"Für
die mit der Sehnsucht nach dem Meer"
Gedichte versammelt von Joachim Sartorius
Sprecher:
Oda Thormeyer, Christian Erdmann
(Hörbuchrezension)
Die
Poesie ist ein Meer
Die vorliegende Gedichtauswahl konzentriert sich auf das ausgehende 19.
sowie das 20. Jahrhundert. Der Lyriker, Übersetzer und
Publizist Sartorius sieht das Meer als "das Gegenteil von
Begrenzung, zugleich das Fremde, weil ganz
Menschenandere." Die latente Widersprüchlichkeit
findet er am schlichtesten und gleichzeitig am nachhaltigsten in den
Versen von Axel Sanjosé artikuliert: "Einmal sahen
wir Möwen: / Wir stellten uns das Meer vor. / Einmal sahen wir
keine Möwen: / Wir stellten uns das Meer vor." Das
ist freilich in beeindruckender Simplizität die ganze
Bandbreite der Sehnsucht nach dem unendlich scheinenden Element.
Sartorius bekennt mit dieser Gedichtsammlung: "Ich
erzähle meine Geschichte vom Meer."
Der Titel für die CD ist dem Gedicht von Orhan Veli Kanik
'Für die mit der Sehnsucht nach dem Meer' entliehen. Zu den
bekanntesten Autorinnen und Autoren, die mit Texten vertreten sind,
gehören
Ingeborg
Bachmann, Emily Dickinson, Friedrich Nietzsche, D.H.
Lawrence, Arno Holz, Joachim Ringelnatz,
Herman
Melville, Walt Whitman, Charles Baudelaire und
Günter Eich. Da heißt es bei Kanik zunächst
ganz konventionell: "Schiffe fahren in meinen
Träumen" - um dann aber schon befremdlich zu werden,
denn sie fahren "über die Dächer"
Und das lyrische Ich erinnert sich, "wie ich die Welt zum
ersten Mal sah / Durch den Spalt einer Muschel" - und "immer
noch fließt mein Blut salzig." Hier scheint jemand
sozusagen sowohl Bestandteil des Meeres zu sein als auch die Ambivalenz
in der Distanz auszuloten mit seiner "Sehnsucht nach dem Meer."
Auch bei Ingeborg Bachmann beschleichen uns zwiespältige
Ahnungen, wenn es heißt: "Die große
Fracht des Sommers ist verladen", und uns begegnet das
bedrohliche "Lächeln der Lemuren". Der
Text arbeitet mit Verswiederholungen, genauso wie uns Ebbe und Flut
immer wieder einholen. Im Unterschied dazu scheinen die 'Segelschiffe'
bei
Joachim
Ringelnatz unbeschwerter - sie "schaukeln
kokett in des Schicksals Hand" und "Ihr Anblick
erhellt / Und weitet unsre Gedanken", denn es "rauscht
wie Freiheit." Da sind wir versöhnt und
fühlen uns animiert. Immer wieder stellt sich ja die Frage, ob
das Meer eher verbindend oder trennend sei, begrenzt oder unendlich,
bedrohlich oder nützlich. Bei Walt Whitman sind wir alle ein
Teil des Meeres, wir trennen und begegnen uns, wir gehören
zusammen und sind uns doch fremd. Aber alles in allem lehrt uns das
Meer Geduld. Bei Emily Dickinson erfahren wir die metaphorische
Metamorphose vom Meer zur Ewigkeit: "Als teilte sich das Meer
/ Und zeigt ein weiteres Meer - / Und das ein weiteres - und die drei /
Nur Vorbereitung wär'n // Für Meere Zeit um Zeit - /
Von keinem Strand erreicht - / Ein jeder Rand von neuem Meer - Das
wäre Ewigkeit." Genauso ließe sich auch
Sehnsucht oder Ratlosigkeit erklären.
Wie sollen wir es uns auch verständlich werden lassen, wenn
das Meer quasi resümiert - zumindest hat Ron Winkler diesen
Eindruck - und schließlich "das
Land wieder laut vor sich her schiebt." Man sagt uns ja, dass
wir überwiegend aus Wasser bestehen - also woher nehmen wir
unsere Gewissheit, uns an Land sicher zu wähnen, unerreichbar
vom Meer. Wir sind dem Element ohnehin ausgeliefert - also sollten wir
es lieben. Denn irgendetwas in uns erinnert sich daran, dass
dermaleinst das Leben aus dem Meer entstand und versuchte, an Land zu
flüchten. Damit hat das Gattungswesen Mensch die Unendlichkeit
riskiert, die uns nur aus dem Meer heraus/herüber lockt, wie
das auch bei Nietzsche 'Nach
neuen Meeren' anklingt. Freilich birgt
für den Pragmatiker das All noch viel mehr Unendlichkeit -
aber, seien wir bescheiden: die Unendlichkeit des Meeres
könnten wir sogar begreifen.
