Stephanie Hauschild: "Maler / Modelle / Mäzene"

Geschichte und Symbolik der Porträtmalerei


Porträts - mehr als ein Fenster zur Vergangenheit

Maler, die sich auf Porträts spezialisiert haben, sind seit Aufkommen der Fotografie selten geworden. In den Jahrhunderten zuvor konnte ein erfolgreicher Porträtmaler gutes Geld verdienen.

Für unsere Zeit bieten Porträts vor allem eine Möglichkeit, frühere Epochen kennen zu lernen, bilden doch die Porträts neben individuellen Gesichtszügen unter anderem auch Frisuren, modische Kleidung und Interieurs ab. Dass sie jedoch noch wesentlich mehr darstellen als Momentaufnahmen aus ihrer jeweiligen Epoche, zeigt Stephanie Hauschild in ihrem Buch über die Porträtmalerei auf.

Eingangs stellt die Autorin ihre Intentionen vor. Als Aufhänger dient das berühmte "Bildnis des Dorian Gray", Oscar Wildes berühmter Roman um einen narzisstischen jungen Mann und ein diesen darstellendes Porträt.

Ein kurzer Abriss zeigt die Entwicklung hin zur Porträtmalerei auf, und der Leser lernt, wie der Begriff des Porträts überhaupt zu definieren ist. Im darauf folgenden Kapitel geht es um Atelier und Handwerkszeug des Porträtmalers, den Ablauf seiner Arbeit und um Möglichkeiten für spezialisierte Porträtmaler, mit ihrem Können ein akzeptables bis hohes Einkommen zu erzielen.

Das Kapitel "Von der Buchmalerei bis zum Bild an der Wand" befasst sich mit der Präsentation von Porträts, anfänglich als schmückendes Element in religiösen Handschriften, später auf Altären, wobei die integrierten Stifterfiguren eine angemessene Würdigung erfahren, dann an den privaten Wänden jener, die sie sich leisten konnten, und schließlich in Galerien und Ausstellungen.

Im Kapitel "Porträtkunst" schließlich kann sich der Leser über interessante Details zu genutzten Techniken informieren, wozu ungewöhnliche Blickwinkel, die Ausnutzung der perspektivischen Möglichkeiten und vor allem die Darstellung von Haut gehören - eine besondere Herausforderung für Porträtisten.

Der Tod als Element von Porträts tritt im letzten Kapitel auf und mit ihm wiederum das Bildnis des Dorian Gray, ein ausgezeichneter Brückenschlag.

Nach der Lektüre dieses Buchs werden kunstinteressierte Laien beim Betrachten eines Porträts im Museum sicherlich nicht mehr einfach denken: So sahen die damals also aus!, sondern vielmehr mit Interesse die dank Stephanie Hauschilds Ausführungen gewonnenen Kenntnisse umsetzen.

Man wird die bei der Hintergrundgestaltung eingesetzten Spiegel und die daraus resultierenden, oftmals raffinierten Effekte bewusst zur Kenntnis nehmen, die Intention einer ungewöhnlichen Perspektive ergründen wollen, dargestellte Attribute wie Totenschädel und Bücher zu interpretieren wissen und untersuchen, wie der Künstler nackte Hautpartien durch Farbwahl und das Spiel mit der Beleuchtung in Szene gesetzt hat.

Wiewohl die Autorin einen umfassenden Einblick in Geschichte, Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten der Porträtmalerei vermittelt und nicht zuletzt auch auf den Beruf des Porträtmalers detailliert eingeht, sind ihre Ausführungen für Laien sehr gut verständlich. Stephanie Hauschild setzt zudem eine Fülle von sehr anschaulichen Beispielen ein. Qualitativ vorzügliche Abbildungen der zur Erläuterung herangezogenen Kunstwerke findet man im Buch in mehreren Blöcken. Manche der Bilder dürften dem Leser gut bekannt sein, vor allem natürlich die "Mona Lisa" oder Velazquez' "Las Meninas", andere besitzen einen geringeren Bekanntheitsgrad. Beim Blättern mag man sich über Caspar David Friedrichs "Der Wanderer über dem Nebelmeer" wundern, zeigt das Gemälde doch die Rückansicht eines Mannes und ist somit nicht als ein Porträt im klassischen Sinne anzusehen - oder doch, wie man im Text erfährt.

Auch im 20. Jahrhundert geborene Künstler und ihre Werke werden einbezogen, so Lucian Freuds Bildnis von Königin Elizabeth II. und Jörg Immendorffs Porträt des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder.

Das Buch hat jedoch nicht nur aus inhaltlicher Sicht viel zu bieten, es ist darüber hinaus auch sehr ansprechend und hochwertig aufgemacht, sodass der nicht ganz geringe Preis durchaus gerechtfertigt erscheint. Ein für Kunstfreunde sehr empfehlenswertes Buch: informativ, angenehm zu lesen, gut gegliedert und schön gestaltet.

(Regina Károlyi; 10/2008)


Stephanie Hauschild: "Maler / Modelle / Mäzene. Geschichte und Symbolik der Porträtmalerei"
Jan Thorbecke Verlag, 2008. 126 Seiten mit Abbildungen.
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Weitere Bücher der Autorin (Auswahl):

"Mönche, Maler, Miniaturen. Die Welt der mittelalterlichen Bücher"

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Stimmungsvolle Abbildungen machen den Band zu einer Oase für die Sinne. (Jan Thorbecke Verlag)
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"Oasen für die Sinne. Wie der Garten ins Wohnzimmer kam"
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Anhand zahlreicher Fotos und historischer Abbildungen spürt die Autorin dem Lebensstil der Zisterzienser, ihrem Umgang mit der Natur und ihrer Einstellung zur Landarbeit nach. Dabei schlägt sie einen Bogen von der schlichte Stille der Kreuzgänge bis zum geschäftigen Leben auf den großen Klostergütern. (Jan Thorbecke Verlag)
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