Andrew McGahan: "Last Drinks"
Skandal,
Verdrängung, Spurensuche
Wir schreiben das Jahr 1989 und befinden uns in der australischen Stadt
Brisbane, wo Andrew McGahan, der Autor dieses bemerkenswerten Politthrillers,
lange Zeit lebte. Ein politischer Skandal hat die Stadt
erschüttert, ein Skandal aus Miss- und Vetternwirtschaft unter
Politikern, Korruption und einem erheblichen Missbrauch von Alkohol,
der im Übrigen den Protagonisten und den Leser von der ersten
bis zur letzten Seite begleitet. Erheblich in diesen Skandal verwickelt
sind der Journalist George Verney und sein Freund, der Kneipier Charles
Monahan. Während George unbehelligt davonkommt, landet sein
Freund Charles nach einem missglückten Selbstmordversuch
für viele Jahre im Gefängnis. Zahlreiche belastende
Dokumente trugen seine Unterschrift.
Im Zuge eines großen Korruptionsprozesses wird nicht nur
Charles verurteilt, auch die Regierung stürzt.
Er sitzt seine Zeit im Gefängnis ab und verlässt die
Haftanstalt an Leib wie Seele schwer beschädigt und
alkoholkrank. Am meisten hat ihm die ganze Zeit über zu
schaffen gemacht, dass er kurz, bevor er eingefahren ist, seinen Freund
George, dem er doch
so vertraut hatte, dabei beobachtet hatte, wie er mit seiner Ehefrau
Maybelline intim war. Natürlich war dies das Ende der langen
Freundschaft, und Charles hatte all die Jahre keinen Kontakt mehr zu
George unterhalten.
Der wiederum hat sich in die kleine Ortschaft Highwood verkrochen, um
alles hinter sich zu lassen und ein neues Leben zu beginnen. Er
schreibt noch als Journalist, aber nur für eine kleine
Lokalzeitung, um keinesfalls erneut mit der großen korrupten
Politik in
Berührung zu kommen. Und er hat seit dem Tag, als er Brisbane
verließ, keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt.
Doch wie das oft so ist: die Vergangenheit ist nicht vergangen. Eines
Tages, zehn Jahre ist der große Skandal mittlerweile her,
bekommt George nachts einen Anruf, der ihn aus dem Schlaf
reißt und dessen Folgen ihm im Verlauf der weiteren Handlung
den Schlaf rauben. Sein ehemaliger Freund Charlie ist nach seiner
Entlassung aus dem Gefängnis auf dem Weg zu George auf
schreckliche Weise zu Tode gekommen.
George lässt das nicht unberührt, im Gegenteil. Er
fragt sich, wer ein Interesse daran haben kann, einen
heruntergekommenen Alkoholiker wie Charles so brutal hinzurichten. Hat
es etwas damit zu tun, dass Charlie zu ihm
gelangen wollte? Hat es etwas damit zu tun, was damals geschehen ist?
Und George beginnt zu ermitteln. Während er in seiner
Vergangenheit wühlt, muss er die schreckliche Entdeckung
machen, dass er sich damals, meist zu betrunken, um irgendetwas zu
behalten, zum Büttel der Regierung gemacht hat, ein
Hofberichterstatter übelster Sorte war. Ehemalige
Verbündete und Saufbrüder, die er aufsucht, erinnern
ihn schmerzhaft an diese Zeit, die er in Highwood erfolgreich
ausgeblendet hatte.
Und alle damaligen Beteiligten sind noch da, wenn auch in neuen Rollen:
Marvin, ein charismatischer Politiker, zwielichtige Barbesitzer und
Polizisten, der große Lindsay, der immer noch im Hintergrund
die Fäden der Handlung in der Hand hält, und
schlussendlich auch Maybelline, die ehemalige Frau Charlies, die er so
geliebt hat.
Bald merkt die Polizei, die den Mord an Charlie aufklären
will, dass George auf eigene Faust ermittelt, und beschattet ihn.
Dennoch begibt sich der Observierte auf eine hochgefährliche
Spurensuche, die ihn auf das Härteste mit seiner alten Schuld
konfrontiert, ihn aber auch wieder mit seiner alten Liebe
zusammenführt
...
"Last Drinks" ist ein Roman, der den Rausch beschreibt, den
Macht
und
Trunkenheit
auslösen. Er arbeitet mit vielen
Rückblicken, was jedoch bis auf wenige Ausnahmen weder der
dichten Spannung noch der ganz eigenen Atmosphäre des Romans
Abbruch tut.
(Winfried Stanzick; 07/2008)
Andrew
McGahan: "Last Drinks"
Übersetzt von Uda Strätling.
Kunstmann, 2008. 461 Seiten.
Buch
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Andrew McGahan, geboren 1966 in Dalby, Queensland, zählt zu den angesehensten Autoren Australiens. "Last Drinks" wurde als "Best First Crime Novel" mit dem "Ned Kelly Award" ausgezeichnet. Andrew McGahan lebt als freier Schriftsteller in Melbourne.