Roberto Mistretta: "Der kalte Blick der Rache"
Maresciallo Bonanno sehnt sich nach Gerechtigkeit
Eine
engagierte, dabei aber sehr unaufgeregte Stimme aus Sizilien
Konnte man dem vorigen Buch der Serie von Roberto Mistretta um den
sizilianischen Carabiniere Bonanno, "Das falsche Spiel des Fischers",
noch mit Recht vorwerfen, dass es doch recht lange mit einer
belanglosen Handlung dahinplätscherte, bevor es dann richtig
Fahrt aufnahm und mit einem ebenso spannenden wie auch menschlich sehr
bewegenden Ende aufwartete, geht Roberto Mistretta in "Der kalte Blick
der Rache" gleich inhaltlich und sprachlich in die Vollen. Er hat das
Buch wieder mit zwei Erzählsträngen komponiert, die
erst am Ende zusammengeführt werden. Im ersten Strang wird von
Maresciallo Bonanno erzählt, der zusammen mit seiner
pubertierenden Tochter bei seiner Mutter lebt, von der er sich
kontrolliert fühlt, die ihm aber eigentlich Gutes will,
besonders, nachdem seine Frau ihn nach vielen außerehelichen,
an Nymphomanie grenzenden
Eskapaden über Nacht verlassen hat.
Über lange Zeit lag Bonannos Liebesleben brach, aber nun hat
er mit der hübschen Rosalia eine Frau kennengelernt, die erst
seit kurzem in Villabosco lebt, jenem Ort, wo die Handlung des Buches
größtenteils spielt.
Villabosco ist auch der Sitz der Kaserne der Carabiniere, einer
militärisch organisierten Polizeitruppe, die man auch aus
Magdalen
Nabbs Kriminalromanen um den wackeren Guarnaccia
kennt. Bonannos Kollegen, allen voran sein treuer und mutiger Assistent
Steppani, bilden eine besonders solidarische Truppe, die aus dieser
Kraft heraus und aufgrund des unverwechselbaren "Instinkts" Bonannos
ihre Fälle löst.
Mehrmals werden die Treffen Bonannos mit Rosalia durch
plötzliche Einsätze gestört. Einmal geht es
um gestohlene Autos, einmal um vergiftete Hunde, doch dann auch um
Körperverletzung und schließlich um versuchten Mord.
Ein Eifersuchtsdrama steht dabei im Vordergrund, bildet aber nur die
Oberfläche einer sich dahinter abspielenden Geschichte, die
hier nicht beschrieben werden soll, um die Spannung nicht zu
zerstören.
Zu dieser Geschichte passt schlussendlich auch der zweite Strang des
Romans, in dem Mistretta den Schicksalsweg Mishnas verfolgt, der
zunächst mit seinen Eltern aus dem Kosovo fliehen will und
das, nachdem sein Vater ermordet wurde, zusammen mit seiner Mutter
Zmitra auch tut. Mishna wird Zeuge unendlich brutaler, unmenschlicher
Szenen und schier unvorstellbarer Gewalt. Er muss die stundenlange
Vergewaltigung seiner Mutter durch einen ganzen Trupp von serbischen
Soldaten mit ansehen und kann später nicht verhindern, dass
seine Mutter, völlig zerstört an Leib und Seele,
ins
Wasser geht. Er findet Unterkunft bei Verwandten, die ihn auf ihre
schon geplante Flucht nach Italien mitnehmen. Doch dort erwarten ihn
erst recht eine Hölle und noch mehr Erfahrungen von Gewalt und
Erniedrigung, aber nicht durch die Bewohner seines Gastlandes, sondern
durch Leute aus demselben Herkunftsland, die das Elend ihrer
früheren Mitbürger schamlos und kriminell
ausnützen.
Selten hat der Rezensent in letzter Zeit Szenen solcher
Unmenschlichkeit gelesen.
Dem
1963 im
sizilianischen Mussomeli geborenen Roberto Mistretta gelingt es, neben
der Schilderung dieser zweiten Handlung, eine flammende Anklage gegen
die Zustände im ehemaligen Jugoslawien, aber auch
gegen die Reaktion der NATO zu schreiben, der nichts Anders
einfällt, als Belgrad zu bombardieren.
Roberto Mistretta hat seine Serie mit einem sehr guten Buch
fortgesetzt. Als Krimileser wird man diese Serie im Auge behalten
müssen.
(Winfried Stanzick; 04/2008)
Roberto
Mistretta: "Der kalte Blick der Rache. Maresciallo Bonanno sehnt sich
nach Gerechtigkeit"
(Originaltitel "Il diadema di pietra")
Übersetzt von Katharina Schmidt.
edition lübbe, 2008. 347 Seiten.
Buch
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