Heinz Häfner: "Ein König wird beseitigt"
Ludwig II. von Bayern
Ludwig II. - Opfer eines hinterhältigen Staatsstreiches?
In einem vom Prinzregenten Luitpold inszenierten Staatsstreich von
exorbitanter Dreistigkeit, mit einem als Judas gedungenen Psychiater
Bernhard von Gudden als Speerspitze, der nicht nur seinen König,
sondern auch sein ärztliches Berufsethos verraten hat, wurde am
11. Juni 1886 der bayrische "Märchenkönig" Ludwig
II., unter dem Vorwand der Regierungsunfähigkeit aufgrund von
unheilbarer Paranoia festgenommen und abgesetzt. Der König war
jedoch keinesfalls wahnsinnig, ein wenig verrückt vielleicht im
Sinne von exzentrisch, doch aus des Königs Schrullen und Marotten
haben Prinzregent, Minister und Gutachter ein pittoreskes
Lügengewebe gesponnen und seine Majestät, seine bayrischen
Untertanen und die ganze deutsche Nation darin eingewickelt.
So jedenfalls stellt Heinz Häfner, ein Psychiater von
internationalem Ruf, die Geschehnisse von damals dar. Er stützt
sich dabei auf ein umfangreiches Datenmaterial, das er mit seinem
Forschungsteam ausgewertet hat. Die Quellen, die ihm zur Verfügung
standen, gehen in ihrer Vielfalt weit über das hinaus, was
Bernhard von Gudden vor etwa 120 Jahren zur Verfügung stand. Das
liegt einesteils daran, dass die psychiatrische Forschung im Laufe der
Zeit große Fortschritte erzielen konnte und so viele Aussagen und
Befunde von damals in einem klareren Licht erscheinen lässt, und
zum Anderen konnte Heinz Häfner auch neue Quellen
erschließen, über die von Gudden nicht verfügte oder
nicht verfügen wollte, weil er sie schlichtweg ignorierte. Die
Auswertung und Deutung dieser Quellen, die Heinz Häfner mit seinem
Werk vorlegt, ist schlüssig und in jeder Hinsicht nachvollziehbar,
auch von medizinischen Laien. "Ein König wird beseitigt" ist zwar
kein populärwissenschaftliches Buch im engeren Sinne, sondern eine
rein wissenschaftliche Studie, doch ist es trotzdem interessant nicht
nur für historisch interessierte oder an Medizin interessierte
Laien, es dürfte eigentlich interessant sein für jedermann.
Allein die Faszination, die noch heute von Ludwig II. ausgeht, sollte
dem Werk eine breite Leserschaft eröffnen, zudem ist es trotz
aller Wissenschaftlichkeit spannend und verständlich geschrieben.
"Was immer der König tat oder nicht tat - es wurde zu seinen Ungunsten ausgelegt",
schrieb einer seiner Biografen (L. Hüttl). Dabei versuchte Ludwig
nur, eine romantische Schein- und Gegenwelt zu errichten, in die er
sich bei Bedarf zurückziehen konnte. Heinz Häfner attestiert
dem König in diesem Zusammenhang wohl eine soziale Phobie sowie
andere kleine Persönlichkeitsschwächen, die aber keineswegs
psychotischer Natur waren, so der Autor. Das gilt nicht zuletzt auch
für Ludwigs Bauwut, ein Hauptgrund für die Entmachtung des
Königs, da seine Bauten Unmengen an Geldmitteln verschlangen und
außerdem von den Gutachtern als Beweise seines Wahnsinns
ausgegeben wurden. König Ludwigs Prunkbauten als in Stein
gemeißelte Manifestationen eines königlichen Wahnsinns?
Nein, sagt Heinz Häfner, und auch des Königs oftmals
merkwürdiges Gebaren reicht keineswegs aus, ihn als wahnsinnig zu
etikettieren. Dazu bemerkte beispielsweise der preußische
Gesandte in Bayern: "Die Eigentümlichkeiten seiner
Majestät erstrecken sich doch nur auf die Privatangelegenheiten
und die Regierungsgeschäfte werden glatt und korrekt erledigt." Und
Otto von Bismarck äußerte sich wie folgt: "Die
Welt wird ihr Urteil über König Ludwig bedeutend ändern,
wenn man nicht nur seine Kunstschöpfungen bewundert, sondern auch
in seine staatsmännische Korrespondenz Einsicht nehmen kann."