Ernüchternd allerdings, wie uns Charles Baudelaire den
'Albatros' schildert, der hin und wieder einem Schiff hinaus aufs Meer
folgt, sich dann weit draußen ermattet auf den Planken
niederlässt und den Abflug nicht mehr schafft - denn es "hindern
drunten zwischen frechem Volke / die riesenhaften Flügel ihn
am Gang." Indem Baudelaire hiermit eine Analogie zwischen
Albatros und Poet konstruiert, stellt sich noch die Frage, wann man
sich diese stimmungsmäßig durchwachsene
Gedichtsammlung anhört: vor, im oder nach dem Urlaub am Meer?
Vielleicht sogar antizyklisch im Gebirge, wo man die Poesie des Meeres
in der Gegenwart vermisst, aus der Vergangenheit aber noch zu ahnen
vermag.
(KS; 08/2008)
Joachim
Sartorius (Hrsg.): "Für die mit
der Sehnsucht nach dem Meer. Gedichte"
Sprecher: Oda Thormeyer, Christian Erdmann.
Hoffmann und Campe, 2008. 1 CD.
Hörbuch-CD
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Buchausgabe:
marebuchverlag, 2008.
Buch
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Joachim
Sartorius, geboren 1946,
ist Lyriker, Übersetzer und Publizist und hat u.a. die
Werkausgabe von Malcolm
Lowry und den "Atlas der neuen Poesie" herausgegeben. Er wuchs in
Tunis auf und verbrachte zwei Jahrzehnte im diplomatischen Dienst in
New York,
Istanbul und Nikosia. Bis 2000 war Joachim Sartorius
Generalsekretär des "Goethe-Instituts",
seit 2001 ist er Intendant der "Berliner Festspiele".
Weitere Buchtipps:
Joachim Sartorius (Hrsg.): "Zwischen Berlin und Beirut.
West-östliche
Geschichten"
Autoren aus Deutschland treffen Kollegen in Ländern des Nahen
Ostens, dann
kommen diese zum Gegenbesuch nach Deutschland, und aus den
wechselseitigen
Erfahrungen entsteht Literatur: Ein West-östlicher Diwan.
Bei der Begegnung in Beirut debattieren Autoren über den
Wettstreit zwischen
Muezzin und Glockengeläut, im Nildelta erkunden sie die
"Erinnerungen, die
Orte gespeichert haben"; sie laden zum Spaziergang ein durch das
"traurige
Berlin, das ich liebe", berichten von den Satellitenschüsseln
selbst auf
den kleinsten Hütten am Rande Casablancas. Ihre Gedichte
umkreisen die "Flügel
des Schicksals" am Potsdamer Platz in Berlin und berichten von Fes -
"jedes
minarett eines teppichs faden"; ihre Reportagen führen nach
Bahrain und
Teheran, nach Istanbul und Kairo.
Dieser Band versammelt Erfahrungen aus fünf Jahren
literarischer Begegnungen
mit der Chance, die Literatur bietet: den radikal subjektiven Blick und
die Fähigkeit,
kulturelle Grenzen hinter sich zu lassen. Erfunden wurde dieses
Austauschprogramm namens "West-östlicher Diwan" 2002 am
"Wissenschaftskolleg
zu Berlin", und seither wird es gemeinsam mit den "Berliner
Festspielen" und anderen Kooperationspartnern umgesetzt. Bis 2007 haben
22
Autorinnen und Autoren an diesem Projekt teilgenommen - für
diesen Band wurden
auserlesene Früchte der Begegnungen zusammengetragen: Ein
faszinierender neuer
West-östlicher Diwan.
Mit Beiträgen von Abbas Beydoun,
Marica
Bodrožić, Rashid al-Daif,
Ulrike
Draesner, Gamal al-Ghitani, Qassim Haddad, Joachim Helfer,
Guy
Helminger, Michael
Kleeberg, Shahriar Mandanipur,
Martin
Mosebach,
Albert
Ostermaier,
Ulrich
Peltzer, Ingo
Schulze, Miral al-Tahawy,
Ilija
Trojanow, Abdallah Zrika. (C.H. Beck)
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Joachim
Sartorius: "Das
Innere der Schiffe. Zwischen Wort und Bild"
Die versammelten Essays des Dichters, Übersetzers,
Kulturdiplomaten und
Intendanten der "Berliner Festspiele" Joachim Sartorius umspielen in
ihrem Titel die Troerinnen des Euripides: "Nie war ich im
Inneren der
Schiffe, aber ich weiß von ihnen durch Worte, die ich
hörte, und Bilder, die
ich sah."
Die unveröffentlichten genauso wie die bereits erschienenen
Essays von Joachim
Sartorius durchqueren die Welt des Wortes (im ersten Teil:
über Dichter) und
die Welt des Bildes (im zweiten Teil: über Künstler).
Schließlich schreibt
Joachim Sartorius über Bilder und Sprache, über die
wechselseitigen Berührungen.
