Reinhard Bauer, Ernst Piper: "Kleine Geschichte Münchens"


850 Jahre München

In diesem Jahr, 2008, feiert die bayrische Metropole München das 850jährige Jubiläum ihrer Stadtgründung, präziser gesagt: aus dem Jahre 1158 ist die urkundliche Erwähnung des Namens München das erste Mal bezeugt. Und zu diesem Jubiläum erschien nun in der Reihe dtv premium eine "Kleine Geschichte Münchens". Die Autoren sind Reinhard Bauer und Ernst Piper, beide sind sowohl gebürtige Münchner als auch Historiker, Reinhard Bauer ist außerdem noch ein Mitglied des Münchner Stadtrats. Christian Ude, Bürgermeister der bayrischen Landeshauptstadt, hat das Vorwort beigesteuert: "Metamorphosen einer Stadt". Auf die Metamorphosen des Christian Ude hätte man aber gut und gerne verzichten können. Langatmig, im Selbstbeweihräucherungsstil des berufsmäßigen Politikers, breitet er seine Verdienste vor dem Leser aus. Überflüssig.

Davon abgesehen ist das Buch recht interessant und vor allem informativ. In vierzehn Kapiteln werden die wichtigsten Etappen der Stadtgeschichte und, damit verknüpft, die Geschichte des Kurfürstentums und späteren Königreichs Bayern dargestellt. Das Buch ist durchgehend illustriert, in der Mitte befindet sich ein farbiger Tafelteil. Eine Zeittafel mit den wichtigsten Daten zur Münchner Geschichte beschließt den Band. In dieser Zeittafel fehlt jedoch erstaunlicherweise der Kurfürst Karl Theodor, der immerhin mehr als zwanzig Jahre regierte und unter dessen Regentschaft unter anderem der Englische Garten angelegt wurde. Aber da dieser Kurfürst halt kein Bayer war und der pfälzischen Linie der Wittelsbacher entstammte, und aus diesem Grunde nicht gerade Volkes Liebling war, wiegt die Unterschlagung seines Namens in der Zeittafel für die eingefleischten Bajuwaren wohl nicht so schwer. Andererseits erfährt der Leser im Haupttext nichts von der Thronbesteigung Ludwigs des Dritten, nur in der Zeittafel findet sich der Hinweis, dass Ludwig der Dritte nach dem Tode des Prinzregenten im Jahre 1912 die Regentschaft übernommen hat. Dies sind leider nicht die einzigen Ungereimtheiten, die der Text für den Leser parat hält. Zum Beispiel wird man seitenlang darüber im Unklaren gelassen, was es mit Benjamin Thompson und dem Grafen Rumford auf sich hat. Erst später folgt die Aufklärung, dass es sich dabei um ein und dieselbe Person handelt. Frei von Mängeln ist diese neue München-Publikation also nicht.

Die Autoren legen das Schwergewicht ihrer Ausführungen auf die politische Entwicklung der Stadt. Das geht ein wenig an der selbstgewählten Zielsetzung vorbei, ein Buch für den "München-Fan" geschrieben zu haben, wie es auf der Umschlag-Rückseite zu lesen ist. Aber welchen "München-Fan" interessiert denn schon die genaue Sitzverteilung in den verschiedenen Münchner Stadtparlamenten, ob sie nun aus der Räterepublik, aus der Weimarer Republik oder aus welcher Epoche auch immer sind? Und dass beim Besuch des Schahs von Persien und zu anderen Anlässen in der Stadt Demonstrationen stattgefunden haben, ist kein spezifisch Münchner Phänomen.

Ich persönlich hätte mir detailliertere Informationen zu typisch Münchner Traditionen und Originalen gewünscht, wie beispielsweise Karl Valentin, der Biergarten-Kultur, dem Viktualienmarkt et cetera. Dies alles findet zwar Erwähnung im Buch, fristet jedoch mehr ein Schattendasein. Der Alpinismus, die grandiose Bergwelt, die schöne Voralpenlandschaft und der damit verbundene Freizeitwert zum Beispiel, der im Bewusstsein sowohl der Einheimischen als auch der Zugereisten und der meisten Touristen untrennbar mit München verbunden ist, der findet überhaupt keine Berücksichtigung in dieser Stadtgeschichte. Aber man kann im beschränkten Rahmen eines solchen Buches eben nicht alle Themen ansprechen, die Autoren waren von daher gezwungen, eine Auswahl zu treffen und dabei Prioritäten zu setzen. Was der eine Leser als wichtig oder wesentlich erachtet, das mögen andere Leser als ganz unwesentlich einstufen. Jedem recht machen kann man es halt nicht. Doch in jedem Fall kann man sich durch die Lektüre dieses Buches ein fundiertes Wissen über München und seine Geschichte aneignen.

(Werner Fletcher; 04/2008)


Reinhard Bauer, Ernst Piper: "Kleine Geschichte Münchens"
Mit einem Vorwort von Christian Ude. Mit farbigem Bildteil, Karten und Zeittafel.

dtv premium, 2008. 340 Seiten.
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