Tatsächlich trugen die in großer Zahl erhaltenen Briefe
Ludwigs das Wasserzeichen eines klaren Verstandes, in den sich
mitnichten die Klauen des Wahnsinns gekrallt hatten.
Eine weitere tragende Rolle bei der Absetzung und Internierung des
Königs spielten seine homosexuellen Neigungen, ein Thema, das
bislang noch wenig diskutiert wurde und dem in Heinz Häfners
Studie größere Aufmerksamkeit zuteil wird. Hier muss man
Prinz Luitpold allerdings zugute halten, dass er zum Eingreifen
gezwungen war. Als Generalinspekteur der bayrischen Armee trug er
Verantwortung für seine Soldaten, die in Ludwigs letzten
Lebensjahren immer häufiger abkommandiert und missbraucht wurden,
um seine homoerotischen Gelüste zu befriedigen. In diesem Punkte
bestand also in der Tat Handlungsbedarf. Nur die Art und Weise, wie
dies geschehen ist, ist zu kritisieren. Weder Homosexualität noch
verrückte Ideen und überspannte Gewohnheiten, die auch in
nicht psychotischen Gehirnen einen guten Nährboden finden,
können als Ausdruck einer Geisteskrankheit herhalten, auch zur
damaligen Zeit nicht. Ludwigs sexuelle Moral ließ nach
früheren Maßstäben gewiss zu wünschen übrig,
aber seine soziale Moral konnte er sich zeitlebens bewahren.
Was mag den Hauptgutachter Bernhard von Gudden dazu veranlasst haben,
seinen Namen für ein solches per Ferndiagnose erstelltes Gutachten
herzugeben? Warum wurde von Gudden zum Judas? Der Autor Heinz
Häfner geht ausführlich auf diese Frage ein und diskutiert
mögliche Antworten. Summa summarum kann man Folgendes sagen: Auch
wenn man von Guddens Verhalten an den Kriterien der medizinischen und
ethischen Normen seiner Zeit misst, bleibt es weitestgehend
unverständlich, wie er zu seinen irrigen Schlüssen kommen
oder wider besseres Wissen falsche Behauptungen über den
König aufstellen konnte. Ohne dabei überhaupt König
Ludwigs Leibärzte befragt zu haben! Und auch die nicht
wegzudiskutierende Häufung psychischer Erkrankungen im
europäischen Hochadel, wovon auch das Haus Wittelsbach nicht
ausgenommen war, ist kein Argument für eine angenommene
Geisteskrankheit bei Ludwig II, zumal Heinz Häfner in seiner
Studie überzeugend nachweisen kann, dass die Erkrankung seines
Bruders Otto mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf genetische Faktoren
zurückzuführen ist.
Heinz Häfners überaus lesenswertes Buch wirft ein neues Licht
auf das tragische Leben Ludwigs
II., ein Licht von wohltuender Objektivität und Ausgewogenheit.
Nichts wird hier beschönigt, nichts und niemand wird
romantisierend verherrlicht. Alle Aspekte, die wesentlich für das
Verstehen der damaligen Vorgänge sind, werden beleuchtet, Ludwigs
Kindheit und Jugend, die politische Lage, das übersteigerte
Kunstinteresse des Königs und so weiter. Häfner gibt einen
Abriss über die Psychiatrie zu Zeiten Ludwigs II. und entwirft ein
kurzes Porträt des Bernhard von Gudden. Seine Versuche,
Psychologie und Motive der am Geschehen Beteiligten auszuloten, wirken
sehr überzeugend. Kritik äußert er an der Vertuschungs-
und Geheimhaltungsstrategie des Hauses Wittelsbach, die bis in die
heutige Zeit aufrechterhalten wird. Und da ist Heinz Häfner nicht
der einzige Kritiker. Direkt nach Ludwigs Tod gab es von offizieller
Seite eine massive Einschüchterungskampagne gegen diejenigen, die
Kritik am Verfahren der Absetzung äußerten. Es wurden in
diesem Zusammenhang sogar Journalisten zu mehrmonatigen Haftstrafen
verurteilt!
