit 1990 als
Psychotherapeut in der Bielefelder Klinik für Psychotherapie
beschäftigt und
bietet Qigong im klinischen Setting für Patientinnen u. a. mit
Traumafolgestörungen
an. Er ist körperpsychotherapeutisch (Biosynthese - Boadella)
ausgebildet,
arbeitet mit EMDR und tiefenpsychologisch fundiert. Er ist ebenfalls
Qigong-
Dozent bei der Medizinischen Gesellschaft für Qigong, Bonn.
Als Autorenteam zu
schreiben bietet die Chance, das Thema mehr zu durchdringen und
aufgrund der
sich ergänzenden Arbeitsbereiche breit gefächert und
mit vielfältigen
Praxisbeispielen aufbereiten zu können. Manches wird als
Synthese unser beider
Erfahrungen erkennbar werden, manches aus unterschiedlichem Blickwinkel
betrachtet nebeneinander stehen bleiben. Wir wollen mit diesem Buch
"aus der
Werkstatt" Anregungen geben und Hypothesen formulieren sowie zum
Ausprobieren
und weiterem Erforschen Mut machen.
Wir wählen abwechselnd die
weibliche und männliche Form der Anrede, gemeint sind immer
gleichfalls Frauen
wie Männer. Meistens überwiegen die Frauen in
Qigong-Übungsgruppen, aber es
gibt auch zunehmend Männer, die sich für Qigong
begeistern.
Als weiblich-männliches
Autorenteam versuchen wir in diesem Buch männlichen und
weiblichen Körperwahrnehmungen
und Betrachtungsweisen gerecht zu werden. Im Sinne der chinesischen
Sichtweise
einer Ausgewogenheit von Yin und Yang wünschen wir den
Leserinnen und Lesern
ein anregendes Lesen und Üben.
Es kann durchaus vorteilhaft
sein, wenn Sie sich von Ihrem "Ziran", von Ihrem inneren
natürlichen Impuls,
leiten lassen, mit welchen Kapitel Sie beginnen wollen, was am
interessantesten
erscheint oder auf später verschoben werden kann.
Viel Spaß und Inspiration!