Roland van Vliet: "Der Manichäismus"
Geschichte und Zukunft einer frühchristlichen Kirche
Auf den Spuren einer verschwundenen Religion
Manche Historiker des Christentums haben dieses in der Vergangenheit
mit einem Orchester verglichen, das aus vielen unterschiedlichen
Musikern besteht und zahlreichen verschiedenen Instrumenten, jedes mit
seinem ureigenen Klangbild und Charakter. Einige Gruppen von
Instrumenten sind stärker besetzt, treten deshalb im Gesamtklang
des Orchesters stärker hervor. Andere tauchen nur selten auf oder
haben gerade eine Pause. Und dann, so diese Religionshistoriker, gibt
es eine Anzahl sozusagen leerer Pulte, die jenen Strömungen des
Christentums entsprechen, die im Laufe der Dogmengeschichte
als häretisch ausgeschieden,
teilweise erbittert bekämpft und mitunter auch blutig ausgerottet
wurden. Eine solche fehlende Stimme ist für den Autor des
vorliegenden Buches die frühchristliche Strömung des
Manichäismus, die ihre Wirkung im Osten bis nach China und im
Westen bis nach Spanien und Flandern hatte.
Begründet wurde diese frühchristliche Richtung von Mani
(216-276), einem Theologen, der zugleich Dichter, Musiker und Maler
war, was für den Autor nicht unerheblich für dessen genuine
Theologie ist. Mani vertrat ein Christentum, das starke bildhafte, ja
fast "orientalische" Züge trug. Vom
dritten Jahrhundert an bis auf den heutigen Tag galt die Lehre des
Manichäismus als eine Häresie. Ihre Verdammung geht auf den
großen Kirchenlehrer
Augustin zurück, der zunächst den Lehren Manis viel abgewinnen konnte, sie dann aber umso unerbittlicher verdammte.
Die Buchkapitel: |
Roland van Vliet
versucht in seinem großen Werk über den Manichäismus
nachzuweisen, was nach - von ihm als revolutionäre Quellenfunde
bezeichneten - neuen Dokumenten naheliegend scheint: |
Denn einer der zentralen
Gedanken des Manichäismus, den Roland van Vliet detailliert
ausbreitet, ist, dass das "Böse" nicht bekämpft oder
verteufelt und damit vom eigenen inneren Selbst abgespalten, wie die
Psychoanalytiker das nennen würden, sondern
das "Böse" sozusagen "gut geliebt" wird. Durch diese Liebe wird
das Böse erlöst und seiner eigentlichen Entwicklungsaufgabe
zugeführt, nämlich "Gutes" zu werden.
Man begreift, dass hier unbeschadet einer endgültigen und
theologisch abgesicherten dogmengeschichtlichen Einordnung die Essenz
der Feindesliebe Jesu angesprochen ist, und wird direkt an neuzeitlichen Philosophien und Strömungen dieser Feindesliebe erinnert, z. B. bei
Mahatma Gandhi,
Martin Luther King, dem
Dalai Lama und vielen anderen Theoretikern und Praktikern der Gewaltfreiheit.
Ein manichäisches Lebensethos, das Liebe, Brüderlichkeit und
Freiheit nicht nur predigt, sondern in globalem Umfang konsequent lebt,
könnte, so der Autor, in einer Welt voller moderner
"Kreuzzüge" ein entscheidender Beitrag zum Überleben der
Menschheit sein.
Eine auch für christliche Theologen interessante Lektüre, der
sie sich zunächst ohne dogmatische oder apologetische
Voreingenommenheit widmen sollten. Sie könnten für ihre
eigene Konfession durchaus positive Impulse gewinnen.
(Winfried Stanzick; 01/2008)
Roland van Vliet: "Der Manichäismus. Geschichte und Zukunft einer frühchristlichen Kirche"
Aus dem Niederländischen von Marianne Holberg und Agnes Dom-Leuwers.
Verlag Urachhaus, 2007. 312 Seiten.
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Roland van Vliet, geboren 1960, studierte Philosophie in Amsterdam. Mit seinem Ansatz, Management mit Philosophie, Ethik und Ästhetik zu verbinden, hat er für zahlreiche niederländische Institutionen als Trainer gearbeitet.