"Ein König wird beseitigt" ist ein auf der Basis gesicherter
Fakten geschriebenes Buch von überzeugender Seriosität und
Unvoreingenommenheit und dennoch fesselnd. Wer noch nach einer Idee
für ein Weihnachtsgeschenk sucht, dem sei Heinz Häfners Buch
empfohlen.
(Werner Fletcher; 11/2008)
Heinz Häfner: "Ein König wird beseitigt. Ludwig II. von Bayern"
C.H. Beck, 2008. 544 Seiten.
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Prof.
Dr. Heinz Häfner ist em. Professor für Psychiatrie der Universität Heidelberg
und war Direktor des Mannheimer "Zentralinstituts für Seelische Gesundheit" ("ZI").
Für seine Forschungen wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er ist Mitglied
verschiedener Expertenkommissionen, darunter der "WHO".
Weitere Buchtipps:
Michael Kühler, Ernst Wrba: "Die Schlösser
König Ludwigs II."
Am 25. August 1845 wurde Ludwig II. in München als ältester Sohn von Kronprinz
Maximilian und Kronprinzessin Marie Friederike geboren. Er wurde auf den Namen
Otto Friedrich Wilhelm Ludwig getauft, Rufname sollte jedoch auf Drängen des
gleichnamigen Großvaters Ludwig sein, der ebenfalls an einem 25. August geboren
wurde (1786).
Die erste und wohl schicksalhafte Begegnung Ludwigs II. mit
Richard Wagner
ereignete sich 1861 beim Besuch der Opern "Tannhäuser" und "Lohengrin",
woraus vermutlich seine Vorliebe für Wagners Opern und die darin verarbeitete
Sagen- und Märchenwelt entstand. Nach seiner Proklamation zum König, 1864, tat
er sich schon bald als Förderer Wagners hervor. Es entstand eine Freundschaft,
die bis zum Tod des Königs andauerte.
1868 entwarf König Ludwig in einem Brief an Richard Wagner seine Vorstellungen
für eine neue Burg Hohenschwangau, das heutige Neuschwanstein. Der Grundstein
wurde 1869 gelegt. 1884 wurde der Palas im Schloss Neuschwanstein
fertiggestellt, das Ludwig zum bevorzugten Wohnsitz erwählen wollte.
Von 1874 bis 1878 wurde Schloss Linderhof anstelle des sogenannten Königshäuschens
des Vaters Max II. erbaut. Schloss Linderhof ist das kleinste der drei von
Ludwig II. erbauten Schlösser, aber auch das einzige, welches voll ausgebaut
und auch länger von ihm bewohnt wurde. 1873 wurde die Herreninsel im Chiemsee
gekauft, wo ab 1878 das Schloss Herrenchiemsee nach Ludwigs Vorstellungen als
neues Schloss Versailles entstehen sollte.
Die Schlösser König Ludwigs II. und seine Person werden in diesem Buch ausführlich
dargestellt. Besonders die Bilder von Ernst Wrba tragen dazu bei, Einblick in
das Leben des Märchenkönigs zu erhalten. (Stürtz)
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Wolfgang Müller: "Wittelsbacher
Schicksale. Ludwig II., Otto I. und Sisi"
Der "Märchenkönig" Ludwig II., sein Bruder Otto und die österreichische
Kaiserin Sisi - bis heute geben ihr Leben und Sterben Rätsel auf. Allen drei
Wittelsbachern ist gemeinsam, dass sie die großen Anforderungen ihrer Umwelt
nicht erfüllen konnten, sich in ihre eigenen Welten zurückzogen und schließlich
ein tragisches Ende fanden. Anhand von zeitgenössischen Zeugnissen hat Wolfgang
Müller die Hintergründe dieser drei außergewöhnlichen Menschen untersucht,
insbesondere aber das Geheimnis um den Tod Ludwigs II. Dabei eröffnet er neue
Sichtweisen jenseits der bekannten Klischees und zeichnet ein differenziertes
Bild von Glanz und Tragik eines großen Herrscherhauses. (Piper)
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Christian Dickinger: "Die
schwarzen Schafe der Wittelsbacher. Zwischen Thron und Wahnsinn"
Aus der Dynastie der Wittelsbacher stammen die unglückliche Kaiserin Elisabeth
sowie Ludwig II., der "Märchenkönig", und sein verrückter Bruder
Otto, deren beider Tante Alexandra zeitlebens an der Wahnvorstellung litt, ein
gläsernes Klavier verschluckt zu haben. Aber auch schon in früheren Zeiten trifft
man auf "schwarze Schafe", darunter der erbarmungslose Johann, der
streitsüchtige Christoph und der faule Sigismund.