Die großen Namen der Literatur, die Freunde, treten auf:
Cees
Nooteboom, John Ashbery, William Carlos Williams oder Péter
Nádas. Hinzu kommt die Laudatio auf den
türkischen Autor
Orhan
Pamuk, "Friedenspreisträger" des Jahres 2005.
(DuMont)
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Andrea
Wüstner (Hrsg.): "Das
Meer. Gedichte"
Sanft und still oder gewaltig und sturmumtost: Nur das Meer
kann solche Widersprüche in sich vereinen. Seltsame Wesen
bevölkern es, wie
Nixen, Kraken, Delfine
- und natürlich Matrosen. Die hier versammelten Gedichte von
Goethe
und Heine,
Verlaine und Storm
bis hin zu Ingeborg
Bachmann und
Mascha
Kaléko wecken die Sehnsucht auf den
nächsten Urlaub, natürlich am Meer! (Reclam)
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Andrea
Wüstner (Hrsg.): "Meeresrauschen:
Geschichten und Gedichte"
Tosende Wogen, spielende Wellen, unergründliche Tiefen - seit
jeher faszinierte
die Dichter die Unbeständigkeit und Gewalt des Meeres, aber
auch die Ruhe und
Stille der See. Die Anthologie versammelt die schönsten
Gedichte und (kurzen)
Geschichten von Ebbe und Flut, Schiffen und Schiffbrüchen,
glückseligen Inseln
und weißen Stränden: von Goethe und
C.
F. Meyer über Storm,
Baudelaire,
Pessoa und
Ringelnatz bis hin zu Thomas
Mann, Anna Achmatowa und Mascha Kaléko. (Reclam)
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"Meer
von Robert
Gernhardt"
In "Meer von
Robert
Gernhardt" machte sich einer der bedeutendsten deutschen
Lyriker der
Gegenwart auf die Suche nach dem Aquatischen in seinem Gesamtwerk und
landete
unverhofft im Autobiografischen. Vor allem aber erhalten
Gernhardt-Leser endlich
Antwort auf die drängende Frage, warum der Albatros von allen
Tieren am
schwierigsten zu zeichnen ist. Entstanden ist so ein Gernhardt'scher
Reigen,
unterhaltsam und profund, denn wann immer der Dichter das Festland
verlässt,
geht es um die letzten Dinge:
"Das Meer ist tief, / die Welt ist schlecht, / wie ihr's auch
dreht - /
der Wal hat recht." (marebuchverlag)
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Klaus
Cäsar Zehrer (Hrsg.): "'Da: Das Meer!' Das
maritime Oeuvre der Neuen Frankfurter Schule"
Die "Neue Frankfurter Schule", hinter der sich eine Gruppe von acht
Künstlern
verbirgt, die einst die Satirezeitschrift "Titanic" gründeten,
ist
eine Institution des Humors, die jeder kennt. Weniger bekannt war
bisher jedoch,
dass sich sämtliche Hauptvertreter der "Neuen Frankfurter
Schule"
nachweislich, nachdrücklich und nachhaltig von allen Ozeanen,
Meeren und
sonstigen Wasserflächen fern halten: Der Böhme Hans
Traxler, der Schwabe F.W.
Bernstein und der Oberpfälzer Eckhard Henscheid entstammen
Landstrichen, deren
Bewohner das Meer bis heute nur von Forschungsberichten und aus
Abenteuerromanen
kennen. Chlodwig Poth und Peter Knorr, in Wuppertal beziehungsweise
Salzburg
geboren, ließen sich tief im Binnenland nieder. Robert
Gernhardt, F.K. Waechter
und Bernd Eilert: zwar Kinder der Küste, doch
verließen alle drei bald ihre
feuchte Heimat und suchten ihr Glück dort, wo sie trockene
Arbeitsbedingungen
sowie die übrigen Erwähnten vorfanden: in
Frankfurt
am Main, der Stadt, die weiter von jeder Meeresküste
entfernt liegt als
jede andere europäische Metropole. Und worüber
schreiben, was zeichnen diese
wasserscheuen Landratten nun seit mittlerweile 50 Jahren? Meere, Meere
und nochmals
Meere.
Dieses Buch versammelt erstmals das facettenreiche maritime Oeuvre der
"Neuen
Frankfurter Schule". (marebuchverlag)
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Birgit
Pelzer-Reith: "Venus, Schildpatt, Knallgarnele (alles
außer Fisch)"
Wussten Sie, ...
... dass die Röhrenwürmer im Golf von Mexiko 250
Jahre alt werden?
... dass das älteste Lebewesen der Erde jedoch ein Schwamm aus
der Antarktis
ist, der seit über 10.000 Jahren lebt?
... dass Fangschreckenkrebse sich ihre Beute mit einer Geschwindigkeit
von sechs
Metern pro Sekunde schnappen?
... dass jährlich mehr Menschen von Seewespen getötet
werden als von
Haien?
Dieses Buch versammelt alles über das wundersame Leben im Meer
- alles außer
Fisch. (marebuchverlag)
Buch
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