Doris Lessing: "Der Zauber ist nicht verkäuflich"
Afrikanische Erzählungen.
Gelesen von Anna König.
(Hörbuchrezension)
Beziehung
zwischen Schwarz und Weiß
Die drei schönsten afrikanischen Erzählungen der
"Epikerin weiblicher
Erfahrung, die sich mit Skepsis, Leidenschaft und visionärer
Kraft eine
zersplitterte Zivilisation zur Prüfung vorgenommen hat",
so die Würdigung
der Mitglieder der "Königlich Schwedischen Akademie der
Wissenschaften" in Stockholm, die ihr am
11. Oktober 2007 den
Literatur-Nobelpreis zuerkannten, sind
im Frühjahr 2008 als Hörbuch
bei Diogenes erschienen.
Gemeint ist natürlich Doris Lessing, die in den 1980er-Jahren
"auf dem
Kontinent" zur Kultautorin mit enormen Auflagenzahlen wurde, doch im
deutschen Sprachraum kaum bekannt war. Ursprünglich im Iran
geboren, wuchs sie ab 1925
in der Kolonie Süd-Rhodesien (heute Simbabwe) auf einer Farm
auf. Die kleine
Doris verbrachte einen großen Teil ihrer Kindheit
"allein in einem Landstrich mit sehr wenigen Menschen darin", vereinsamt in engen,
problembeladenen Familienverhältnissen, wie sie selbst einmal
erzählte.
Bereits früh sah sie Afrikas Rassenprobleme kritisch, was
offensichtlich ein
Grund für das Scheitern ihrer ersten Ehe mit einem
karrierebewussten
Kolonialbeamten war. Lessings Überzeugung nach wäre
sie in dieser Ehe früher
oder später zur Trinkerin geworden oder in der Psychiatrie
gelandet. Nach ihrer
Rückkehr in die Heimat ihrer Eltern, nach England (1949),
begann sie schon bald
Bücher zu schreiben, und erste Erfolge ließen sich
verzeichnen.
Genaue psychologische Analyse
Ihre Werke, überwiegend erzählende Prosa in
realistischer Formtradition,
sind stets durch stark autobiografische Elemente geprägt. Sie
überzeugen
weniger durch stilistische Brillanz, als vielmehr durch einen
intellektuellen
und moralischen Inhalt.
So auch Doris Lessings Erzählband "African Stories",
der in Auszügen ebenfalls
bei Diogenes unter dem Titel "Der Zauber ist nicht
verkäuflich.
Afrikanische Erzählungen" erschienen ist, aus dem drei
Erzählungen für
dieses Hörbuch ausgewählt wurden und nun auch
akustisch genossen werden können.
Mit genauer psychologischer Analyse und geduldiger Selbstreflexion
erzählt die
Autorin von weißen Farmern und den schwarzen, ausgebeuteten
Unterprivilegierten, denen die
Weißen zum größten Teil ihren Wohlstand zu
verdanken hatten und die manchmal
gar selbstlos deren Leben retteten. So zum Beispiel das des kleinen
weißen
Jungen "Teddy" aus der Titelgeschichte, dem eine Schlange ihr giftiges
Sekret in die Augen gespuckt hat und der nun zu erblinden droht.
Wäre da
nicht der schwarze Koch Gideon, dessen schnell herbeigeschafftes
Kräutlein
Rettung verspricht. Was gäben die Weißen
dafür, dieses Heilmittel
gewinnbringend einsetzen zu können. Doch Gideon verkauft sein
okkultes Wissen für
keinen Preis der Welt.
In der Erzählung "Leoparden-George" wiederum geht es um Undank
und
Betrug. George Chester hat mit Hilfe seines Dieners Smoke - eines
ranghohen
Stammesältesten - und dessen "großer Familie" aus
seiner
bescheidenen brachliegenden Farm ein äußerst
gewinnbringendes, florierendes
Unternehmen gemacht. "Zum Dank" spannt er ihm seine junge Frau aus.
Geliebtes und gehasstes Heimatland
Immer wieder geht es um das angespannte Verhältnis zwischen
der ehemaligen Kolonialmacht
und den Ureinwohnern, um Unglück und Ignoranz, um leise
Katastrophen, kurz: das
Schwarz-Weiß-Problem der afrikanischen Länder, das
auch heute noch
aktuell ist und fast täglich unsere Zeitungen füllt.
Aus der Perspektive
einer Betroffenen kommt so das brüchige Selbstbewusstsein
einer Schicht ins
Bild, die das schlechte Erbe des Kolonialismus auch schlecht verwaltet.
Doch Doris Lessing zeigt ihr geliebtes und gehasstes Heimatland auch
mit seiner
tiefen Schönheit und Faszination, so dass man aufgrund ihrer
sehnsuchtsvollen
Landschaftsbeschreibungen regelrecht Fernweh nach diesem wunderbaren
Kontinent
bekommt.
Einen großen Anteil am Gelingen dieser Hörproduktion
hat zweifelsohne die
Sprecherin Anna König, deren feinfühlige und sensible
Stimme die Gratwanderung
zwischen Schönheit und Abscheu wunderbar zu intonieren
versteht.
Fazit:
Drei großartige Erzählungen Doris Lessings werden
von Anna König einfühlsam
vorgetragen.
"Der Zauber ist nicht verkäuflich" ist ein sehr
empfehlenswertes Hörbuch, um sich der
Literaturnobelpreisträgerin und
ihrem Werk zu nähern.
(Heike Geilen; 05/2008)
Doris
Lessing: "Der Zauber ist nicht
verkäuflich. Afrikanische Erzählungen"
(Originaltitel "African Stories")
Aus dem Englischen von Marta Hackel und Lore Krüger.
Gelesen von Anna König.
Diogenes, 2008. 3 CDs; Laufzeit ca. 156 Minuten.
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Buchausgabe:
Diogenes. 384 Seiten.
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