Christian Dickinger hat die
größten Sonderlinge, Geistes- und Charakterschwachen des bayerischen
Herrschergeschlechts ausfindig gemacht und erzählt von ihnen auf amüsante Art
und Weise. (Piper)
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Ludwig Holzfurtner: "Die Wittelsbacher. Staat und Dynastie in acht Jahrhunderten"
Im September 2005 waren 825 Jahre vergangen, seit
Friedrich Barbarossa Otto von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern belehnte. Wittelsbach und Bayern sind in der Geschichte seither untrennbare Begriffe. 738 Jahre lang regierten die Wittelsbacher das Land ohne Unterbrechung. Über Teilungen und Vereinigungen hin formten und lenkten sie es als Herzöge, Kurfürsten und Könige bis zum Ende der Monarchie 1918. In dieser Zeit begründeten sie das bis heute spürbare historische Selbstverständnis Bayerns. Die Geschichte des Hauses reicht jedoch über Bayern weit hinaus: die Wittelsbacher waren Kurfürsten der Pfalz und Herzöge von Jülich-Berg und Zweibrücken; sie stellten zahlreiche Fürstbischöfe und drei Könige und Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches, Könige von Schweden und Dänemark. (Kohlhammer)
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Martha Schad: "Ludwig II."
"Ich glaube an die Unsterblichkeit der Seele und an die Gerechtigkeit
Gottes ... Von der höchsten Stufe des Lebens hinabgeschleudert zu werden in ein
Nichts - das ist verlorenes Leben; das ertrage ich nicht. Dass man mir die Krone
nimmt, könnt ich verschmerzen, aber dass man mich für irrsinnig erklärt hat,
überlebe ich nicht. Ich könnte es nicht ertragen, dass es mir so geht wir
meinem Bruder Otto, dem jeder Wärter befehlen darf und dem man mit Fäusten
droht, wenn er nicht folgen will ..."
Ludwig II. zu seinem Lakai Alfons Weber, am 10. Juni 1886.
Ludwig II. von Bayern (1845-1886) ist wie kein anderer bayerischer König der
Nachwelt in Erinnerung geblieben, vor allem durch seine fantastischen Bauten.
Sein Tod wurde niemals völlig aufgeklärt. Die Geschichte seines Lebens gibt
stets neue Rätsel auf. (dtv)
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Oliver Hilmes: "Ludwig II."
zur Rezension ...
Der unzeitgemäße König
Alexander von Schönburg: "Alles,
was Sie schon immer über Könige wissen wollten, aber nie zu fragen wagten"
Wie kommt es, dass nach dreihundert Jahren Aufklärung,
nach all unseren Bemühungen, sämtliche Rätsel der Welt zu lösen,
ausgerechnet das Königtum noch immer einen Zauber bewahrt hat, dem man sich
selbst als eingefleischter Republikaner nicht entziehen kann? Alexander von
Schönburg versucht dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Dabei erkundet er
nicht nur das Wesen des Königtums - von den mythischen Figuren wie
König
Artus oder
König David bis zu den Königlichen unserer Tage -, sondern
beantwortet auch zahlreiche handfeste Fragen: Wie wird man König? Warum
tragen Könige eigentlich Kronen? Und warum sollten Könige nicht allzu
gescheit sein? Alexander von Schönburg kennt sich aus in der Welt der gekrönten
Häupter - seine Frau ist eine Großnichte der englischen Königin, auf seiner Hochzeit
tanzte Königin Sophia von Spanien. So kann er aus eigener Anschauung
berichten: von seinem Aufenthalt am Hofe des Sultans von Brunei, einem merkwürdigen
Abend mit Rania von Jordanien oder seinem Besuch beim nepalesischen König -
kurz vor dessen Abdankung. Am Ende entsteht ein ebenso unterhaltsames wie
intelligentes Sittengemälde des Königtums, das auf amüsante Weise
Kulturgeschichte und Klatsch vereint ... (Rowohlt Berlin)
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