"Meterikon. Die Weisheit der Wüstenmütter"

Herausgegeben und übersetzt von Martirij Bagin und Andreas-Abraham Thiermeyer


"Du hast uns auf dich hin geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir" - so beschreibt der spätantike Kirchenvater Augustinus in seinen "Confessiones" (I,1) eine Ursehnsucht der Menschen, die nicht unwesentlich zur Entstehung des Mönchtums beigetragen hat. Seit etwa dem 3. bzw. 4. Jahrhundert haben christliche Eremiten, ähnlich wie vor ihnen die jüdischen Essener in Palästina oder die jüdischen Therapeuten, ihren Weg der Nachfolge Christi in der Wüste gesucht. Der Asket (monachos) lebt allein in einer kleinen Gemeinschaft.

Begriffe wie "Wüste" und "Auszug" bilden Leitmotive dieser Menschen. Innere und äußere Trennung (Anachorese) sind wichtig, um ein "apostolisches Leben" zu führen. Deshalb darf man den Begriff "Wüste" nicht nur einseitig geografisch missverstehen. "Die Wüste gilt als der Ort der Freiheit, der Umkehr, der Einkehr, des Gesetzes, des Kampfes und der Gottesnähe."

Die Wurzeln eines solchen Mönchtums liegen bereits im Spätjudentum und im Urchristentum, wo auch in der Jesusbewegung Armut und Ehelosigkeit als etwas Besonderes angesehen wurden und als Vorbereitung auf die baldige Wiederkunft Christi dienten, an die diese Menschen noch glaubten. (Vgl. hierzu die Forschungen besonders von Gerd Theißen, Luise Schottroff und Wolfgang Stegemann.)

"Wie die Geschichte des Mönchtums zeigt, haben geweihte Jungfrauen, Witwen und Nonnen, ähnlich wie die Mönche, ohne wesentliche Unterschiede in der geistlichen Tradition des Mönchtums gelebt. Von Anfang an haben Frauen analoge Modelle des anachoretischen Lebens entwickelt. Viele von ihnen lebten als Asketinnen bei ihrer Familie oder schlossen sich zu Hausgemeinschaften zusammen."

Parallel zur Entwicklung des Mönchtums, das schon ab dem 4. Jahrhundert immer mehr die Form der Klostergemeinschaft annahm, entwickelten sich die entsprechenden Klostergründungen für Frauen. Die Einleitung der Herausgeber diese Buches führt dafür viele Beispiele auf.

Die hier zum ersten Mal in einer deutschen Übersetzung vorliegende Sammlung der Aussprüche der Wüstenmütter, das "Meterikon", gilt in der frühen geistlichen Literatur als absolutes Unikat. Der Autor dieser Sammlung ist der Mönch Jesaja, der im 12./13. Jahrhundert lebte. Aus verschiedenen alten Sammlungen hat er diese Texte zusammengestellt. Sie blieben im Westen lange unbekannt; wohl auch, weil West- und Ostkirche so lange getrennt waren.

Die hl. Pelagia lehrte auch: "Wenn wir den entehrenden Leidenschaften des Leibes frönten, sollten wir bereuen und um uns weinen, auf dass wir am Tag des allgemeinen Gerichtes nicht klagen und weinen müssen.“

Eine Nonne kam zu der ehrwürdigen Pelagia und sagte zu ihr:
"Meine Herrin, was soll ich ob meiner Sünden anfangen?" Die ehrwürdige Pelagia antwortete: "Meine Schwester! Wer sich vor den Sünden erretten will, kann sich durch Stille, völliges Schweigen und Weinen von ihnen befreien."

Sie sagte ferner: "Die Stille und das Schweigen sind der Weg, den uns die heiligen Väter und die Heilige Schrift vorgezeichnet haben. Also weint in Stille um eure Sünden, denn es gibt keinen anderen Weg, außer diesem."

(Aus dem Buch)

Die vorliegende Übersetzung basiert auf einem Nachdruck des Verklärungsklosters in Moskau und bietet dem deutschsprachigen Publikum zum ersten Mal einen auch geistlichen Einblick in die Weisheit von Frauen, die auch nach heutigen Gesichtspunkten eine außerordentliche persönliche und geistliche Freiheit und Unabhängigkeit erreicht hatten.

Dennoch haben diese Weisheitstexte für unsere Gegenwart nur einen begrenzten Wert, der mehr ein historischer ist als ein für das Leben heutiger Menschen, insbesondere Frauen, aktueller. Für die Erforschung und das Verständnis des frühen Mönchtums und die Rolle von Frauen im frühen Christentum jedoch ist diese Sammlung von unschätzbarem Wert.

(Winfried Stanzick; 01/2008)


"Meterikon. Die Weisheit der Wüstenmütter"
Herausgegeben und übersetzt von Martirij Bagin und Andreas-Abraham Thiermeyer.

Sankt Ulrich Verlag, 2004. 160 Seiten.
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Dr. Andreas-Abraham Thiermeyer, geboren 1949, wurde 1977 in Eichstätt zum Priester geweiht. Seine weiterführenden Studien beschloss er am Pontificum Institutum Orientale in Rom mit dem Lizenziat und dem Doktorat. Seit der Gründung des Collegium Orientale 1998 ist er dessen Rektor. 2002 wurde er zum Erzpriester und Mitrat geweiht. Zu Ostern 2006 wurde er von Papst Benedikt XVI. zum Berater in der vatikanischen Ostkirchen-Kongregation berufen.