John Le Carré: "Der wachsame Träumer"


Eine Entscheidung mit dramatischen Folgen

Dieser erstmals 1971 erschienene Roman ist ein Ausbruch aus dem Bereich der üblichen Spionagegeschichten oder der Geschichten um internationale politische und wirtschaftliche Verwicklungen, wie man sie von John Le Carré normalerweise kennt. In "Der wachsame Träumer" steht die Geschichte eines Mannes im Mittelpunkt, der überaus englisch wohlhabend lebt, bis ihm eine zufällige Begegnung mit zwei ungewöhnlichen Menschen auf ganz neue Wege führt.

Aldo Cassidy ist sehr erfolgreicher Unternehmer, der mit seinem Patent für eine sichere Kinderwagenbremse schon in frühen Jahren ein Vermögen gemacht hat, nun seine Familie einschließlich seines bankrotten Vaters durchfüttert und eigentlich mit seinem Leben ganz zufrieden sein kann. Seine Frau erscheint ein wenig seltsam, doch Cassidy ist trotzdem auf der Suche nach einem weiteren Haus; diesmal auf dem Land, wohin er sich gelegentlich zurückziehen möchte. Seine Ausflüge dieser Art tarnt er in der Regel als Besuch von wohltätigen Bauvorhaben, die er zu unterstützen überlegt; eine Ausrede, die bei seiner Frau eher den Verdacht ehelicher Untreue hervorruft.

Auf einem großen Grundstück namens Haverdown stößt er unerwartet auf Shamus und Helen, ein Bohème-Pärchen, das ihn vom ersten Moment an fasziniert. Er bietet dem Paar lebenslanges Wohnrecht in dem fraglichen Haus an, und als er feststellt, dass die beiden das Haus eigentlich widerrechtlich bewohnen, verfällt er ihnen sogar ganz. Und so beginnt er sein Leben um seine Obsession mit diesen beiden Menschen umzugestalten, was innerhalb seiner Familie und seiner Firma einiges in Bewegung bringt.

Die Geschichte schwankt - oft völlig übergangslos - zwischen der eigentlichen Handlung, Träumen und Wunschvorstellungen Aldos, was die Lektüre von "Der wachsame Träumer" bisweilen ein wenig erschwert und dem Leser hohe Aufmerksamkeit abverlangt, was ja nicht unbedingt schlecht sein muss. Einige der besten Bücher der Welt verlangen derlei von ihrer Leserschaft.

Leider gehört John Le Carrés Roman nicht zu diesem erlesenen Kreis. Die Charaktere, besonders Aldo, bleiben ebenso flach wie wenig überzeugend, und speziell Aldo ist in seinen Lebensumständen sowie seinen Verhaltensweisen so englisch-klischeehaft dargestellt, dass er sich nicht einmal zu einer guten Parodie oder Karikatur eignet. Die Geschichte entwickelt sich schleppend voller unwichtiger Intermezzi, und so wird durchgehend jedes Bisschen aufkommende Spannung vermieden. Es gibt ein paar nette Beschreibungen und Wortspiele, wie man sie von Le Carré kennt, aber auch diese machen den Roman nicht lesenswert - es sei denn, man hat Schwierigkeiten, einzuschlafen.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 01/2008)


John Le Carré: "Der wachsame Träumer"
Übersetzer: Rolf und Hedda Soellner.
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