George Lakoff, Eva Elisabeth Wehling: "Auf leisen Sohlen ins Gehirn"
Politische Sprache und ihre heimliche Macht
Die
Mechanismen seines eigenen
politischen Denkens, Sprechens und Handelns besser kennenlernen
"Die Feder ist mächtiger als das Schwert",
besagt eine alte
Redewendung, und allzu gerne vergisst man wegen diverser
Tschinnbummfilme und
auch Tendenzen der Außenpolitik einiger Staaten, dass dies
ein im Grunde
ziemlich treffender Ausspruch ist. Dieses Buch geht direkt auf die
Anwendbarkeit
dieser Idee ein, wobei insbesondere die us-amerikanische des Umgangs
mit Sprache
in der politischen Meinungsbildung im Vordergrund steht. Dies liegt
sicherlich
daran, dass die beiden Gesprächspartner in diesem Buch an der University
of
Berkeley tätig sind. Aber die in "Auf leisen Sohlen
ins Gehirn"
dargestellten Muster sind problemlos auf andere Länder - und
andere Zeiten - übertragbar,
sowie auf andere Bereiche, in denen Menschen durch Sprachverwendung
beeinflusst
werden sollen.
Das Buch geht auf mehrere Gespräche zurück, die in
Interviewform wiedergegeben
sind, so dass das Erkenntnisinteresse des Fragestellers sehr stark die
Antworten
bestimmt. Es ist anzunehmen, dass dem Leser durchaus noch andere Fragen
eingefallen wären.
Im ersten größeren Abschnitt wird zunächst
einmal dargestellt, wie sich das
menschliche Denken weitestgehend in Bildern abspielt und welche
körperlichen
Bedingungen dafür mit verantwortlich sein könnten.
Hierbei wird die Rolle der
sogenannten Spiegelneuronen ein wenig höher gehängt,
als es einigen
Neurowissenschaftlern im Moment recht wäre, aber im
Großen und Ganzen
erscheint die Grundlegung hier solide und tragfähig
für die folgenden
Beobachtungen.
In der Folge werden dann, in einer Gegenüberstellung
konservativen und
liberalen Denkens in den USA, verschiedene grundlegende politische
Metaphern
betrachtet, wie sie von der jeweiligen Gruppierung be- und genutzt
werden. Dabei
geht es unter anderem um "Die Nation als Familie", "Strenge
Väter
gegen fürsorgliche Eltern", die gedanklichen Rahmenbedingungen
für
moralische Vorstellungen, die Fähigkeit von Menschen,
gegensätzliche Ansichten
in unterschiedlichen Lebensbereichen zu haben, "Rationalismus", Umgang
mit politischen Reizthemen, "Die Achse des Bösen", "Krieg
gegen
den Terror", "Demokratie" und die Auslegung metaphorisch
angelegter biblischer Texte.
Alles in allem bietet sich eine recht umfassende Analyse der
Begrifflichkeit
politischen Denkens und Handelns in den USA, wobei die Interpretation
sehr in
eine Utopie eines erfolgreichen liberalen Regierens geht, was eventuell
mit der
Alma Mater der beiden Gesprächspartner zu tun haben
könnte. Nicht umsonst gehörte
ja auch P. K. Dick einst zum Berkeley-Kreis, dem
die konservative Politik
und das konservative Denken schon immer verdächtig erschienen.
Der Anstrengung,
die von ihnen verwendeten Metaphern zu hinterfragen - und auch ihre
Idee eines
bewussten Journalismus -, muss der Leser von sich aus unternehmen, was
aber eine
gute Übung darstellt.
Nach der Lektüre dieses Buches liest man viele
Zeitungen und
Werbetexte
sicherlich "mit anderen Augen", auch wenn einige der Erkenntnisse
nicht ganz neu sind. Allerdings ist die Verknüpfung mit den
Entwicklungen des
politischen Sprachgebrauchs in den USA, ausgehend von den
"Denkfabriken" bzw. "Expertenrunden" der republikanischen
Partei in den letzten 30 Jahren, durchaus erhellend.
Der Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland im Nachwort fällt
ein wenig dünn
aus, und in meinen Augen auch ein wenig zu positivistisch. Hier
würde sich
wirklich eine eigene Betrachtung in einem gesonderten Buch anbieten.
Ansonsten stellt "Auf leisen Sohlen ins Gehirn" jedoch
eine wichtige
Lernhilfe auf dem Weg zum mündigen Staatsbürger dar;
besonders, wenn man sich
die Mühe macht, jene Metaphern, welche die beiden Sprecher
hier ununtersucht
verwenden, näher unter die Lupe zu nehmen.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2008)
George
Lakoff, Eva Elisabeth Wehling: "Auf
leisen Sohlen ins Gehirn.
Politische Sprache und ihre heimliche Macht"
Carl-Auer Verlag, 2008. 192 Seiten.
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